Auf dem heutigen Gebiet der Ortsgemeinde Schwendau bestanden Mitte des 19. Jahrhunderts folgende Forstverhältnisse: Das Dorf Schwendau und der Weiler Burgstall nutzten jeweils eigene Waldgebiete. Bei den Nachbarn im Weiler Mühlen bestand die Besonderheit, dass diese, obzwar Teil der politischen Gemeinde Schwendau, nach den Forstnutzungsverhältnissen in Gemeinschaft mit den Bewohnern der Nachbargemeinde Hippach standen, damals als „Schwendberg“ bezeichnet. Die Stammliegenschaftsbesitzer von Mühlen nutzten somit ein Gemeinschaftsgebiet mit denen von Hippach, obwohl sie politisch der Gemeinde Schwendau zugeordnet waren.

KEIN ABLÖSUNGSVERGLEICH IN HIPPACH 

Der Forstservituten-Ablösungskommission ist es gelungen, mit Vergleich vom 20. Dezember 1849 die Forstservituten der Schwendauer und der Burgstaller abzulösen. Entsprechend der üblichen Terminologie in diesen historischen Dokumenten wurden die Stammliegenschaftsbesitzer von Burgstall unter der Bezeichnung „Fraktion Burgstall“ erfasst, die aus Schwendau als „Fraktion Schwendau“. Die Stammliegenschaftsbesitzer von Mühlen verhandelten gemeinsam mit denjenigen von Hippach, wo die Kommission erfolglos war. Die Hippacher, einschließlich der Nachbarn von Mühlen blieben deshalb im Staatsforst „eingeforstet“, heute Bundesforste.

Im Bericht der Forstservituten-Ablösungskommission vom 21. Dezember 1849 bemerkte das Kommissionsmitglied Dr. Anton Janiczek, Aushilfsreferent der k. k. tirol. Kammerprokuratur, dazu Folgendes: „Die Sieberlagler Güter, welche nach der politischen Eintheilung zur Gemeinde Laimach gehören, werden ihre bisherigen Einforstungsrechte in Staatswaldungen aus dem Grunde behalten, weil sie die Waldbenützung gemeinschaftlich mit der nicht abgefundenen Gemeinde Schwendberg [heute: Hippach] ausüben, von welcher sie nicht getrennt werden konnten. In derselben Situation befindet sich die Fraktion Mühlen, welche in politischer Beziehung zur Gemeinde Schwendau gehört, aber in den Staatswaldungen gemeinschaftlich mit der Gemeinde Schwendberg eingeforstet ist.“ Die damals bestätigten Einforstungsrechte an den heutigen Bundesforsteliegenschaften auf Gemeindegebiet von Hippach bestehen noch heute. Diese Einforstungsrechte stehen nur den historischen Stammsitzen zu. Gemäß Servitutenpatent von 1853 können Forstnutzungsrechte seit dem Jahr 1853 nicht mehr neu ersessen werden.

SCHWENDAU WIRD 1928 REGULIERT

Im Zuge der Tiroler Grundbuchanlegung wurden die beiden aus dem Ablösungsvergleich vom 20. Dezember 1849 hervorgegangenen Gemeinschaftsgebiete der Schwendauer und der Burgstaller – entsprechend der Bezeichnung im Servituten-Ablösungsvergleich vom 20. Dezember 1849 – unter den Etiketten „Fraktion Schwendau“ und „Fraktion Burgstall“ erfasst. Wegen Unstimmigkeiten bei der Gemeinschaftsnutzung versuchten die Schwendauer beginnend ab dem Jahr 1905 die Aufteilung ihres Gemeinschaftsgebietes zu erreichen. Diese Bemühungen waren jedoch erfolglos. In den 1920er Jahren wurde jedoch nach dem neuen (Tiroler) Teilungs-Regulierungs-Landesgesetz von 1909 eine Regulierung „als Fraktionsgut“ erreicht. Mit Register der Anteilsrechte vom März 1926 und Generalakt vom 15. September 1928 wurde durch die Agrarbehörde eine Ergänzung der Gemeindeordnung verfügt: Es wurde eine Verwaltung des Gemeinschaftsgebietes getrennt vom Gemeindeeigentum angeordnet, es wurde ein „Fraktionsausschuss“ konstituiert, der den „Schwendauer Wald“ nach den Bestimmungen der Gemeinde-Ordnung über die Verwaltung des Gemeindegutes verwaltet; als durchführende Organe der Verwaltung habe dieser aus der Mitte der Teilgenossen einen Obmann, einen Obmannstellvertreter und einen Kassier zu bestellen, und zwar für die Dauer der Funktionsperiode des Gemeinderates; dies nach näheren Vorgaben der Agrarbehörde. Schließlich stellte die Agrarbehörde fest, dass „Fraktion Schwendau“ aus einer taxativ aufgezählten Anzahl von Stammsitzliegenschaften des Dorfes Schwendau bestehe; konkret wurden 48 anteilberechtigte Stammsitze festgestellt. Die körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft erfolgte jedoch nicht, weil das Tiroler Teilungs-Regulierungs-Gesetz 1909 dies für Agrargemeinschaften in Gemeindeverwaltung nicht vorgesehen hat.

