MYSTERIUM AGRARBEHÖRDENBESCHEID?

Die Bescheide der Agrarbehörde erscheinen im Licht des Tiroler Agrarstreits als „Papiere ohne Wert“. Jahrzehnte alte Erkenntnisse, mit denen rechtskräftig über die Eigentumsverhältnisse am agrargemeinschaftlichen Gut entschieden wurde, werden auf den Kopf gestellt. Der Einwand einer rechtskräftigen Entscheidung scheint keine Geltung zu haben.

Dem ist jedoch in Wahrheit nicht so. Ausdrücklich bestimmen die einschlägigen Gesetze, dass Bescheide und protokollierte Vergleiche der Agrarbehörde exakt dieselbe Wirkung entfalten wie gerichtliche Urteile und vom Gericht protokollierte Vergleiche: Sie unterliegen der Rechtskraftwirkung und sie sind vollstreckbar.

Bereits im Jahr 1883 als die Agrargesetzgebung mit den so genannten „drei agrarischen Reichs-Grundsatzgesetze“ ihren Ausgang nahm, hat der Gesetzgeber die „Commassionsbehörden“ (= heute „Agrarbehörden“) als Alternative zu den Zivilgerichten geschaffen. Diese Behörden sollten eine ausschließliche Zuständigkeit besitzen für besondere Verfahren, die zur reformatorischen Umgestaltung historisch gewachsener Strukturen an land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften geschaffen wurden.

Eine Beseitigung der Rechtskraftwirkung solcher Erkenntnisse, Bescheide und Vergleiche mit der Behauptung, die Behörde hätte falsch entschieden, nämlich wegen Eigentumsverletzung verfassungswidrig, ist gesetzlich genau so wenig vorgesehen wie im Gerichtsverfahren. Gerade im Gerichtsverfahren gibt es bekanntlich gar oft einen Verlierer, der glaubt, das Gericht hätte durch ein „Falschurteil“ in sein Eigentum eingegriffen!

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Rechtskraftwirkung

Im Verfahren in den Angelegenheiten der Bodenreform vor den Agrarbehörden gilt gemäß § 1 Abs 1 AgrVG, soweit im AgrVG nichts anderes bestimmt ist, das AVG mit Ausnahme dessen – Verwaltungsabgaben betreffenden – § 78. Zu den Angelegenheiten der Bodenreform gehören auch die Angelegenheiten des Flurverfassungsrechts.

Das AgrVG enthält keine Bestimmungen, die als Sonderregelungen auf dem Gebiet der Rechtskraft verstanden werden können. Vielmehr bestimmt § 14 AgrVG, dass die Bescheide der Agrarbehörden und die von ihnen genehmigten Vergleiche insbesondere auch hinsichtlich der Vollstreckbarkeit die Rechtswirkungen gerichtlicher Urteile und Vergleiche, soweit es sich aber um Bescheide in Angelegenheiten handelt, zu deren Entscheidung außerhalb eines Agrarverfahrens die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung zuständig wären, die Rechtswirkungen verwaltungsbehördlicher Bescheide haben. Insgesamt liegt daher dem AgrVG dasselbe Konzept der „Rechtskraft“ von agrarbehördlichen Bescheiden zugrunde, wie es sich auch nach dem AVG ergibt, also die Verbindlichkeit, die grundsätzliche Unwiderrufbarkeit und Unabänderlichkeit und die Unanfechtbarkeit (nach dem Verstreichen der in § 7 AgrVG geregelten Fristen). Darauf nimmt das TFLG auch mehrfach Bezug (vgl zB zum Rechtskräftig-Werden von Regulierungsplänen § 68 TFLG). (Vgl dazu Raschauer in Holoubek/Lang, Hrsg, Rechtskraft im Verwaltungs- und Abgabenverfahren, 2008, 288 mwN; Vgl zB VwGH 25. 2. 2009, 2007/07/0122, 26. 6. 2008, 2008/07/0106, 9. 11. 2006, 2005/07/0213)
Im Speziellen sind die §§ 68 und 69 AVG in gleicher Weise anwendbar wie im Bereich der allgemeinen Verwaltungsverfahren. Was die Zulässigkeit einer Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen agrarbehördlichen Verfahrens betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof dies zuletzt in VwGH 26. 6. 2008, 2008/07/0106, vorbehaltslos nach den allgemeinen Regeln beurteilt.

