Dr. Josef Schumacher (*14. November 1894 in Wien, † 11. Juni 1971 in Innsbruck) war Landeshauptmann von Tirol vom 21. März 1935 bis zum 13. März 1938. Er wurde in Wien als Sohn des Juristen (Senatspräsident), Politikers und Schriftstellers Franz Schumacher (* 13. März 1861 in Innsbruck, † 23. Jul 1937 in Kleinvolderberg), geboren, besuchte er das Gymnasium in Wien und Trient. Sein Hochschulstudium in Innsbruck musste er kriegsbedingt unterbrechen; aus dem Ersten Weltkrieg kehrte er als hochdekorierter Kaiserjäger-Oberleutnant zurück. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. wurde Schumacher 1920 Landesbeamter in Tirol, ab November 1921 wurde ihm die Leitung der Bezirkshauptmannschaft Landeck übertragen. Am 21. März 1935 wurde Dr. Josef Schumacher zum Landeshauptmann von Tirol ernannt. Schumacher hat sich in dieser Funktion, die er bis zum deutschen Einmarsch innehatte, durch sein fachliches Wissen, sein objektives Urteilsvermögen und auch durch sein gewinnendes Wesen das Vertrauen und die Zuneigung breiter Bevölkerungskreise erworben. Die Nationalsozialisten setzten Schumacher als Landeshauptmann ab und schickten ihn ab 2. März 1939 als Beamter in Pension. Drei Mal wurde er wegen seiner Gesinnung im Dritten Reich in „Schutzhaft“ genommen. Knapp vor Kriegsende musste Schumacher zum Volkssturm einrücken, wobei er von italienischen Partisanen gefangen genommen wurde. 1947 trat er wieder in den Landesdienst; mit 1. Jänner 1948 zum Hofrat ernannt, avancierte er mit 1. Jänner 1958 zum Landesamtsdirektor. Dr. Josef Schumacher trat im März 1959 in den Ruhestand und starb am 11. Juni 1971. Er stellte sich auch in den Dienst der Tiroler Schützen, deren langjähriger Landeskommandant er nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen ist. Er war mit Josefine Gostner (1900–1996) verheiratet, mit der er sieben Kinder hatte. (aus: Richard Schober, Geschichte des Tiroler Landtages im 19. und 20. Jahrhundert) Während der Amtszeit Josef Schumachers als Landeshauptmann, im Sommer 1935 wurde auf der Grundlage des (Bundes-)Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes (Bundesgesetz vom 2.8.1932 betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl 1932/256) das Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz erlassen. Praktisch Zeitgleich befasste sich der Tiroler Landtag mit einer durchgreifenden Novelle zum (Landes-) Gemeindegesetz. Wegen der konkurrierenden Regelungen des Gemeinderechts und des Flurverfassungsrechts betreffend das „Gemeindegut“, erhob die Bundesregierung Einspruch gegen den vorliegenden Gesetzesentwurf für die neue Tiroler Gemeindeordnung. Wegen des Vorranges des Flurverfassungsrechts musste der Gesetzesentwurf für die neue Gemeindeordnung nochmals grundlegend saniert werden.

Dr. Josef Schumacher (*14. November 1894 in Wien, † 11. Juni 1971 in Innsbruck) war Landeshauptmann von Tirol vom 21. März 1935 bis zum 13. März 1938. Er wurde in Wien als Sohn des Juristen (Senatspräsident), Politikers und Schriftstellers Franz Schumacher (* 13. März 1861 in Innsbruck, † 23. Jul 1937 in Kleinvolderberg), geboren, besuchte er das Gymnasium in Wien und Trient. Sein Hochschulstudium in Innsbruck musste er kriegsbedingt unterbrechen; aus dem Ersten Weltkrieg kehrte er als hochdekorierter Kaiserjäger-Oberleutnant zurück. Nach seiner Promotion zum Dr. jur. wurde Schumacher 1920 Landesbeamter in Tirol, ab November 1921 wurde ihm die Leitung der Bezirkshauptmannschaft Landeck übertragen. Am 21. März 1935 wurde Dr. Josef Schumacher zum Landeshauptmann von Tirol ernannt. Schumacher hat sich in dieser Funktion, die er bis zum deutschen Einmarsch innehatte, durch sein fachliches Wissen, sein objektives Urteilsvermögen und auch durch sein gewinnendes Wesen das Vertrauen und die Zuneigung breiter Bevölkerungskreise erworben. Die Nationalsozialisten setzten Schumacher als Landeshauptmann ab und schickten ihn ab 2. März 1939 als Beamter in Pension. Drei Mal wurde er wegen seiner Gesinnung im Dritten Reich in „Schutzhaft“ genommen. Knapp vor Kriegsende musste Schumacher zum Volkssturm einrücken, wobei er von italienischen Partisanen gefangen genommen wurde. 1947 trat er wieder in den Landesdienst; mit 1. Jänner 1948 zum Hofrat ernannt, avancierte er mit 1. Jänner 1958 zum Landesamtsdirektor. Dr. Josef Schumacher trat im März 1959 in den Ruhestand und starb am 11. Juni 1971. Er stellte sich auch in den Dienst der Tiroler Schützen, deren langjähriger Landeskommandant er nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen ist. Er war mit Josefine Gostner (1900–1996) verheiratet, mit der er sieben Kinder hatte. (aus: Richard Schober, Geschichte des Tiroler Landtages im 19. und 20. Jahrhundert)
Während der Amtszeit Josef Schumachers als Landeshauptmann, im Sommer 1935 wurde auf der Grundlage des (Bundes-)Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes (Bundesgesetz vom 2.8.1932 betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl 1932/256) das Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz erlassen. Praktisch Zeitgleich befasste sich der Tiroler Landtag mit einer durchgreifenden Novelle zum (Landes-) Gemeindegesetz. Wegen der konkurrierenden Regelungen des Gemeinderechts und des Flurverfassungsrechts betreffend das „Gemeindegut“, erhob die Bundesregierung Einspruch gegen den vorliegenden Gesetzesentwurf für die neue Tiroler Gemeindeordnung. Wegen des Vorranges des Flurverfassungsrechts musste der Gesetzesentwurf für die neue Gemeindeordnung nochmals grundlegend saniert werden.