In Burgstall kam es erst im Jahr 1958 zu Beschwerden der Nutzungsberechtigten und in Konsequenz zur Einleitung der Regulierung. Seitens des bestellten Gemeindevertreters, Bürgermeister Johann Spitaler, wurde am 3. Oktober 1958 im Regulierungsverfahren die Erklärung abgegeben, dass die
Gemeinde Schwendau keinen Anspruch auf Nutzung des Burgstallwaldes erhebe und dass zugestimmt werde, wenn kein Anteilsrecht zuerkannt werde. Mit Bescheid vom 12. August 1959 wurde entschieden, dass neun Stammsitze in Burgstall, nicht jedoch die Ortsgemeinde Schwendau, anteilberechtigt wären. Diese Feststellungen wurden im Regulierungsplan der Agrargemeinschaft Burgstall vom 27. Februar 1967 wiederholt. Unter einem hat die Agrarbehörde über die Eigentumsverhältnisse am Gemeinschaftsgebiet der Burgstaller entschieden. Das Gemeinschaftsgebiet der Burgstaller wurde als Eigentum der Agrargemeinschaft Burgstall festgestellt. Das Teilungs-Regulierungs-Landesgesetz 1909 war in der Zwischenzeit vom Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1935, und dieses vom Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1952 abgelöst worden. Eine bestehende Gemeindeverwaltung war danach kein Hindernis mehr für die körperschaftliche Einrichtung einer Agrargemeinschaft.

ATYPISCHE FRAKTION BURGSTALL

Auf Grund dieser geänderten Rechtslage kam es bei Agrargemeinschaft Schwendau im Jahr 1964 zu einer Revision des Regulierungsplanes; auch Agrargemeinschaft Schwendau wurde als juristische Person „körperschaftlich eingerichtet“. Unter einem hat die Agrarbehörde auch im Fall des Schwendauer Gemeinschaftsgebietes über die Eigentumsverhältnisse entschieden. Auch hier wurde die Agrargemeinschaft als Eigentümerin festgestellt.

Mit Erkenntnis vom 5. April 2012 hat der Landesagrarsenat in Tirol befunden, dass Agrargemeinschaft Schwendau nicht aus „Gemeindegut“ reguliert wurde; der Ortsgemeinde Schwendau steht danach kein Substanzrecht am Regulierungsgebiet zu. Im Fall von Agrargemeinschaft Burgstall entschied dieselbe Behörde mit Erkenntnis vom 26. April 2012, dass eine Regulierung aus „Gemeindegut“ vorliege. Im Fall der ehemaligen Fraktion Burgstall stehe deshalb – anders als im Fall der ehemaligen Fraktion Schwendau – der Ortsgemeinde Schwendau heute das Substanzrecht am Regulierungsgebiet zu. Burgstall ist demnach eine „atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft“; die Burgstaller Stammliegenschaftsbesitzer fungieren demnach als „Hausmeister der Ortsgemeinde“, die „Gemeindesubstanz“ verwalten. Seit 1. Juli 2014 verfügt in allen Angelegenheiten der bestellte Staatskommissar der Ortsgemeinde Schwendau, der „Substanzverwalter“. Die Schwendauer sind dagegen als wahre Eigentümer ihres Gemeinschaftsgebietes anerkannt.

Diese Erkenntnisse des Landesagrarsenates Tirol zu den Gemeinschaftsliegenschaften von Schwendau und Burgstall sind in konsequenter Anwendung der Grundsatzentscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom Juni 2011 gefällt worden. Danach ist es für die Feststellung von „atypischem Gemeindegut“ ohne Bedeutung, wer der wahre Eigentümer des Regulierungsgebietes ursprünglich gewesen ist. Entschieden wird vielmehr danach, ob die Agrarbehörde seinerzeit eine „Gemeindeguts- bzw. Fraktionsgutqualifizierung“ vorgenommen hat oder nicht. Eine solche Gemeindegutsqualifizierung soll bei den Burgstallern erfolgt sein, bei den Schwendauern hingegen nicht. Dass das agrargemeinschaftliche Eigentum der ehemaligen Fraktion Burgstall aus demselben Servituten-Ablösungsvergleich hervorging wie dasjenige der Schwendauer, ist laut höchstgerichtlicher Erkenntnis irrelevant.