Freilich finden sich verfahrensrechtliche Regelungen immer wieder auch in den besonderen Verwaltungsvorschriften. (Vgl schon Lang, Tiroler Agrarrecht, Bd II (1991) 13) Unter anderem ergeben sich aus des Bestimmungen des TFLG „Verfahrensgliederungen“, die zu einer Mehrzahl von selbständigen Verfahren im selben Gegenstand führen können, etwa die bescheidmäßige Einleitung des Regulierungsverfahrens (§ 62 Abs 1 TFLG), die Entscheidung über die Eigenschaft als agrargemeinschaftliches Grundstück (§ 33 Abs 5 TFLG), die Einrichtung von Agrargemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts (§ 34 Abs 2 TFLG), die Feststellung der Eigentumsverhältnisse (§ 38 Abs 1 TFLG), die Feststellung der Anteilsverhältnisse (§ 65 Abs 1 TFLG), die vorläufige Regulierung (§ 70 TFLG) und die Erlassung des Regulierungsplans (§ 65 Abs 2 TFLG).

Bezüglich der Fragen der Rechtskraft ist unter diesen Bestimmungen der besonderen Verwaltungsvorschriften § 69 TFLG von Bedeutung. Diese Bestimmung regelt ein Abänderungsrecht, nämlich die Befugnis der Behörde, Regulierungspläne unter bestimmten Voraussetzungen abzuändern. Erwähnt sei weiters § 70 Abs 2 TFLG, wonach Bescheide über die vorläufige Regulierung, die eine Entscheidung über den Bestand oder das Ausmaß von Parteienrechten nicht zu enthalten haben, von der Agrarbehörde jederzeit abgeändert werden können. Diese Bestimmungen finden ihre Entsprechung in § 68 Abs 6 AVG, wonach die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens unberührt bleiben.

Umgekehrt betrachtet, ist bei der großen Zahl der anderen von Agrarbehörden zu erlassenden Bescheide festzuhalten, dass solche besondere Bestimmungen nicht bestehen, sodass, wie erwähnt, allein die allgemeinen Regeln der §§ 68 und 69 AVG maßgeblich sind.

Insgesamt scheint die Thematik der Rechtskraft von agrarbehördlichen Entscheidungen somit keine besonderen Fragen aufzuwerfen. Eine vertiefende Betrachtung ist allerdings angebracht, wenn man sich die große Bedeutung agrarbehördlicher Entscheidungen für die Zuordnung von Sachherrschafts- und Sachnutzungsbefugnissen vor Augen hält. Aus diesem Grund soll in der Folge das Recht der Agrargemeinschaften rekapituliert werden ebenso wie – hinweisartig – die möglichen Eigentums- und Nutzungstitel, mit denen Agrarbehörden konfrontiert sein können.

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Eigentumskonstellationen

Wenn die Agrarbehörde die Eigentumsverhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zu ermitteln hat, hat sie sich in erster Linie am aktuellen Grundbuchsstand zu orientieren.
Dabei kann sich ergeben, dass an einer bestimmten Liegenschaft das individuelle Eigentum einer Person besteht oder dass an bestimmten Grundstücken das Eigentum einer „Agrargemeinschaft“ oder das Eigentum einer „Gemeinde“ eingetragen ist. Es kann sich auch ergeben, dass das Eigentum einer „Nachbarschaft“, „Interessentschaft“, „Fraktion“ oder dgl verbüchert ist.

