Aus dem Lebenslauf von Werner Ogris
Ogris‘ Familie zog nach seiner Geburt nach Wels, wo er 1954 die Matura ablegte. Er studierte in Wien, wo er das Studium der Rechtswissenschaften am 12. Dezember 1958 mit der Promotion abschloss.
Ab 1. April 1958 war Werner Ogris als wissenschaftliche Hilfskraft bei Professor Hans Lentze am damaligen Institut für österreichische und deutsche Rechtsgeschichte an der juridischen Fakultät der Universität Wien tätig.
Am 16. Februar 1962 erfolgte die Habilitation für Deutsche Rechtsgeschichte und Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte.
1. Oktober 1962: Berufung an die Freie Universität Berlin. Er war damals der jüngste ordentliche Professor an einer deutschen Universität.
1. August 1966: Berufung an die Wiener Universität auf eine Lehrkanzel für Deutsches Recht und Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte.
Werner Ogris war von 1966 bis 1977 und von 1997 bis 2003 Vorstand des Instituts für Rechtsgeschichte. Für das Studienjahr 1972/73 wurde er zum Dekan der juridischen Fakultät gewählt. 1992 war er Gastprofessor an der University of Kansas, im Herbst 1996 an den Universitäten Tokyo und Kyoto.
2004 wurde Werner Ogris Professor an der Rechtswissenschaftlichen Hochschule in Pressburg (Bratislava) (Bratislavská Vysoká Škola Práva-BVŠP), 2005 war er dort Dekan.
1972 wurde er korrespondierendes, 1975 wirkliches Mitglied der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. An der Akademie war er Leiter der Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs.
1985 wurde er Auswärtiges Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und 1988 der Königlich-Niederländischen Akademie der Wissenschaften.
Werner Ogris hat mehrere akademische Ehrungen und Preise erhalten, so 1993 Ehrendoktorate der Karls-Universität Prag und der Comenius-Universität Bratislava. Er erhielt 1997 den Brüder-Grimm-Preis der Philipps-Universität Marburg. 1998 wurde ihm die Ehrenmedaille der Universität Prag zum Gedenken an die Gründung der Universität am 7. April 1348 überreicht und 2003 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
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Im Folgenden wird die wissenschaftliche Arbeit von Werner Orgis zum Thema „Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz und die `Forsteigentumspurifikation´ von 1847“ (gemeinsam mit Oberhofer), Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 2010, Seiten 151 bis 186, auszugsweise veröffentlicht:
Das Privateigentum an den Tiroler Forsten zum Ende des Vormärz und die „Forsteigentumspurifikation“ von 1847
I. Vorbemerkungen
Der in der letzten Zeit heftig aufgebrochene Streit um die ehemaligen Allmendliegenschaften in Tirol betrifft eine Kernfrage des historischen deutschen Privatrechts, nämlich – wie Otto Gierke dies treffend formulierte – die Frage nach dem „Schicksal der wirtschaftsgenossenschaftlichen Seite der Markgemeinde“. Die „alte Markgemeinde“ erfüllte bekanntlich eine doppelte Aufgabe: diejenige eines örtlichen Gemeinwesens und diejenige einer ländlichen Wirtschaftsgenossenschaft. „Mit der Eigenschaft eines politisch-sozialen Gebietskörpers verbindet sie die Eigenschaft einer vermögensrechtlichen Vereinigung im Sinne einer agrarischenProduktivgesellschaft.“
Solange der unmittelbare Zusammenhang zwischen Bodenverteilung und Gemeinderecht aufrechterhalten blieb, stellte sich die Frage nach dem Schicksal des „älteren Gemeindevermögens“ nicht.
Ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich die Bodenverteilung im Siedlungsverband in den wirtschaftsgenossenschaftlichen Aktivitäten der historischen Gemeindeverbände niedergeschlagen hat, bildet die Liegenschaft in EZ 11 Grundbuch Thiersee, für welche die Grundbuchsanlegungskommission die wesentlichen Rechtsverhältnisse wie folgt festhielt: „Auf Grund des Kaufes vom 28. Mai, verfacht 1.Juni 1877 Folio 307 wird mit Bezug auf den Servituten-Ablösungs-Vergleich vom 23. August 1872 Folio 694 das Eigentumsrecht für die Gemeindefraktion Hinterthiersee, welche Lasten und Nutzungen nach Verhältnis der von der Fraktion zu entrichtenden Grundsteuer zu tragen und zu genießen hat, einverleibt.“ Offensichtlich hatten sich die im Jahr 1877 im Weiler Hinterthiersee grundsteuerpflichtigen Liegenschaftsbesitzer zum Erwerb dieser Liegenschaft zusammengeschlossen; maßgebliche Grundlage für die Beteiligung an der errichteten Gemeinde nbR war in diesem Fall die im Jahr 1877 jeweils zu tragende Grundsteuer. Allfällige Einwohner des Weilers Hinterthiersee, welche im Jahr 1877 keine Grundsteuer bezahlten, waren demnach am Erwerb der Liegenschaft, an den Lasten und Nutzungen der Liegenschaft nicht beteiligt. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Grundbuchsanlegung den Eigentumsträger, eine historische Gemeinde nach bürgerlichem Recht, unter der Bezeichnung „Gemeindefraktion Hinterthiersee“ in das Grundbuch einverleibte, so bildet diese Liegenschaft ein perfektes Beispiel für das von Theodor Veiter vor über 50 Jahren festgestellte Problem der Verwechslungsgefahr zwischen dem gemeinderechtlichen Fraktionsbegriff und „Fraktionen als Vermögensrechtsträger“: Theodor Veiter, Die Rechtsstellung der Ortschaft (Gemeindefraktion), in: Zeitschrift für Öffentliches Recht NF 8 (1957/58), 488ff, hier 497f.
Mit der Demokratisierung des Gemeindeverbandes und der Einrichtung der modernen politischen Ortsgemeinden auf der Grundlage des Reichsgemeindegesetzes 1862 und der dazu ergangenen Ausführungsgesetze wurde die politische Seite der alten Markgemeinde endgültig in der heutigen politischen Ortsgemeinde verselbständigt. Die Demokratisierung der Lokalverwaltung durch Beteiligung aller Einwohner und deren Aufnahme als gleichberechtigte Gemeindeglieder in den politischen Verband verlangte gleichzeitig nach rechtlicher Verselbständigung der regelmäßig zumindest in Resten vorhandenen, wenngleich durch historische „Gemeinheitsteilungen“ teilweise aufgezehrten Allmendliegenschaften, soweit diese für die Bedürfnisse bestimmter Einzelwirtschaften gewidmet waren. Die Übertragung des politischen Demokratisierungsprozesses auf den Bereich der wirtschaftsgenossenschaftlichen Seite der historischen Markgemeinde hätte eine gravierende Änderung der Eigentumsverhältnisse nach sich gezogen: „Demokratisierung“ würde für die wirtschaftsgenossenschaftliche Seite der historischen Markgemeinde „Kommunalisierung“ bedeuten, was schon die zeitgenössischen Literatur klar erkannt hatte.
Treffend spricht etwaSwieceny, Beiträge zur Beurteilung des Gemeindeeigentums auf dem flachen Lande Niederösterreichs, in: Österreichische Zeitschrift für Innere Verwaltung 1858, 348, davon, dass Vereinnahmung des Eigentums der historischen Markgemeinde für die politische Ortsgemeinde eine „Expropriation“ bedeute, „die sich nur dann rechtfertigen ließe, wenn derselben eine Entschädigung der Altberechtigten zur Seite ginge“.
Grundsätzlich sind hinsichtlich der wirtschaftsgenossenschaftlichen Seite der historischen Markgemeindezwei Problemkreise zu unterscheiden: Der erste Problemkreis betrifft das unmittelbare Rechtsverhältnis der historischen Markgemeinde zur Allmende – in Tirol die „Gmoan“ genannt –, welches deshalb komplex ist, weil der Tiroler Landesfürst Jahrhunderte lang für die Allmendliegenschaften Hoheitsrechte als „Allmendregal des Landesfürsten“ aufrecht erhalten hatte. Erst im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847verzichtete der Landesfürst endgültig auf sein Obereigentum.