 

 

Flurverfassung statt Gemeindeordnung

 Abstract:

Der Verfassungsgerichtshof hat im Jahr 1982 das Flurverfassungsrecht durcheinander gewirbelt. Dies mit der Behauptung, dass der Gesetzesbegriff „Gemeindegut“ zwingend ein Eigentum einer Ortsgemeinde definiere.

Dieses Gesetzesverständnis entnahm der Verfassungsgerichtshof der Provisorischen Gemeindeordnung von 1849. Dass diese Behauptung bereits für die Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 nicht mehr zutreffend ist und dass seit Inkrafttreten des Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetzes 1883 das Gemeinderecht nicht mehr als einschlägige Norm gelten kann, wurde ignoriert.

Ignoriert wurde, dass seit Inkrafttreten des (Bundes-) Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes (BG vom 02.08.1932 BGBl 1932/256) alle Gemeindeordnungen entsprechend den durch das Flurverfassungsrecht gestellten Vorgaben das Gemeindegut betreffend, umgestaltet wurden.

 Der Tiroler Landesgesetzgeber hat in der Sitzung des Tiroler Landtages am 10. Juli 1935, vormittags, als zuständiger Gesetzgeber für das Tiroler Gemeinderecht, den klaren gesetzgeberischen Willen umgesetzt, dass das Gemeindegut/Fraktionsgut in agrargemeinschaftlicher Nutzung, weil dieses Eigentum einer Agrargemeinschaft ist, gerade nicht länger im Tiroler Gemeinderecht geregelt sein soll, sondern im (Tiroler) Landes-Flurverfassungsrecht.

 Der historische Reichsgesetzgeber des Jahres 1883 hatte bereits vor Augen, dass Gesetzesregelungen der Flurverfassung als lex posterior im Verhältnis zum Gemeinderecht gelten. Die jeweiligen Landesausführungsgesetze zum TRRG 1883 sollten deshalb dem Gemeinderecht derogieren, wenn Teile des Gemeindegutes eine Agrargemeinschaft im Sinn des Teilungs- Regulierungs- Rechts bilden.

Damit erweist sich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 1982, mit welchem der Verfassungsgerichtshof die Behauptung aufgestellt hat, dass die Gemeindeordnungen das „Gemeindegut“ als ein Eigentum der Ortsgemeinde definieren würden, schlich als FALSCH. (VfSlg 9336/1982)

Insoweit sich ein Gemeindegut als eine Agrargemeinschaft erweist („Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“) ist vielmehr ausschließlich in Anwendung des Flurverfassungsrechts über die Eigentumsverhältnisse daran zu entscheiden. Wer mit rechtskräftigem Agrarbehördenbescheid als Eigentümer eines Gemeindegutes festgestellt wurde, ist Eigentümer im Rechtssinn!

 

I. GEMEINDERECHT AN FLURVERFASSUNG ANGEPASST
I.1. LANDESGESETZGEBER BESCHLIESST ÄNDERUNG
I.2. ÜBERLEGUNGEN DES HISTORISCHEN GESETZGEBERS
II. GEMEINDEGUT IM TIROLER FLURVERFASSUNGSRECHT
II.1. GEMEINDEGUT EIGENTUM DER AGRARGEMEINSCHAFT
III. GEMEINDEGUT IM TIROLER GEMEINDERECHT
III.1. INTERVENTION DES BUNDESKANZLERAMTES
III.2. ANPASSUNG DES GEMEINDERECHTS
IV. WIEDERHERSTELLUNG DER GEMEINDEN 1945
IV.1
. WAS BESAGT DIE TGO 1866?
IV.2. WAS BESAGEN SPÄTERE GEMEINDEORDNUNGEN?
V. ZUSAMMENFASSUNG

 

I. GEMEINDERECHT AN FLURVERFASSUNG ANGEPASST

Während der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 die Idee eines Gemeindeguts als notwendiges Eigentum der Ortsgemeinde auf sein Panier geheftet hat, verfolgte der historische Gesetzgeber tatsächlich ganz andere Gedanken.  Es ist kaum zu glauben! Der historische Gesetzgeber hat in Wahrheit genau das Gegenteil als Gesetzeszweck verfolgt: Das Gemeinderecht wurde im Blick auf das neue Flurverfassungsrecht ganz bewusst so umgestaltet,  dass die Entscheidungen der Agrarbehörde als gesetzlicher Richter über das Gemeindegut vom Gemeinderecht in keinster Weise tangiert werden!

Der Tiroler Landesgesetzgeber war im Jahr 1935 damit befasst, das Teilungs-Regulierungs-Landesgesetz von 1909 zu ersetzen; erzwungen war das durch das neue Flurverfassungs-Grundsatzgesetz des Bundes aus dem Jahr 1932. Zuerst sollte aber noch die Gemeindeordnung novelliert werden, was durch die neue Verfassung des Ständestaates von 1934 vorgegeben war.