In diesem Zusammenhang können sich Berichtigungsfragen und Auslegungsfragen stellen. Auf Berichtigungsfragen – wenn etwa Grundbuchsführer in Anbetracht der vielschichtigen historischen Entwicklungen im Bereich der agrarischen Nutzungen Rechtsverhältnisse unrichtig gedeutet haben und deshalb zu einer unrichtigen Verbücherung gekommen sind – kann hier nicht eingegangen werden.

Auslegungsfragen stellen sich in Anbetracht der verschiedenen verwendeten Bezeichnungen. Eine „Alm“ kann sich bei näherem Studium der Unterlagen unproblematisch als Bezeichnung für eine bestimmte – schlichte oder schon körperschaftlich eingerichtete – „Agrargemeinschaft“ erweisen. Eine „Interessentschaft“ kann sich bei näherer Analyse als eine nie untergegangene und deshalb auch heute noch fortbestehende Rechtsperson im Sinn von § 27 ABGB, als eine, wie gezeigt, (noch) nicht körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft im Sinn von § 34 Abs 1 TFLG erweisen.

Aus diesem Grund kann auch die Bezeichnung „Gemeinde X“ als Eigentümerin interpretationsbedürftig sein, da sie nicht notwendig gleichbedeutend mit einer heute bestehenden „politischen Gemeinde“ im Sinn von Art 115 B-VG gleichen Namens sein muss. Wurden doch in den historischen Urkunden auch „Kirchengemeinden“, „Fraktionen“ und andere Nutzergemeinschaften als „Gemeinden“ bezeichnet. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 9336/1982 (unter III. 1.) anerkannt, dass es Fälle gibt, in denen der Begriff „Gemeinde“ in Wahrheit eine Summe von Nutzungsberechtigten, nicht jedoch die politische Gemeinde meint. (Jüngst in diesem Sinn auch der Verwaltungsgerichtshof VwSlg 18171 A/2011 vom 30.6.2011 Zl 2010/07/0091, 6.3.2: Der Verfassungsgerichtshof wies im Erkenntnis VfSlg 9336/1983 darauf hin, dass es im Flurverfassungsrecht die Erscheinung gebe, dass eine „Gemeinde“ die Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn Grundstücke in Ausführung der Gesetze über die Regulierung und Ablösung der Servituten einer Gemeinde (Ortschaft) oder einer Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benutzung und gemeinsamem Besitz abgetreten worden sind. In diesen Fällen erfasse der Begriff „Gemeinde“ eine juristische Person, die sich aus Nutzungsberechtigten zusammensetze. Gleiches gilt für die Fälle von Grundstücken gem § 15 Abs. 1 lit. b Flurverfassungs-Grundsatz-Gesetz 1951. „Gemeinde“ bedeutet in dieser Gesetzesbestimmung eine Gemeinschaftsorganisation der Nutzungsberechtigten.)

Andererseits gibt es auch Fälle, in denen etwa das zugunsten einer „Ortschaft“ einverleibte Eigentum heute als Eigentum einer politischen Gemeinde zu sehen ist. So hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 9336/1982 angenommen, dass mit dem Wirksamwerden der Deutschen Gemeindeordnung in Österreich im Jahr 1938 das Vermögen von „Ortschaften“ und „Fraktionen“ kraft Gesetzes auf die politische Gemeinde übergegangen sei. Näher betrachtet, trifft dies – wie in VfSlg 4229/1962 präziser zitiert wurde – jedoch nur auf „Ortschaften, Fraktionen und ähnliche innerhalb einer Gemeinde bestehende Verbände, Körperschaften und Einrichtungen gemeinderechtlicher Art“ zu (Art II Abs 1 der Einführungsverordnung GBlÖ 408/1938). „Nachbarschaften“, „Kirchsprengel“ uam, wohl auch manche „Fraktionen“, bildeten jedoch keine Einrichtungen gemeinderechtlicher Art, sondern Eigentümergemeinschaften.
(Vgl als Ausdruck des zeitgenössischen Verständnisses: „Mit Bescheid vom 9. Jänner 1939, Zl. 96112-2/J/39 hat die [damals für Osttirol zuständige] Landeshauptmannschaft Kärnten in Klagenfurt entschieden, daß die Interessentschaft Innere und äußere Grossrotte keine Einrichtung gemeinderechtlicher Art ist, da sie nur aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken besteht und sonach die Bestimmung des Art. 11 § 1 Abs 1, G.Bl.f.d.L.Österreich Nr. 408 keine Anwendung zu finden hat“)