Der zweite Problemkreis betrifft den Umgang des Staates mit den im Zeitpunkt der Errichtung der heutigen politischen Ortsgemeinden – ungeachtet der über Jahrhunderte vollzogenen Teilungsakte – vielerorts in Teilen noch bestehenden Allmendliegenschaften. Letzterer Problembereich wurde für das Kaisertum Österreich und damit auch für Tirol einer eindeutigen Lösung im Rahmen der politischen Gemeindegesetzgebung zugeführt: § 26 Prov. GemG 1849 bzw § 11 der Regierungsvorlage für die Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 (in Tirol schließlich § 12 TGO 1866) ordneten eine strikte Trennung des Privateigentums vom Eigentum der politischen Ortsgemeinde an: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“ Das auf der Grundlage des Forstregulierungspatentes 1847 förmlich anerkannte Klassenvermögen blieb somit unangetastet.
Angesichts einer historisch eindeutigen Rechtslagesollte der heutige Konflikt in Tirol einer klaren Lösung zugeführt werden können:
Es entbehrt jeder Grundlage, wollte man dem (bis zur Umgestaltung des Kaisertums Österreich in einen Rechts- und Verfassungsstaat moderner Prägung ab 1867) für die Gesetzgebung verantwortlichen Monarchen, Kaiser Franz Josef I., den Willen zur Kommunalisierung der historischen Allmendliegenschaften unterstellen. Dies würde jedoch geschehen, nähme man an, dass das Eigentumsrecht an den Gemeinschaftsliegenschaften von Gesetzes wegen 1849 oder mit Inkrafttreten der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz – in Tirol mit der TGO 1866 – auf die heutigen politischen Ortsgemeinden übertragen worden sei. Die Demokratisierung der politischen Gemeindeverfassung wäre in diesem Falle ex lege mit einer starken Umwälzung der ländlichen Besitzverhältnisse verbunden gewesen. Davon hat man freilich im ehemaligen Kaisertum Österreich nichts bemerkt. Im Gegenteil: Die Annahme derartiger Rechtsfolgen für die politische Gemeindegesetzgebung widerspricht der eindeutigen historischen Rechtslage, wonach die Privatrechtsverhältnisse unberührt zu bleiben hatten. Es liegt deshalb an der heutigen politischen Führung, jene Grundsätze zu beherzigen, welche Julius Weiske bereits im Jahr 1849 (!) definiert hatte:
„So wären denn die (politischen Orts-) Gemeinden darüber aufzuklären, wie diese Güter entstanden sind, wie die jetzt bevorzugt erscheinenden Mitglieder die rechtlichen Nachfolger derer sind, welche, als sie die ganze Flur in Besitz nahmen, die jetzt sog. Gemeindegüter ungeteilt ließen, um sie gemeinschaftlich oder nach bestimmt festgesetzten Anteilen für sich zu benutzen. Dabei muss man in Erwägung ziehen, dass die(jenigen), welche jene Einrichtung trafen, ebenso gut, wenn es ihr Interesse erfordert hätte, jene ungeteilt gebliebenen Grundstücke sich hätten zuteilen und zu ihren Äckern oder Privatgütern schlagen können. Wäre dies geschehen, so würde niemand behaupten: Da wir jetzt alle wirkliche Gemeindeglieder, gleichberechtigt und gleich verpflichtet, sind, so darf auch kein Mitglied ein größeres Gut, mehr Wald usw. als ein anderes haben; oder: da Einzelne mehr Grund und Boden als Privatgüter in der Gemeinde besitzen als andere, so müssen jene diesen gewisse Teile abtreten.“
II. Zur historischen Ausgangslage
1. Die Gemeinde als moralische Person nach bürgerlichem Recht
In Tirol bestand eine lange Tradition, nach der die Obrigkeit lokalen Gruppen der heimischen Landbevölkerung „Besitz“ an bestimmten Alp-, Weide- oder Waldgrundstücken in förmlichen Verleihurkunden uä bestätigte.