Ohne irgendeinen Bezug zum Verfassungsbruch des Jahres 1934 galt es im Tirol des Jahres 1935 das (Bundes-) Flurverfassungs-Grundsatzgesetz des Jahres 1932 umzusetzen, welches am Beginn der IV. Gesetzgebungsperiode (2.12.1930 bis 2.5.1934) in den Nationalrat eingebracht und am 2.8.1932 im Nationalrat beschlossen worden war. Im Vergleich der beiden Gesetzesvorhaben, hier die neue Tiroler Gemeindeordnung, da ein Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz, war im Bundeskanzleramt und im Landwirtschaftsministerium aufgefallen, dass das Tiroler Gemeinderecht mit dem neuen Flurverfassungsrecht harmonisiert werden müsse.

Der Tiroler Landtag hatte 26. April 1935 einen Gesetzesbeschluss betreffend eine neue Tiroler Gemeinde-Ordnung gefasst. Dagegen hatte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit Note vom 29. Mai 1935, Zl 23675/4 Einwendungen erhoben, weil dieses Gesetz in seinen das Gemeindegut betreffenden Vorschriften Bestimmungen enthielt, die mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (Bundesgesetz vom 2. August 1932 BGBl 256/1932) nicht in Einklang stehen. Dies veranlasste eine Note des Bundeskanzleramtes, Zl 156.486-6 (ex 1935), „Gemeindegut und Flurverfassungs-Grundsatzgesetz“ B 256/1932, an die Landeshauptmannschaft für Tirol in Innsbruck. Darin führte das Bundeskanzleramt folgendes aus und forderte die Änderungen der bereits beschlossenen neuen Tiroler Gemeindeordnung ein.

„1. Der nach dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als Agrargemeinschaft geltende Teil des Gemeindegutes ist von der Gemeindefinanzverwaltung auszunehmen; am einfachsten wohl dadurch, dass man bei der Definition des Gemeindeeigentums (bzw des Gemeindevermögens und Gemeindegutes) diese gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (B 256/1932) agrargemeinschaftliche Liegenschaften ausdrücklich ausnimmt.

2.) Die materiellrechtlichen Bestimmungen über das Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen dieser nunmehr gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden ehemaligen Teile des Gemeindegutes wären als eigener Abschnitt (Hauptstück) in der Gemeindeordnung zu belassen. Es wäre aber zu beachten, dass künftig hinsichtlich dieser Agrargemeinschaft die Gemeinde nicht mehr die Stellung einer Behörde, sondern lediglich eines Beteiligten hat.

3.) In dem Abschnitt der Gemeindeordnungen über Recht und Maß der Teilnahme an den Nutzungen der gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz agrargemeinschaftlichen Liegenschaften wäre am Schluss folgender Paragraph anzufügen: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes über das Gemeindeeigentum (oder „über das Gemeindevermögen und Gemeindegut“) finden auf die gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932, als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden einstigen Teile des Gemeindegutes nur insoweit Anwendung, als sie mit dem Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932 und dem Flurverfassungs-Landes-Gesetz nicht im Widerspruch stehen.“

(Bundeskanzleramt, Zl 156.486-6 (ex 1935). Gemeindegut und Flurverfassungs-Grundsatzgesetz B 256/1932, An die Landeshauptmannschaft für Tirol in Innsbruck, Abschrift der Abschrift vom 1. August 1935)

 

I.1. LANDESGESETZGEBER BESCHLIESST ÄNDERUNG

Der Tiroler Gemeindegesetzgeber hatte den ausdrücklichen Willen, diese Vorgaben aus dem Bundeskanzleramt im Tiroler Gemeinderecht umzusetzen. Dies beweist das Protokoll des Tiroler Landtags, Verhandlungsschrift über die 35. (öffentliche) Sitzung am 10. Juli 1935, vormittags.

Berichterstatter Dr. Adolf Platzgummer: „Das Bundeskanzleramt hat gegen die von uns beschlossene Vorlage Einspruch erhoben, und zwar wegen einiger angeblicher, zum Teil auch wirklicher Verfassungswidrigkeiten. Wir sind selbstverständlich nicht angestanden, diese Änderungen vorzunehmen. Bei dieser Gelegenheit hat das Bundeskanzleramt auch betont, dass es nach seiner Auffassung gut wäre, wenn das Flurverfassungs-Landesgesetz in der Gemeindeordnung eingebaut und außerdem noch einige andere kleinere Änderungen vorgenommen würden. Was das Flurverfassungsgesetz betrifft, so ist das Grundsatzgesetz schon im Jahr 1932 erschienen, die Ausführungsgesetze lassen aber auf sich warten. Wir haben unser Ausführungsgesetz am 6. Juni hier beschlossen, es ist derzeit in Wien und es läuft noch die Einspruchsfrist. Das Flurverfassungsgrundsatzgesetz enthält noch die Bestimmung, dass das Ausführungsgesetz erst mit diesem in Kraft zu treten habe, daher ist die Situation derzeit so, dass beide Gesetze noch nicht in Kraft getreten sind. Deshalb war es uns bei der Verabschiedung der Gemeindeordnung nicht möglich, das Flurverfassungs-Landesgesetz zu berücksichtigen, weil es noch nicht existiert. Wir haben aber die Bestimmungen in die Gemeindeordnung so aufgenommen, als ob diese beiden Gesetze bereits in Kraft wären, und damit dem Verlangen des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft Rechnung getragen. Die übrigen Änderungen sind, insoweit sie sich als Empfehlungen der Bundesregierung darstellen, bis auf 3 ganz unwesentliche Punkte berücksichtigt worden. …“

 

I.2. ÜBERLEGUNGEN DES HISTORISCHEN GESETZGEBERS

Freilich war bereits dem historischen Gesetzgeber des Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetzes des Jahres 1883 aufgefallen, dass in Bezug auf das „Gemeindegut“ das Gemeinderecht einerseits und das Teilungs- Regulierungs-Recht andererseits, konkurrierende Regelungen enthalten könnten.