Ebenso wenig konnten gemeindeüberschreitende Eigentümergemeinschaften als Einrichtungen gemeinderechtlicher Art qualifiziert werden. Der historische Übergang von Liegenschaftseigentum von einer Nutzergemeinschaft auf eine politische Gemeinde ist daher nur eine der möglichen Fallkonstellationen, aber kein allgemeingültiger Grundtatbestand.
Dies ist vor folgendem Hintergrund von Bedeutung: Liegenschaften, die im Eigentum einer Gemeinde stehen, bilden „Gemeindevermögen“ im weiteren Sinn. Solches Gemeindevermögen kann Gemeindevermögen im engeren Sinn sein, wenn es Verwaltungs- oder Finanzzwecken der Gemeinde dient. Es kann „öffentliches Gut“ bilden, wenn es der gemeinverträglichen Nutzung der Allgemeinheit (Gemeingebrauch) dient. Und es kann „Gemeindegut“ sein, wenn es vor allem der gemeinschaftlichen Nutzung durch die an bestimmten Liegenschaften Nutzungsberechtigten gewidmet ist. In allen diesen Fällen ist allerdings ein Erwerbstitel erforderlich. Das heißt, dass Gemeindevermögen – in der Ausprägung von Gemeindegut – nicht allein dadurch entstanden ist, dass bestimmte Gemeindebürger an bestimmten Liegenschaften auf Grund alter Übung nutzungsberechtigt sind.

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Eigentumsfeststellung

Im Zentrum der aktuellen Auseinandersetzungen stehen Fälle, in denen die Agrarbehörde rechtskräftig entschieden hat, dass Grundeigentum einer Agrargemeinschaft gegeben ist. Dies kann im Einzelfall ganz unterschiedliche rechtliche „Hintergründe“ haben:

– Die Entscheidung kann Liegenschaften betreffen, die bislang im nicht näher bestimmten schlichten Miteigentum der Nutzergemeinschaft oder im Eigentum einer „Nachbarschaft“, „Interessentschaft“ o dgl standen, sodass mit der körperschaftlichen Verfassung der Agrargemeinschaft auch die Eigentumsübertragung an diese Körperschaft verbunden wurde. Da solche „Nachbarschaften“ oder „Interessentschaften“ keine Körperschaften öffentlichen Rechts waren, liegt eine konstitutive Eigentumsübertragung vor.

– Die Entscheidung kann Liegenschaften betreffen, die von der Agrargemeinschaft im Rahmen einer „normalen“ zivilrechtlichen Transaktion erworben worden sind, so dass die Entscheidung rein deklarative Bedeutung hat.

– Grundsätzlich ist es auch denkbar, dass die Entscheidung ein Grundstück betrifft, das bislang im verbücherten individuellen Eigentum einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person lag, sodass die Entscheidung – wenn sie rechtskräftig wird – konstitutiv einen Eigentumgsübergang bewirkt.
Den in der Praxis heikelsten Fall bildet die Konstellation, dass die Entscheidung – auch oder nur – Liegenschaften betrifft, die Gemeindevermögen, näherhin Gemeindegut, bildeten, wenn also eine politische Gemeinde unter welchem Titel immer zuvor Eigentum an Grundstücken erworben hatte, die von allen oder mehreren Mitgliedern der Gemeinde gemeinschaftlich unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden und in Anwendung der Gemeindeordnung geregelt sind. Es geht also ausschließlich um Fälle, in denen eine politische Gemeinde vor der agrarbehördlichen Entscheidung im zivilrechtlichen Sinn Eigentum erworben hatte. Der Umstand, dass in einer politischen Gemeinde Grundstücke gemeinschaftlich genutzt wurden und werden, begründet als solcher nicht die rechtliche Qualifikation als Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn und verschafft als solcher der politischen Gemeinde nicht Eigentum. In solchen Fällen hat die Einbeziehung von Grundstücken in das Eigentum einer Agrargemeinschaft konstitutive, rechtsverändernde Bedeutung.
Auf die Motivationen, die agrarbehördlichen Entscheidungen, mit denen im Eigentum von politischen Gemeinden stehendes Gemeindevermögen, insb Gemeindegut, in das Eigentum einer Agrargemeinschaft einbezogen wurde, zugrunde lagen, ist im übernächsten Abschnitt gesondert einzugehen.