Eines der ältesten Beispiele bildet offensichtlich die „Melch- und Galtalpe und zwei Kasern im Sennerthale“, welche der „Gemeinde Kematen“ aufgrund Verleihbriefes des Stiftes Wilten vom Freitag in der Pfingstwoche des Jahres 1352 (!) in das Eigentum übertragen wurde (FEPT 55 Fortsetzung, Landgericht Sonnenburg vom 10.2.1849, fol 34; heute in EZ 37 GB Grinzens).
Die daraus historisch abzuleitende Rechtsposition ist durchaus mit dem modernen Grundeigentum vergleichbar. Durch eine breite und ausführliche Beschreibung der Befugnisse, welche die „Nachbarn“ hinsichtlich des Erworbenen erlangten, wurde hier inhaltlich all das umschrieben, was heute mit dem Begriff des Eigentums als Selbstverständlichkeit umfasst ist.
Zu verweisen ist etwa auf die Verleihungsurkunde vom 1. Juli 1670, Urkunde Nr. 8 im Gemeindearchiv von Langkampfen, wonach „Paris Graf zu Lodron, Kastell Roman, Herr zu Castellan, Kastell Novo, Gmünd, Sommeregg und Piberstein, der röm. kaiserlichen Majestät, auch zu Ungarn und Böheim königlicher Majestät wirklicher Kämmerer und obrister Jägermeister der ober- und vorderösterreichischen Landen“ von „Obristjägermeisteramtswegen“ der „Gemein und Nachbarschaft zu Unterlangkampfen“ sowie „allen ihren Erben und Nachkommen“ eine Au zur Zurichtung eines Wiesmahds verlieh. Das „zu ewigem Erbrecht“ übertragene Recht inkludierte die Befugnis, die Liegenschaft zu „reiten, räumen und zu einem Wiesmahd zurichten, solches innehaben, gebrauchen, nutzen und nießen (…), es sei mit Verkommen, Verkaufen, Versetzen, Verwechseln, Vertauschen, oder in ander gebührender Weg“ damit zu verfahren und zu handeln, „wie Recht ist, unverhindert meiniglichens.“
Jene Gruppen, die in diesen Urkunden als Adressaten der Verleihungen Erwähnung fanden, wurden regelmäßig als Nachbarschaften oder Gemeinden oder mit einer Kombination dieser Worte („Gmeind und Nachperschafft“) bezeichnet. Bei diesen Gebilden war ausschließlich an einen geschlossenen Personenkreis gedacht! Unmissverständlich definierten die historischen Rechtstitel „die Nachbarn, ihre Erben und Nachkommen“ als jeweiligen Vertragspartner. Juristisch ist die Nachbarschaft als Gemeinde nach bürgerlichem Recht (§ 27 ABGB – Gemeinde nbR) zu verstehen, als eine „moralische Person“, verwandt der personamoralis collegialis des Gemeinen Rechts.
Dass die Dogmatik der Gemeinde nbR heute noch Probleme bereitet, ist nicht verwunderlich. Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, als die großen Kodifikationen des bürgerlichen Rechts beraten bzw. geschaffen wurden, hatte die Privatrechtswissenschaft die heutige juristische Person erst in Teilbereichen ihres Wesens erfasst. Als dann seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die monographischen Darstellungen Savignys und Gierkes, für Österreich vor allem auch Ungers erschienen, war die Rechtsfigur der Gemeinde nbR bereits einem massiven Verdrängungs-, besser Überlagerungsprozess ausgesetzt, der von einer die Rechtsverhältnisse der lokalen Siedlungsverbände völlig beherrschenden juristischen Neuschöpfung, der heutigen politischen Ortsgemeinde, ausging.