Der Abgeordnete Dr. Ritter von Madeyski hatte zu § 1 der Gesetzesvorlage betreffend ein Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883 ausdrücklich den Zusatzantrag, das Eigentum einer Gemeinde oder eines Teils derselben bildende Grundstücke von der Kompetenz der neuen „Commassions-Behörde“ (heute: Agrarbehörde) auszunehmen. Ziel dieses Zusatzantrages zu § 1 des Gesetzesentwurfes für ein Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz war es, die Kompetenzen der neuen Behörde einzuschränken: Das in den öffentlichen Registern auf eine Gemeinde oder eine Gemeindefraktion einverleibte Eigentum sollte „außen vor bleiben“. Dies hätte aber gleichzeitig bedeutet, dass eine endgültige und abschließende Entscheidung aller Streitigkeiten betreffend diese Liegenschaften durch eine Instanz weiterhin nicht gegeben gewesen wäre. Nur die Abgeordneten aus Gallizien, zu deren Kreis auch der Abgeordnete Ritter von Madeyski gehörte, haben den Zusatzantrag in der mündlichen Debatte unterstützt; alle anderen Redner haben sich vehement für einen ungeschmälerten Zuständigkeitsbereich der „Commassionsbehörden“ ausgesprochen. Besonders engagiert ist gegen diesen Zusatzantrag aufgetreten der Abgeordnete Dr. Josef Kopp.

Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9223, Dr. Josef Kopp: „Man will jenes Gut, welches der Gemeinde oder einer Fraktion der Gemeinde gehört, an welchem alle oder einzelne Mitglieder dieser Gemeinde oder Fraktion gewisse Nutzungsrechte haben, aus dem Gesetz ausscheiden? Wenn sie das tun wollen, scheiden sie lieber gleich das ganze Gesetz aus. Den da liegt ja eben die Quelle dieser unlösbaren Wirrnisse und Streitigkeiten, und welchen Nutzen soll es haben, wenn es heißt: Auf diese Gründe findet eine Anzahl von Paragraphen sinngemäß Anwendung? Es ist dieses immer ein vom juridischen Standpunkte bedenkliches Flickwerk, welches man nur in der Verzweiflung gebrauchen kann. Mit diesem `Sinngemäß´ werden sie den Streit nicht schlichten, sondern ihm neue Quellen eröffnen. Wollen sie also, dass das Gesetz Wirksamkeit habe, so müssen sie es gerade auf diese Grundstücke anwenden, welche als Gemeindegut bezeichnet werden, denn sonst ist es in der Tat zwecklos.“

Wie ein Gegensatz zwischen dem Gemeinderecht und dem neuen Teilungs- Regulierungs- Recht zu lösen sei, erläuterte der Regierungsvertreter Ministerialrat Ritter von Rinaldini (sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, 1883, Seite 9221: „Seine Excellenz der Abgeordnete Ritter von Grocholski hat ganz richtig bemerkt, dass unter die Grundstücke, welche im § 1 des vorliegenden Entwurfes aufgezählt sind, auch diejenigen fallen, welche in den Gemeindeordnungen als das Gemeindegut bezeichnet sind. Er hat daraus die Folgerung gezogen, dass sich zwischen den vorliegenden Gesetzentwurfe und den Bestimmungen der Gemeindeordnungen, bzw. also der Landesgesetzgebung eine Kollision ergibt. Ich glaube diese Auffassung ist nicht ganz richtig. Das gegenwärtige Gesetz ist sozusagen nur ein Skelett, dem erst die Landesgesetzgebung den Lebensatem einzuhauchen hat; es kann dem gemäß von einer bereits bestehenden Kollision zwischen diesem Gesetze und den Gemeindeordnungen gar keine Rede sein. Eine solche Kollision könnte erst dann entstehen, wenn die Landesgesetzgebung in Ausführung des vorliegenden Gesetzes andere Bestimmungen treffen würde, als in der Gemeindeordnung dermalen enthalten sind. Dann ist aber keine Kollision mehr da, sondern lex posterior derogat priori, dann hat eben die Landesgesetzgebung gefunden, dass Änderungen in der Gemeindeordnung in dieser Hinsicht vorzunehmen sind.“

Auch wenn die weitere Rechtsentwicklung eine ungleich kompliziertere Rechtslage geschaffen hat, als diese dem Regierungsvertreter Ministerialrat Ritter von Rinaldini im Jahr 1883 vorschwebte, wird durch diese Äußerung in der seinerzeitigen gesetzgebenden Körperschaft klar, dass das Gemeinderecht gerade nicht die agrarische Operation am „Gemeindegut“ behindern oder präjudizieren sollte. Eben dieser Gesetzgeber hatte gerade 20 Jahre zuvor das moderne Gemeinderecht geschaffen und war es gerade die Absicht dieses Gesetzgebers gerade die agrarische Operation am Gemeindegut und insbesondere auch die Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse daran, den Zivilgerichten zu entziehen und den neuen Agrarbehörden zu überantworten!