Von der Konstellation, dass Eigentum einer politischen Gemeinde durch agrarbehördliche Entscheidung in das Eigentum einer Agrargemeinschaft einbezogen wurden, zu unterscheiden sind weiters Fälle, in denen die Agrargemeinschaft schon zuvor auf zivilrechtlichem Weg von der politischen Gemeinde das Eigentum an den betreffenden Grundstücken erworben hatte, sodass die Entscheidung der Agrarbehörde bloß deklarative Bedeutung hat. Von dieser Konstellation sind schließlich Fälle zu unterscheiden, in denen bisher das Eigentum einer „Gemeinde“ verbüchert gewesen war, ohne dass dem jedoch das nachgewiesene Eigentum einer „politischen Gemeinde“ zugrundelag, da sich möglicher Weise aus den bezüglichen Urkunden ergeben kann, dass das Eigentum einer liegenschaftsbezogenen „Realgemeinde“ gemeint war.

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Interpretation agrarbehördlicher Entscheidungen

Nicht nur die Bezeichnung des Eigentümers im Grundbuch, auch der bescheidförmige Abspruch der Agrarbehörde im Zusammenhang mit Fragen des Eigentums kann interpretationsbedürftig sein. So hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.779/2006 entschieden, dass eine Übertragung des Eigentums von einer Gemeinde an eine Agrargemeinschaft jedenfalls anzunehmen ist, wenn das Eigentum der Agrargemeinschaft im Bescheid „wörtlich ausgesprochen“ wurde.
Von einer Übertragung des Eigentums von einer politischen Gemeinde auf eine Agrargemeinschaft kann, wie erwähnt, nur dann gesprochen werden, wenn Eigentum der politischen Gemeinde schon vor der agrarbehördlichen Entscheidung gegeben war. Dies ist im Hinblick auf spezielle Konstellationen in älteren Bescheiden von Bedeutung. Wie ist es etwa zu verstehen, wenn sich in einem Bescheid die Wendung findet „Das Regulierungsgebiet ist als Gemeindegut der Gemeinde W ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 Abs 2 lit d TFLG 1952 und steht im Eigentum der Agrargemeinschaft W“? Ein solcher Bescheidspruch scheint aus heutiger Sicht in widersinniger Weise doppeltes Eigentum – der Gemeinde und der Agrargemeinschaft – zu begründen.

Ein adäquates Verständnis ergibt sich nur, wenn man berücksichtigt, dass erstens der flurverfassungsrechtliche Begriff des Gemeindeguts nicht gleichbedeutend ist mit dem gemeinderechtlichen Begriff des Gemeindeguts und dass Bescheide aus der zum Zeitpunkt ihrer Erlassung maßgeblichen Rechtslage heraus zu interpretieren sind. Der gemeinderechtliche Begriff des Gemeindeguts hat, wie erläutert, das Eigentum der politischen Gemeinde zur Voraussetzung; das Flurverfassungsrecht regelt dagegen in erster Linie kollektive Nutzungsformen. Das TFLG 1935 und das TFLG 1952 unterschieden – wie allein der jeweilige § 36 zeigt – im Hinblick auf Gemeinden zwischen „Besitz“ und grundbücherlicher Zuschreibung (Eigentum).
Nach den genannten Gesetzen hatte die Agrarbehörde dann, wenn sie die Eigenschaft von Grundstücken als agrargemeinschaftliche Grundstücke feststellte, diese einer der gesetzlich vorgegebenen Kategorien von agrargemeinschaftlichen Grundstücken zuzuordnen. Wenn nicht ein in den anderen Absätzen und literae geregelter spezieller Tatbestand gegeben war, blieb oft nur der Auffangtatbestand des Abs 2 lit d übrig: „das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut, bzw Ortschafts-, Fraktionsgut“.

