Wenn sich am 1. Juli 2018 die skandalösen Ereignisse des 1. Juli 2014 jähren, dann gibt das alljährlich Anlass zu besonderem Gedenken.
Per Tiroler Landesgesetz wurden im 21. Jahrhundert die Tiroler Agrargemeinschaften ausgeraubt. Mit den Agrargemeinschaften gemeinsam wurden tausende Tirolerinnen und Tiroler enteignet. Das Land wurde von Exzessen gegen das Bauerneigentum erschüttert – Machenschaften, die bisher nur aus der NS-Zeit bekannt waren.
Und das Absurde ist: Die Tiroler Agrarbehörde macht gar kein Hehl daraus, dass die Enteignungsmaßnahmen der Regierung Platter bei den Maßnahmen des NS-Unrechtsstaates gegen agrargemeinschaftliches Eigentum anknüpfen. Gut drei Viertel der Agrarbehördenbescheide, mit denen ein „atypisches Gemeindegut“ festgestellt wurde, zitieren die Deutsche Gemeindeordnung 1935 als eine wesentliche Rechtsgrundlage.
Die deutsche Gemeindeordnung 1935, ein NS-Kernunrecht, das zum 1. Oktober 1938 auch im „Land Österreich“ in Kraft gesetzt wurde, sei die Rechtsgrundlage dafür, dass während der NS-Zeit die „Fraktionen“, das waren alte Agrargemeinden, ihr Eigentum zu Gunsten der modernen Ortsgemeinden verloren hätten.
Grundlage des Staatsanschlages vom 1. Juli 2014 auf das Privateigentum in Tirol sind erfundene Fakten. Angeblich hätten die Bauern die Gemeinschaftsgüter den heutigen Ortsgemeinden geraubt. Es handelt sich um die erfundenen Fakten vom „Raub am Gemeindegut“.
An jedem 1. Juli soll den erschütternden Vorgängen des Jahres 2014 besonders gedacht werden.
Der spektakuläre Raubzug des Landes Tirol gegen historisches Tiroler Gemeinschaftseigentum, welches „Gemeinde- bzw Fraktionsgut“ genannt wurde, ist untrennbar mit dem Datum: 01. Juli 2014 verbunden.
Tausende Hektar Gemeinschaftswald und viele Millionen EURO an ersparten Gemeinschaftsmitteln wurden auf einen Schlag durch das Land Tirol enteignet. Im Ergebnis wurden damit im Land Tirol Eigentumsverhältnisse geschaffen, wie diese nur in den historischen Grundherrschaften bekannt waren – die Politiker als die neuen Grundherren, die Tiroler Grundbesitzer und Bauern als blos Nutzungsberechtigte, denen ein Eigentum vom Land Tirol nicht (mehr) zugestanden wird.
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Die politische Hauptverantwortung für diesen Skandal trägt der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter. Dieser hat ein ausschließlich auf falschen Tatsachen gründendes Verkenntnis des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, das „Mieders(V)erkenntnis 2008“, VfSlg 18.446/2008, zur Profilierung der eigenen Person verwendet. Sein gebetsmühlenartig wiederholtes Credo, dass das zu 100% auf Fake-News vom „geraubten Gemeindegut“ gründende Mieders(V)erkenntnis 2008″ auf Punkt und Beistrich“ umgesetzt werden müsse, versetzte die politische Landschaft und den Tiroler Boulevard zeitweise geradezu in die Raserei gegen das historische Bauerneigentum.
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Geradezu beängstigende Assoziationen weckten Massenaussendungen der LISTE FRITZ zum Thema „STOPPEN WIR DEN DIEBSTAHL AM VOLK“ und Ähnliches.
Tausende Tirolerinnen und Tiroler wurden in dem Wahn enteignet, dass deren Gemeinschaftseigentum den heutigen politischen Ortsgemeinden gestohlen worden sei.
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Ganz anders sind die Verhältnisse im angrenzenden Land Vorarlberg. Dort wusste die politische Landesführung die wahren Tatsachen und Fake-News zu trennen.
Das „Mieders(V)erkenntnis 2008“ des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes wurde in Vorarlberg einer mehrjährigen Prüfung unterzogen. Diese Prüfung hat ergeben, dass alle Sachverhaltsgrundlagen des „Mieders(V)erkenntnisses 2008“ für Vorarlberg nicht passen. Es wurde erkannt, dass das „Mieders(V)erkenntnis 2008“ in Vorarlberg unanwendbar ist. Keine einzige Vorarlberger GrundbesitzerIn wurde enteignet. Das agrargemeinschaftliche Vermögen blieb unangetastet.