 

II. GEMEINDEGUT IM TIROLER FLURVERFASSUNGSRECHT

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis zu Agrargemeinschaft Unterlangkampfen, VfSlg 19.262/2010, zu einem Agrarbehördenverfahren auf „Feststellung von atypischem Gemeindegut“ klar gestellt, dass „[…] der Bescheid […]durchaus auch dahin ausgelegt werden [könnte], dass die bescheiderlassende Behörde auf den in §36 Abs2 litd des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBl. Nr. 42, angeführten Begriff „Gemeindegut“ im Sinne von „Eigentum der Agrargemeinschaftabstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.])“ (VfSlg 19.262/2010 Pkt II A 2.3.6.3 Abs 1 der Begründung vom 10.12.2010) Nach dem Gesetzesverständnis des VfGH-Erk Slg. 19.262/2010 bedeutete sohin „Gemeindegut“ („Fraktionsgut“) im Tiroler Flurverfassungsgesetz 1935 Eigentum einer Agrargemeinschaft.

 

II.1. GEMEINDEGUT EIGENTUM DER AGRARGEMEINSCHAFT

Die Tiroler Landesregierung erklärte im Gesetzesprüfungsverfahren VfGH Slg 9336/1982 den Begriff „Gemeindegut“ („Fraktionsgut“), wie dieser vom Tiroler Landesgesetzgeber im Tiroler Flurverfassungsgesetz  bis Anfang der 80er Jahre verwendet wurde, ebenfalls als wahres Eigentum einer Agrargemeinschaft:  „Für die gemeinschaftliche Nutzung der Allmende haben sich eigene Gemeinschaften (Nachbarschaften, frühere ursprünglich selbstständige Gemeinden) herausgebildet […]. Sie gelten heute als Agrargemeinschaften. In vielen Gemeinden war jedoch die Gemeinde als solche, nämlich die alte so genannte “Realgemeinde“ als Nutzungsgemeinschaft Zuordnungspunkt dieser Nutzungen. Dafür wurde dann der Begriff Gemeindegut verwendet.“ […]

„Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“ „Die historischen Zufälligkeiten einer rein tatsächlichen Vorgehensweise dürfen nicht einseitig gesehen werden, weil dann das Gegenteil dessen erreicht werden würde, wozu der Gleichheitssatz verpflichtet, nämlich gleichgelagerte Verhältnisse auch rechtlich gleich zu behandeln. So gesehen scheinen die in Prüfung gezogenen gesetzlichen Bestimmungen dem Gleichheitssatz nicht zu widersprechen. Sie bedeuten insbesondere nicht eine gleichheitswidrige Einbeziehung des Gemeindeguts in eine auf bestehende agrarische Gemeinschaften abgestellte Regelung. Mit diesem Vorwurf wird übersehen, dass die Gemeinde hinsichtlich des Gemeindegutes eben nicht als (politische) Gemeinde auftritt, sondern mangels einer eigenen rechtlichen Verfassung der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten eine Agrargemeinschaft ex lege bildet. […]“

(Amt der Tiroler Landesregierung, Stellungnahme im Gesetzesprüfungsverfahren, VfSlg 9336/1982 Pkt I Z 4 der Entscheidungsbegründung)

Die Tiroler Landesregierung hat somit im Gesetzesprüfungsverfahren Slg 9336/1982 einen spezifischen „Gemeindegutsbegriff“ des Tiroler Landesgesetzgebers erklärt: In Tirol und nach Tiroler Landesgesetz (zuständiger Ausführungsgesetzgeber gem Art 12 B-VG) wurde der Begriff „Gemeindegut“ im Tiroler Flurverfassungsrecht verwendet, um Agrargemeinschaften in Gemeindeverwaltung zu charakterisieren, entstanden aufgrund des Chaos der Tiroler Grundbuchanlegung: „Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“„Die historischen Zufälligkeiten einer rein tatsächlichen Vorgehensweise dürfen nicht einseitig gesehen werden, weil dann das Gegenteil dessen erreicht werden würde, wozu der Gleichheitssatz verpflichtet, nämlich gleichgelagerte Verhältnisse auch rechtlich gleich zu behandeln.“

Auch der Landesagrarsenat Tirol, der als weitere Landesbehörde zuständig für den Vollzug des Tiroler (!) Flurverfassungsrechts ist, erläuterte eine Begriffsverwendung für „Gemeindegut“ im TFLG im Sinn von Eigentum einer Agrargemeinschaft: „Da die Nutzung des Gemeindegutes rechtshistorisch gesehen aus der gemeinschaftlichen Allmendnutzung hervorgegangen ist, ist […] das Eigentum der Rechtsnachfolgerin der auf Gewohnheitsrecht beruhenden Realgemeinde, nämlich der körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft, einzuräumen.“

(LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 (Gemeindegut Trins, Regulierung) unter dem Vorsitz des späteren Verfassungsrichters Dr. Andreas Saxer)

 

III. GEMEINDEGUT IM TIROLER GEMEINDERECHT
III.1. INTERVENTION DES BUNDESKANZLERAMTES

Der Tiroler Landesgesetzgeber hat am 26. April 1935 eine Neufassung der Gemeindeordnung beschlossen und am 06. Juni 1935 das Tiroler Flurverfassungs- Landesgesetz. Gegen die Neufassung der Gemeindeordnung hatte das Landwirtschaftsministerium Einwendungen erhoben, welche durch das Bundeskanzleramt an den Landeshauptmann in Tirol herangetragen wurden. Zusammengefasst forderte das Bundeskanzleramt vom Tiroler Gemeindegesetzgeber, dass jene „Teile des Gemeindegutes, die gem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 eine Agrargemeinschaft darstellen“, aus der Vermögensverwaltung der Ortsgemeinde ausgeschieden werden:

Bei der Definition des Gemeindeeigentums in der Gemeindeordnung (bzw des Gemeindevermögens und Gemeindegutes) seien diese Liegenschaften, wie gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (B 256/1932) als agrargemeinschaftliche Liegenschaften definiert, ausdrücklich auszunehmen.