Bezeichnend ist, dass sich zB in der Ende des 19. Jhdts veröffentlichen 7. Auflage des Stubenrauch-Kommentars zum ABGB in den Anmerkungen zu § 21 letzter HS idF 1811 angesichts der Tatsache der gesetzlich angeordneten Handlungsunfähigkeit der „Gemeinden“ nur folgender Hinweis findet: „…und der Gemeinden (oder richtiger der moralischen [juristischen] Personen)“ – um im übrigen betreffend die Natur der juristischen Personen auf die Kommentierung zu den §§ 26f ABGB zu verweisen. Im Kontext der Ausführungen dazu wird der Begriff „Gemeinde“ dann ausschließlich im Sinne von „politischer Ortsgemeinde“ abgehandelt, obwohl offensichtlich ist, dass der Status der bürgerlichrechtlichen Handlungsfähigkeit, wie dies der Rechtslage während des gesamten 19. Jahrhunderts entsprach, ausschließlich für die Gemeinde nbR., „moralische Person“ in der Terminologie der Schöpfer unseres bürgerlichen Gesetzbuches, gegolten haben kann.
Die Gemeinde nbR scheint sohin am Ende des 19. Jahrhunderts für die Rechtswissenschaft bereits völlig in die Bedeutungslosigkeit versunken zu sein. Ungeachtet dessen existierten derartige Rechtsgebilde und existieren sie auch noch heute (zumindest) in Folge Fortbestandes ihres Vermögens, teilweise sogar als wirtschaftlich aktive „moralische Personen“, wie die Beispiele „Zweidrittelgericht Landeck“oder „Gedingstatt Zams“ eindrucksvoll belegen.
Hier ist nicht der Platz, die Dogmatik der Gemeinde nbR zu entwickeln; nur so viel in Kürze: Im Codex Theresianus (1766) fand sich im Sachenrecht (!) folgende „Gemeindedefinition“: „Alle anderen zu den Gemeinden gehörige Sachen sind in ihrem Eigentum, welche in dieser Absicht als sittliche Personen betrachtet und hierunter die Gemeinden der Städte, Märkte und anderen Ortschaften wie auch alle und jede weltliche Versammlung mehrerer in größerer oder kleinerer Anzahl bestehender Personen, welche rechtmäßig errichtet und von Uns bestätigt sind, verstanden werden, also, dass wenigstens drei Personen eine Gemeinde oder Versammlung ausmachen können.“ Nach dieser Definition konnten also schon drei Personen eine Gemeinde (oder Versammlung) ausmachen – weitere Einzelheiten blieben ungeregelt.
Wesentlich instruktiver erscheint die „Definition“ der Gemeinde nach „Tiroler Landesrecht“, die uns vom Tirolischen Gubernium aus dem Jahr 1784 überliefert ist: „In Tyroll wird unter der Benambsung Gemeinde eine gewisse, bald größere bald kleinere Anzahl beysammen liegender oder auch einzeln zerstreuter Häuser verstanden, die gewisse Nutzbarkeiten an Weyden, Waldungen und beurbarten Gründen gemeinschaftlich und mit Ausschluß anderer Gemeinden genießen, einen gemeinschaftlichen Beutel oder Cassa führen und also gewisse gemeinschaftliche Schuldigkeiten haben z.B. eine bestimmte Strecke eines Wildbaches oder Stromes zu verarchen.“ Diese „Definition“ enthält konkrete Tatbestandselemente, welche die „Gemeinde“ als einen bestimmten Typus der „moralischen Person“ charakterisieren: Die Gemeinde setzt sich demnach aus „Häusern“ zusammen (beisammen liegend oder zerstreut), welche bestimmte Rechte an Liegenschaften gemeinschaftlich ausüben, und zwar unter Ausschluss von anderen (Gemeinden). Bestimmte Träger von Liegenschaften haben sich somit als Träger bestimmter Rechte zusammengeschlossen, also eine Gemeinde nbR gebildet. Dieses Gemeinschaftsgebilde ist nach modernem Verständnis eine juristische Person, dh Träger von Rechten und Pflichten; es besitzt eine Verwaltungsstruktur, die sich vor allem in der gemeinsamen Finanzgebarung zeigt, dem „gemeinschaftlichen Beutel“ bzw der Gemeinschaftskassa. Durch Interpretation zu erschließen sind aus dieser Gemeindedefinition auch der Erwerb und der Verlust der Gemeindemitgliedschaft: Die jeweils am „Mitgliedshaus“ berechtigte natürliche Person ist Gemeindeglied; der Verlust der Berechtigung am Haus muss nach historischem Tiroler Landesrecht den Verlust der Gemeindemitgliedschaft nach sich gezogen haben.