Daher ist ein solcher Bescheidspruch nicht als widersprüchlich zu sehen, er bringt nur zum Ausdruck, dass sich nach Auffassung der Behörde sämtliche Stammsitzliegenschaften im Gebiet der bezogenen politischen Gemeinde befinden. Vor allem aber begründet ein solcher Bescheidspruch nicht ein – vorher nicht bestehendes – Eigentum der Gemeinde. Die kategoriale Qualifikation als Gemeindegut im flurverfassungsrechtlichen Sinn impliziert dann nicht Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn, wenn die politische Gemeinde nicht Eigentümerin der betreffenden Liegenschaften war.
Zumeist wurde in den von mir eingesehenen Bescheiden jedoch korrekt formuliert: „… sind agrargemeinschaftliche Grundstücke in der Ausprägung des/im Sinn von § 36 Abs 2 lit d TFLG 1935 … sie stehen im Eigentum der Agrargemeinschaft X“. Bei Vorliegen einer solchen Formulierung entsteht nicht einmal der Anschein von Eigentum der politischen Gemeinde, da die bloße Bezeichnung von Grundstücken als „Gemeindegut“ – durch Bezugnahme auf § 36 Abs 2 lit d TFLG 1935 – selbstverständlich kein Eigentumserwerbstitel für die politische Gemeinde ist.

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Entscheidungsbefugnisse der Agrarbehörde

Dass eine Entscheidung der Agrarbehörde, welche die Zuordnung von Grundstücken zum Eigentum einer Agrargemeinschaft zum Inhalt hat, trotz Eintretens der Rechtskraft nicht verbindlich bzw unbeachtlich sein könnte, ließe sich nur vertreten, wenn man annehmen wollte, dass die Entscheidung absolut nichtig ist. Dies lässt sich indes nicht begründen.
Gemäß § 38 Abs 1 TFLG hat die Agrarbehörde festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Grundstücke sind und wem sie gehören, insbesondere, ob das Eigentum daran mehreren Parteien als Miteigentümern oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zusteht.

Gemäß § 65 Abs 2 lit b TFLG hat der Regulierungsplan ua die „Entscheidung“ nach § 38 Abs 1 – also über die Eigentumsverhältnisse – zu enthalten. Gemäß § 71 TFLG sind Zusammenlegungen, Flurbereinigungen und die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Regulierungen oder Teilungen unter Ausschluss des Rechtsweges von der Agrarbehörde durchzuführen.
Während eines Verfahrens – von der Einleitung bis zum Abschluss – erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde gemäß § 72 TFLG unter Ausschluss der Zuständigkeiten anderer Behörden – auf alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die einbezogen werden müssen, insbesondere auch in Bezug auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.

Schließlich steht der Agrarbehörde auch außerhalb eines Verfahrens gemäß § 73 TFLG ua die Entscheidung über die Frage zu, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist.