(Bundeskanzleramt, Zl 156.486-6 (ex 1935). Gemeindegut und Flurverfassungs-Grundsatzgesetz B 256/1932, Note an den Landeshauptmann in Tirol, „Abschrift der Abschrift“ (1. August 1935)

Es sei darüber hinaus im Tiroler Gemeindegesetz klar zu stellen, dass die Bestimmungen des Tiroler Gemeindegesetzes über das Gemeindeeigentum (oder „über das Gemeindevermögen und Gemeindegut“) auf die gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932, als agrargemeinschaftliche Grundstücke geltenden einstigen Teile des Gemeindegutes nur insoweit Anwendung finden, als sie mit dem Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz BGBl Nr 256/1932 und dem Flurverfassungs-Landes-Gesetz nicht im Widerspruch stehen. Bundeskanzleramt, Zl 156.486-6 (ex 1935).

 

III.2. ANPASSUNG DES GEMEINDERECHTS

In Konsequenz dieser Interventionen des Bundeskanzleramtes, wurde der am 26. April 1935 gefasste Gesetzesbeschluss des Tiroler Landtages entsprechend überarbeitet und das Tiroler Gemeinderecht in der Sitzung des Tiroler Landtages vom 10. Juli 1935 neu gefasst.

Geändert wurden die §§ 79 Tiroler Gemeindeordnung 1935:

„Die Verteilung des Gemeindevermögens und Gemeindeguts oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. Insoweit es sich beim Gemeindegut um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, ist die Teilung im Flurverfassungslandesgesetz geregelt.“

geändert wurde § 114 (3) Tiroler Gemeindeordnung 1935:

„Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindeguts beschließt der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken iSd Flurverfassungslandesgesetzes entscheiden im Streitfalle die Agrarbehörden.“

geändert wurde § 117 Tiroler Gemeindeordnung 1935:

„Für die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts, insoweit dieses aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des Flurverfassungslandesgesetzes besteht, sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend.“

geändert wurde § 120 (2) Tiroler Gemeindeordnung 1935:

„(1) Die Nutzungsrechte haften an der Liegenschaft und können im Allgemeinen nur mit dieser rechtsgültig übertragen werden. (2) Für die ausnahmsweise Übertragung von Nutzungsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend.“,

geändert wurde § 140 TGO 1935:

„Das zum Gemeindegut gesagte, gilt auch für Fraktionsgut.“

geändert wurde § 164 letzter Satz TGO 1935:

„Insoweit es sich um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, wird die Veräußerung, Belastung und Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Guts im Flurverfassungslandesgesetz geregelt.“

geändert wurde § Artikel III (Tiroler) LGBl 1935/36:

„Artikel III. LGBl 1935/36. Bis zum Inkrafttreten des Flurverfassungs-Landesgesetzes gelten für das Gemeindegut, insoweit es aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken besteht, folgende Bestimmungen: 1. Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet in I. Instanz der Gemeindetag. 2. Die Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Gutes oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. 3. Wenn und insoweit die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes nicht schon erschöpfend durch die Übung geregelt ist, kann der Gemeindetag die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes durch die Gemeindeglieder (§ 15) mit Beachtung der beschränkenden Vorschriften des § 119 regeln. Hiebei hat als Grundsatz zu dienen, dass jede Beeinträchtigung bestehender Rechte vermieden werden muss. Jede solche Regelung bedarf der Genehmigung durch die Landesregierung. 4. Ausnahmsweise kann die Landesregierung auf Antrag des Gemeindetags die gänzliche oder teilweise Übertragung von Nutzungsrechten auf eine andere Liegenschaft innerhalb der Gemeinde bewilligen. Die Bewilligung kann von der Erfüllung bestimmter, in Wahrung der Interessen der Gemeinde gebotener Bedingungen abhängig gemacht werden. 5. Beschlüsse des Gemeindetages über die Veräußerung, Verteilung oder Belastung von Gemeinde-(Fraktions)Gut sowie über die Regelung der Teilnahme an der Nutzung des Gemeindeguts bedürfen der Genehmigung der Landesregierung.“

 

IV. WIEDERHERSTELLUNG DER GEMEINDEN 1945

Die heutigen Ortsgemeinden wurden nach Wiedererrichtung der Republik Österreich im Jahr 1945 wieder hergestellt (Vorläufiges Gemeindegesetz (VGemG) vom 10. Juli 1945), Staatsgesetzblatt 1945/66). Gem Art 1. VGemG galt: Das Gesetz vom 5. März 1862, RGBl Nr 18 (Reichsgemeindegesetz), alle Gemeindeordnungen und Gemeindewahlordnungen sowie die sonstigen auf dem Gebiete der Gemeindeverfassung erlassenen Vorschriften (Gemeindestatute, Stadtrechte) werden in dem Umfange, in dem sie vor Einführung der dt Gemeindeordnung in den österreichischen Ländern in Kraft gestanden sind, nach Maßgabe der folgenden Artikel wieder in Wirksamkeit gesetzt. Art 2. (1) Von der Inkraftsetzung nach Art 1 sind diejenigen Bestimmungen ausgenommen, die mit den seit der Wiedererrichtung der Republik erlassenen verfassungsrechtlichen oder sonstigen Vorschriften in Widerspruch stehen. […].