Auch alle anderen Österreichischen Bundesländer ignorieren das Mieders(V)erkenntnis 2008 kräftig. In keinem einzigen Bundesland außerhalb Tirols wurden die Mitglieder der Agrargemeinschaften enteignet. Dies ungeachtet der Tatsache, dass sich die Agrarier in der Steiermark als weitere Enteignungsziele geradezu anbieten würden. Schließlich beherbergt die Steiermark mit der so genannten „Realgemeinde Leoben“ die zweitgrößte Agrargemeinschaft Österreichs. Auch dutzende „Urbarialgemeinden“ des Burgenlandes sollten lohnende Enteignungsziele sein!
Tatsächlich hat sich kein anderes Bundesland dazu hergegeben, die absurden und im Ergebnis lächerlichen Behauptungen zum angeblichen Substanzrecht der Ortsgemeinden umzusetzen.
Nur Tirol ist anders! Die politische Verantwortung dafür trägt Landeshauptmann Günther Platter.
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Wenn die Almen Trauer tragen
Nur Tirol ist anders – dieser besondere Aspekt des heutigen Tiroler (!) Agrarstreits kann nicht oft genug betont werden.
Das so genannte „Mieders(V)erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes 2008“ beansprucht unzweifelhaft bundesweite Beachtung. Dieses „Verkenntnis“ des VfGH stützt sich seinem Wortlaut nach auf das Eigentumsrecht und den Gleichheitssatz – beides Institutionen des Rechtsstaates, die in Tirol und außerhalb Tirols Geltung und Beachtung verlangen.
Ungeachtet dessen ignorieren alle anderen Bundesländer kräftig, dass aus den (angeblich) verfassungswidrigen Regulierungen der Agrargemeinschaften ein Substanzrecht der politischen Ortsgemeinden entstanden sei. Alle anderen Bundesländer ignorieren das „Atypische“, obwohl alle Landesregierungen ein und derselben Verfassung verpflichtet sind.
Offensichtlich hat man in den anderen Bundesländern die richtige Schlussfolgerung daraus gezogen, dass das „Mieders(V)erkenntnis 2008“ zur Gänze auf erfundenen Fakten beruht: Auf einem erfundenen Gemeindeeigentum und auf einem erfundenen Behördenwillen, dieses Gemeindeeigentum in den Agrargemeinschaften zu bewahren und zu erhalten.
Hinzu kommt die offenkundig falsche und der historischen Wahrheit widersprechende Prämisse dieses Verfassungsgerichts(V)erkenntnisses, dass ein Gemeindegut zwingend ein Eigentum einer politischen Ortsgemeinde sein müsse. Diese Prämisse ist für das Agrarrecht falsch; diese Prämisse ist für das Gemeinderecht falsch: Ein Gemeindegut kann ein wahres Eigentum der Ortsgemeinde sein; viel wahrscheinlicher ist es jedoch, dass ein Gemeindegut ein wahres Eigentum einer Agrargemeinschaft ist. Ein Gemeindegut erscheint in den öffentlichen Büchern als ein Eigentum der Ortsgemeinde; ob diese Eintragung richtig ist oder falsch, ob die Gemeinde wahre Eigentümerin ist oder „nackte Tabularbesitzerin“, ob ein wahres Eigentum einer Agrargemeinschaft vorliegt oder eines Dritten, das hat alleine die Agrarbehörde zu entscheiden.
Wider die offenkundige historische Wahrheit ist es schließlich, wenn im (V)Erkenntnis VfSlg 9336/1982 behauptet wurde, das Gemeinderecht als solches stemple ein Gemeindegut zum Eigentum der Ortsgemeinde. Der historische Gesetzgeber hat weitreichende Bemühungen unternommen, um jeden Eindruck zu beseitigen, dass das Gemeinderecht in irgendeiner Weise die Einzelfallentscheidung der Agrarbehörde präjudizieren könne. Der Standpunkt des Verfassungsgerichts, dass die (Landes-)Gemeindeordnungen ein Gemeindegut als Eigentum der Ortsgemeinde definieren würden, ist schlicht falsch. Tatsächlich wurden die (Landes-) Gemeindeordnungen systematisch an das moderne Flurverfassungsrecht angepasst.
Wen wundert es, dass das „Mieders-(V)Erkenntnis 2008“ in allen anderen Bundesländern kräftig ignoriert wird. Es scheint so, als würde dieses auf „Fake-News“ gegründete (V)Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in den anderen Bundesländern nicht existieren.
Bezeichnend ist, dass von den anderen Bundesländern überhaupt nur Vorarlberg in eine öffentliche Diskussion über das Mieders(V)erkenntnis eingetreten ist. Nach gründlicher Analyse der wahren historischen Fakten ist dann freilich nichts passiert. Keine Vorarlbergerin wurde um das „Substanzrecht“ enteignet!
Nur in Tirol glaubt man an die räuberische Agrarbehörde!
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Mieming: Kaiserlicher Raub?
MP