Der Gesetzeslage kann unzweideutig entnommen werden, dass die Möglichkeit einer rechtsgestaltenden Eigentumszuordnung von den Befugnissen der Agrarbehörde mitumschlossen ist. Selbst ein Interpret, der unter Außerachtlassung der gebotenen systematischen Auslegung allein den Begriff „Feststellung“ in § 38 TLFG herausgreifen wollte, wäre mit der Frage konfrontiert, ob eine bloß das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens dokumentierende „deklarative“ Feststellung oder aber eine auch auf Rechtsgestaltung abzielende „konstitutive“ Feststellung gemeint ist. (Vgl Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl, 2009, Rz 901). Die Bezeichnung desselben Akts als „Entscheidung“ knüpft an die früher maßgebliche Unterscheidung von „Entscheidung und Verfügung“ an (vgl die frühere Fassung des § 56 AVG): Als Entscheidungen sind demnach insbesondere auch der Rechtskraft fähige streitentscheidende individuelle Verwaltungsakte gemeint; als solche können sie rechtsgestaltende Wirkung haben. Eben darauf nimmt § 72 TLFG Bezug: Danach erstreckt sich die Zuständigkeit der Agrarbehörde – unter Ausschluss der Zuständigkeit anderer Behörden – insbesondere auf Streitigkeiten über das Eigentum an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken.

Insgesamt ist die Agrarbehörde daher nicht auf die Vornahme einer Grundbuchabfrage o dgl beschränkt, mit der Konsequenz, sich allenfalls auf ein non liquet beschränken zu müssen. Ihr obliegt in diesen Fällen auch nicht die Beurteilung einer Vorfrage, vielmehr ist sie dann – grundsätzlich unter Ausschluss einer gerichtlichen Entscheidungsbefugnis – selbst die in der Hauptsache zur Entscheidung berufene Behörde. Die Agrarbehörde hat im Sinn der Rechtssicherheit klare Verhältnisse zu schaffen, also erforderlichenfalls rechtsgestaltend „festzustellen“. Wenn die Agrarbehörde das Eigentum eines Rechtsträgers „feststellt“ und wenn diese Feststellung unangefochten bleibt, dann ist dieser Rechtsträger Eigentümer im Rechtssinn.

Da die Möglichkeit einer rechtsgestaltenden Entscheidung über das Eigentum an den betroffenen Liegenschaften von den Befugnissen der Agrarbehörde mitumschlossen ist, ist es rechtlich ausgeschlossen, eine vermeintlich unrichtige Entscheidung der Agrarbehörde über die Zuordnung von Eigentum an betroffenen Liegenschaften als absolut nichtig zu qualifizieren.

Als ein Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die rechtskräftig gewordene Entscheidung der Agrarbehörde über das Eigentum an Liegenschaften verbindlich ist. Eine Änderung gemäß § 69 AVG – insb wenn unverschuldet nachträglich Tatsachen und Beweismittel hervorkommen, die zu einer anders lautenden Entscheidung hätten führen können – ist nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen und in diesen – nicht zuletzt zeitlichen – Grenzen möglich. Im Übrigen ist eine nachträgliche Änderung einer solchen Entscheidung im Gesetz nicht vorgesehen; in diese Richtung gehenden Überlegungen hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 17.779/2006 zu Recht eine klare Absage erteilt.

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Zusammenfassung

Das Flurverfassungsrecht ist durch eine historisch vielschichtig gewachsene bunte Vielfalt von Lebenssachverhalten charakterisiert. Sie zu ordnen ist die Aufgabe der Agrarbehörden. Da die agrarbehördlichen Entscheidung über Sachherrschafts- und Sachnutzungsbefugnisse von grundlegende Bedeutung für die beteiligten Wirtschaftskreise sind, ist die Stabilität und Berechenbarkeit der einmal getroffenen und immerhin von den Betroffenen einer rechtsstaatlichen Kontrolle zuführbaren Entscheidungen der Agrarbehörde von entsprechender Relevanz.

Ganz allgemein ist festzuhalten, dass für agrarbehördliche Entscheidungen grundsätzlich dieselben Regeln der Rechtskraft maßgeblich sind, wie sie auch sonst im Verwaltungsrecht anzuwenden sind. Wenn die entschieden hat, dass eine Agrargemeinschaft Eigentümerin einer bestimmten Liegenschaft ist und wenn ein solcher Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist, dann ist diese Agrargemeinschaft Eigentümerin im Rechtssinn.

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nach:
Bernhard Raschauer,
Rechtskraft und agrarischer Operation,
in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 265ff

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MP