Damit wurden jene Regelungen der Tiroler Gemeindeordnung 1935, mit welchen das Tiroler Gemeinderecht im Jahr 1935 der Bundesverfassung 1920 und dem gem Art 12 B-VG vom Bund in Kraft gesetzten Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 angepasst wurde, mit Stichtag 15.Juli 1945 (Stichtag des Inkrafttretens des VGemG 1945) wieder geltendes Recht in Tirol.

Der Tiroler Gemeindegesetzgeber des Jahres 1949 (TGO 1949 LG vom 31. März 1949, LGBl 1949/24) hat die hier maßgeblichen Regelungen der der TGO 1935 zusammengefasst und die Herausnahme derjenigen Teile des „Gemeindegutes, welche eine Agrargemeinschaft im Sinn der Flurverfassung bilden“ aus dem Gemeinderecht wie folgt gesetzestechnisch umgesetzt: „§ 82 TGO 1949. Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt.“ Dieser Gesetzesinhalt wurde bis zur heute geltenden Gemeindeordnung fortgeführt: TGO 1966 LGBl 1966/4:„§ 85 TGO 1966. Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt.“ TGO 2001 LGBl 2001/36: „§ 74 TGO 2001. Verhältnis zu den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform. Im Übrigen werden durch dieses Gesetz die Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform nicht berührt.“

Dies ist auch selbstverständlich, ist es dem Tiroler Gemeindegesetzgeber durch verwehrt, in die Gesetzgebungskompetenz gem Art 12 B-VG einzugreifen.

 

IV.1. WAS BESAGT DIE TGO 1866?

Die Behauptung, wonach in Tirol das Ausführungsgesetz zur Reichsgemeindeordnung, die TGO 1866, das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung zum „Eigentum der Ortsgemeinde gestempelt“ hätte – so die These des Verfassungsgerichts in VfSlg 92326/1982 – ist eine gesetzesfremde Erfindung. Diese findet zwar im Wortlaut des § 74 prov. GemG 1849 (§ 74 provGemG) eine Stütze, nicht jedoch in den tatsächlich relevanten Bestimmungen der Ausführungsgesetze zur Reichsgemeindeordnung 1862. Nur die Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 sind jedoch gemäß der ausdrücklichen Regelung im Vorläufigen Gemeindegesetz vom vom 10. Juli 1945), Staatsgesetzblatt 1945/66, von Relevanz.

Vgl nur TGO 1866. §§ 60 – 82. Fünftes Hauptstück. Vom Gemeindehaushalt und von den Gemeindeumlagen.

§ 60. Das gesamte bewegliche und unbewegliche Eigentum und sämtliche Gerechtsame der Gemeinde und ihrer Anstalten und Fonde sind mittels eines genauen Inventars in Übersicht zu halten.

Jedem Gemeindemitgliede ist die Einsicht in dasselbe zu gestatten.

§ 61 TGO 1866. Das Stammvermögen und das Stammgut der Gemeinden und ihrer Anstalten und Fonde ist ungeschmälert zu erhalten.

Ein vorzügliches Augenmerk hat die Gemeinde auf die Erhaltung und nachhaltige Pflege ihrer Waldungen zu richten, und sie hat die forstpolizeilichen Vorschriften genau zu befolgen und befolgen zu machen.

Zur Verteilung des Stammvermögens und des Stammgutes oder eines Teiles desselben unter die Gemeindeglieder ist ein Landesgesetz erforderlich.

§ 62 TGO 1866. Das gesamte erträgnisfähige Vermögen der Gemeinden und ihrer Anstalten ist derart zu verwalten, dass die tunlich größte nachhaltige Rente daraus erzielt werde. Zurückbezahlte Kapitalien sind sobald wie möglich wieder sicher und fruchtbringend anzulegen.

Die Jahresüberschüsse sind zur Deckung der Erfordernisse im nächsten Jahre zu verwenden, und insofern sie hiezu nicht benötigt werden, fruchtbringend anzulegen, und zum Stammvermögen zu schlagen.

Eine Verteilung der Jahresüberschüsse unter die Gemeindemitglieder kann nur bei besonders berücksichtigenden Umständen und jedenfalls nur unter der Bedingung stattfinden, dass sämtliche Gemeindeerfordernisse ohne Gemeindeumlagen bestritten wurden, und dass dieselben voraussichtlich auch in Hinkunft ohne Gemeindeumlagen bestritten werden können. (§ 87)

§63 TGO 1866. „In Bezug auf das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes ist sich nach der bisher gültigen Übung zu benehmen, mit der Beschränkung jedoch, daß, sofern nicht spezielle Rechtstitel Ausnahmen begründen, kein zum Bezuge berechtigtes Gemeindemitglied aus dem Gemeindegute einen größeren Nutzen ziehe, als zur Deckung seines Haus- und Gutsbedarfes notwendig ist.