Der Entwurf Martini zum ABGB verzichtete dagegen auf jede Definition der Gemeinde nbR. Nach dem Beispiel des Codex Theresianus wird im Sachenrecht die (als bekannt vorausgesetzte) Gemeinde als Trägerin von Privatrechten definiert: „Die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft sind entweder Gemeinden oder einzelne Personen.“
In das ABGB fand zwar keine Definition der Gemeinde nbR Eingang, sehr wohl aber eine generelle Bestimmung über die „moralische Person“. Der historische Gesetzgeber definierte die Gemeinde nbR als Erscheinungsform der „moralischen Person“: Die Marginalrubrik zu §§ 26, 27 ABGB lautet: Aus dem Verhältnisse einer moralischen Person. Der Gesetzestext dazu lautet: § 26. Die Rechte der Mitglieder einer erlaubten Gesellschaft unter sich werden durch den Vertrag oder Zweck, und die besonderen für dieselben bestehenden Vorschriften bestimmt. Im Verhältnisse gegen andere genießen erlaubte Gesellschaften in der Regel gleiche Rechte mit den einzelnen Personen. Unerlaubte Gesellschaften haben als solche keine Rechte (…). § 27. Inwiefern Gemeinden in Rücksicht ihrer Rechte unter einer besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehen, ist in den politischen Gesetzen enthalten.
Was das ABGB unter einer solchen Gemeinde als einer moralischen Person in concreto verstanden hat, kann beim wichtigsten Redaktor und Kommentator des Gesetzbuches, Franz von Zeiller, nachgelesen werden. Er erläuterte zu § 27 ABGB: „Die unter öffentlicher Authorität zu gemeinnützigen Zwecken verbundenen Gemeinden, wie die der Städte, Märkte, Dörfer, oder der geistlichen Gemeinden, haben ihre besondere, durch politische Gesetze und Statuten bestimmte Verfassung, sie stehen, weil die einzelnen Glieder ihre in dem Gemeindevermögen begriffenen Rechte nicht verwahren können, unter einem besondern Schutze des Staates, sind in der Verwaltung ihres Vermögens eingeschränkt und genießen besondere (auf Sachen) angewandte Personen-Rechte. Die Vorsicht fordert demnach, daßdiejenigen, welche mit Gemeinheiten Rechtsgeschäfte eingehen, sich zuvor genaue Kenntniß erwerben, ob und inwieweit dieselben oder ihre Vorsteher in der Verwaltung des Vermögens eingeschränkt oder begünstiget seyn.“ Zeiller setzte offensichtlich eine Vielzahl verschiedener Gemeinden voraus; er differenzierte zwischen Städten, Märkten und Dörfern, innerhalb derer „Gemeinden“ existieren; dementsprechend bezeichnete er „Gemeinden“ synonym auch als „Gemeinheiten“.
Einschränkender, aber zugleich präziser war die Definition der „Dorfgemeine“ nach § 18 II. 7 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (ALR) aus dem Jahr 1794: „Die Besitzer der in einem Dorfe oder in dessen Feldmark gelegenen bäuerlichen Grundstücke machen zusammen die Dorfgemeine aus.“ Diese Definition einer „Dorfgemeine“ schließt selbstverständlich nicht aus, dass innerhalb des Dorfes noch (weitere) Gemeinden (Brunnengemeinden, Mühlengemeinden, Waldgemeinden usw) existieren können.