Wenn und insoweit eine solche gültige Übung nicht besteht, hat der Ausschuß mit Beachtung der erwähnten beschränkenden Vorschrift die, die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes regelnden Bestimmungen zu treffen.

Hiebei kann diese Teilnahme von der Entrichtung einer jährlichen Abgabe, und anstatt oder neben derselben von der Entrichtung eines Einkaufsgeldes abhängig gemacht werden.

Diejenigen Nutzungen aus dem Gemeindegute, welche nach Deckung aller rechtmäßig gebührenden Ansprüche erübrigen, sind in die Gemeindekasse abzuführen.“

§ 64. Das Verwaltungsjahr der Gemeinde fällt mit jenem des Staates zusammen.

§ …“

Offensichtlich ist, dass nirgends in den einschlägigen Regelungen die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut definiert werden. Weil die Gemeindeordnung 1866 auf bestehende Eigentumsverhältnisse ausdrücklich ohne Einfluss bleiben sollte (§ 12 TGO 1866. „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“), ist die Behauptung, dass ein Gut, welches offensichtlich bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes vorhanden war (weil man sich nach einer bestehenden Ordnung zu benehmen hätte), notwendig Eigentum der Ortsgemeinde sei, nicht begründbar.

Mit der späteren, klarstellenden Fortentwicklung des Gemeinderechts hatte sich der VfGH im Erk Slg 9336/1982 überhaupt nicht auseinander gesetzt (Ausführlich dazu: Die Anpassung des Gemeinderechts an das Flurverfassungsrecht)

IV.2. WAS BESAGEN SPÄTERE GEMEINDEORDNUNGEN?

Die Gestaltung der Rechtsverhältnisse am Gemeindegut ist aus kompetenzrechtlicher Sicht „Bodenreform“ im Sinn des Art 12 B-VG – kein Gemeinderecht und kein Zivilrecht. Mit Inkrafttreten des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1932 und der Landesausführungsgesetze dazu, musste das Gemeinderecht der Länder entsprechende Klarstellungen treffen, um einem verfassungswidrigen Eingriff der Landesgesetzgeber in die „Art 12 B -VG Kompetenz“ des Bundesgesetzgebers vorzubeugen.

Vollzogen wurde dies in Tirol mit dem Gesetzesbeschluss des Tiroler Landtages vom 10.Juli 1935, mit welchem den Einwendungen des Landwirtschaftsministeriums und des Bundeskanzleramtes gegen die im April 1935 beschlossenen Änderungen des Gemeinderechts Rechnung getragen wurden.

Die in der Endfassung der Tiroler Gemeindeordnung 1935 umgesetzten Änderungen zur Klarstellung des Verhältnisses der Gemeindeordnung und der Flurverfassung sind eindeutig. Der Tiroler Landesgesetzgeber hatte die Absicht, mit diesen Änderungen in der Tiroler Gemeindeordnung 1935 die zentrale Vorgabe des Bundeskanzleramtes umzusetzen, wonach das „Gemeindegut, insoweit es eine Agrargemeinschaft im Sinn der Flurverfassung bildete“, aus dem Gemeindeeigentum (Gemeindevermögen oder Gemeindegut) auszuscheiden sei.

„Der nach dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz als Agrargemeinschaft geltende Teil des Gemeindegutes ist von der Gemeindefinanzverwaltung auszunehmen; am einfachsten wohl dadurch, dass man bei der Definition des Gemeindeeigentums (bzw des Gemeindevermögens und Gemeindegutes) diese gemäß § 15 Abs 2 Pkt d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz (B 256/1932) agrargemeinschaftliche Liegenschaften ausdrücklich ausnimmt.“ (Bundeskanzleramt, Zl 156.486-6 (ex 1935). Gemeindegut und Flurverfassungs-Grundsatzgesetz B 256/1932, Note an den Landeshauptmann in Tirol, „Abschrift der Abschrift“ (1. August 1935)

An dieser historischen Rechtslage nach Tiroler Gemeinderecht 1935 hat sich in der Folge bis zum heutigen Tag nichts mehr geändert.

§ 82 TGO 1949 lautete wie folgt: „§ 82 TGO 1949. Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt.“

Dieser Gesetzesinhalt wurde bis zur heute geltenden Gemeindeordnung fortgeführt: § 85 TGO 1966: „Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt.“

Schließlich § 74 TGO 2001 LGBl 2001/36: „Verhältnis zu den Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform. Im Übrigen werden durch dieses Gesetz die Vorschriften in den Angelegenheiten der Bodenreform nicht berührt.“

 

V. ZUSAMMENFASSUNG

Wie Josef Kühne nachgewiesen hat (Kühne/Oberhofer, Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2012) 237ff [hier: 318ff]), ergibt sich aus der Entwicklung des Gemeinderechts unübersehbar, dass die Gemeindeordnungen die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut gerade nicht regeln wollten und auch nicht geregelt haben.

Jene Teile des Gemeindegutes, welche eine Agrargemeinschaft bilden, sollten aus dem Gemeinderecht ausgeschieden und dem Flurverfassungsrecht unterworfen werden.

Wenn deshalb VfGH den Standpunkt eingenommen hat, dass das Gemeinderecht die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut zwingend als ein Gut im Eigentum einer Ortsgemeinde geregelt hätte – so der VfGH im Grundsatz-Erkenntnis VfSlg 9336/1982 – erweist sich damit als gesetzesfremde Erfindung.

Der gesamten Judikatur des VfGH zum atypischen Gemeindegut (Mieders-Erkenntnis 2008) ist damit die Grundlage entzogen.

MP