Aus diesem knappen Überblick ergibt sich eine für die gegenständliche Untersuchung maßgebliche Eigenschaft der Gemeinde nbR: Die Schöpfer des ABGB haben zur Definition der „Gemeinde nbR“ keine Anleihe beim bekannten Beispiel der im ALR definierten „Dorfgemeine“ genommen; Zeillers Kommentar übernahm vielmehr fast wörtlich die Beschreibung aus dem Codex Theresianus, wonach Gemeinden in den Städten, Märkten und Ortschaften existieren. Gemeinde nbR ist deshalb – im Gegensatz zur „Dorfgemeinde“ des ALR – nicht notwendig ein gesamter Siedlungsverband, sondern auch ein beliebiger Teil desselben oder eine größere Einheit aus einer Vielzahl von Gemeindegliedern, von denen verschiedene Gruppen in anderem Zusammenhang als eigenständige Gemeinden zusammen geschlossen sein können. Historische Gemeinschaftsliegenschaften, welche Stammliegenschaftsbesitzern aus verschiedenen Siedlungsverbänden als Eigentum zuzuordnen waren, bilden ein beredtes Beispiel dafür: So setzt sich die Gemeinde Zweidrittelgericht Landeck aus Stammliegenschaftsbesitzern diverser heutiger politischer Gemeinden zusammen; gleiches gilt für die Gedingstatt Zams.
2. Die historischen Rahmenbedingungen für das Forsteigentum in Tirol
Die Ursprünge der Forstverfassung Tirols werden auf das 14. Jahrhundert zurückgeführt. Schon im Jahr 1330 hätte Heinrich II. von Tirol in dem von ihm „aufgerichteten Amtsbuche“ sämtliche Waldungen des Inn- und Wipptales als sein Eigentum erklärt. Auf dieser Verfügung soll die von Kaiser Ferdinand I. 1541 erlassene erste Tiroler Waldordnung beruhen. Schließlich erließ Kaiser Leopold I. im Jahr 1685 eine spezielle Inn- und Wipptaler Waldordnung, welche bis zum Jahr 1847 für geltendes Recht gehalten wurde. Diese Waldordnungen wurden nach herrschender Auffassung so ausgelegt, dass die Erwerbung von Waldeigentum durch Ersitzung ausgeschlossen war: „Niemand könne Waldeigentum behaupten, er müsste sich denn über den Besitz desselben durch landesfürstliche Urkunde ausweisen.“ Diese Rechtsauffassung wurde in der a.h. Entschließung vom 6.2.1847 im Wege authentischer Interpretation bestätigt, wonach „gemäß der (…) bisher in Kraft gestandenen alttyrolischen Waldordnungen, auf welche sich auch die Holzbezugsrechte und Gnadenholzbezüge der Untertanen gründen, sämtliche Wälder Tirols, mit Ausnahme weniger Landestheile, (…) ein Gegenstand landesfürstlichen Hoheitsrechtes sind, insoferne von seiner Majestät Vorfahren nicht einzelne Wälder an Gemeinden oder Private urkundlich verliehen worden waren.“
Zur Begründung dieses Regalitätsrechtes fanden die Zeitgenossen bemerkenswerte Erklärungen: „Es mag allerdings befremden, dass die tyrolischen Landesfürsten, die doch, wie bekannt, dem bideren Tyrolervolk stets ihre besondere Gunst zuwandten, gerade in Bezug auf die Forste mit diesem nicht allzu freigebig waren, und noch zu einer Zeit, wo man bereits anderenorts von der starren Aufrechterhaltung des Waldreservats nachzulassen begann, das Waldeigenthum in Tyrol fast ausschließlich nur für sich erhalten wissen wollten. Aber gerade in dieser, bis zum Jahr 1847 mit unerschütterlicher Konsequenz an den Tag gelegten Absicht, liegt der sprechende Beweis von der weisen Fürsorge der Landesfürsten. Mit richtigem Blicke haben sie seit jeher erkannt, dass das Wohl des Landes und seiner Bewohner in einem inneren Zusammenhange mit einer guten Waldwirtschaft stehe, ja dass diese eine unerlässliche Bedingung für das erstere sei; und nur in der Absicht, damit die Quellen des Tyroler Wohlstandes: Bergwerke und Salinen, dann Land und Leut in künftiger Zeit an Holz keinen Abgang oder Mangel leiden dürfen, sondern jederzeit mit guter Notdurft versehen werden mögen, verfügten sie: ‚Seynd alle Wäldt, Höhen, kaine ausgeschlossen, Unser Aigen.’ In diesen, der Waldordnung entnommenen Worten liegt ein tiefer Sinn. – Es ist damit (…) ausgesprochen, die Waldungen Tirols nicht allein als eine Quelle des landesfürstlichen Einkommens, sondern als ein Mittel zur Förderung eines höheren Zwecks – des Wohlstandes der Nation – als landesfürstliches Eigentum zu erhalten und gut bewirtschaften zu wollen. In diesen Worten findet aber auch der Anspruch der Bewohner Tirols, auf nachhaltige Deckung ihrer Bedürfnisse aus landesfürstlichen Waldungen, seinen richtigen Grund, und das ursprünglich aus allerhöchster Gnade erflossene Recht der Einforstung seinen unwiderlegbaren Haltpunkt.“
In der Praxis war das landesfürstliche Forstregal freilich immer wieder umstritten und umkämpft, insbesondere seit Erlass der provisorischen Waldordnung 1839. Die offensichtlich als Missstand empfundenen Streitigkeiten beschäftigten den Tiroler Landtag; es fanden Verhandlungen „der Tiroler Ständischen Aktivität“ in Wien statt. Die zur Erledigung dieser Streitigkeiten erlassene Entschließung vom 6. Februar 1847 erschien den Zeitgenossen als glänzender Erfolg der vereinten Bemühungen der Bevölkerung Tirols: Das landesfürstliche Forsthoheitsrecht wurde auf die Forste des Ober- und Unter-Inntals sowie einige Forste südlich des Brenners beschränkt; alle übrigen, bisher dem Landesfürsten aus dem Titel des Hoheitsrechtes zugerechneten Forste des Landes wurden den servitutsberechtigten Gemeinden, unbeschadet der Ansprüche Dritter, ins volle Privateigentum abgetreten. In Ansehung jener Gebiete, hinsichtlich derer das landesfürstliche Hoheitsrecht aufrechterhalten blieb („Regalitätsforste“), wurde – soweit die Forste nicht ohnehin aufgrund von landesfürstlichen Verleihurkunden bereits in Privatbesitz standen – die Anerkennung von Ersitzungstatbeständen in Aussicht gestellt. Ferner sollten in den Regalitätsforsten die Servituten und Gnadenholzbezüge der Untertanen, sofern ihnen solche nach den alten Waldordnungen zukamen, soweit nur immer tunlich durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das volle Eigentum der betreffenden berechtigten Gemeinden abgelöst werden.
3. Abgrenzung des Betrachtungsgegenstandes
Dieser Beitrag widmet sich ausschließlich den Eigentumsverhältnissen an Alpen, Forsten und Auen in den ehemaligen Kreisen Oberinntal einschließlich des Lechtales und Unterinntal einschließlich des Wipptales. Das sind jene Teile des heutigen Tirol, für deren Forste das landesfürstliche Regalitätsrecht mit allerhöchster Entschließung vom 6. Februar 1847 ausdrücklich bestätigt wurde, in denen jedoch mit Forsteigentumspurifikation und Forstservitutenablösung zwei Maßnahmen erfolgten, um den unzähligen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu begegnen.
III. Die gesetzlichen Maßnahmen:
Forsteigentumspurifikation und Forstservitutenablösung
1. Zur Behebung der entstandenen Streitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Forsten, Alpen und Auen ordnete der Gesetzgeber des Jahres 1847 mit allerhöchster Entschließung vom 6. Februar 1847 für das Oberinntal (einschließlich des Lechtales) und das Unterinntal (einschließlich des Wipptales), sohin das gesamte Gebiet des heutigen Nordtirol und verschiedene Gebiete Südtirols, in Summe bezeichnet als „Gebiet des landesfürstlichen Hoheitsrechtes über die Wälder Tirols“, Gebiet der „Regalitätsforste“, zwei Maßnahmen an:
a) Sämtliches Privateigentum an Alpen, Auen und Forsten, sei es aufgrund urkundlicher Verleihung an ganze Gemeinden oder einzelne Private, sei es in (anderweitiger) Beurteilung nach den Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes, sollte geprüft und erfasst werden. Soweit urkundliche Verleihung „von seiner Majestät Vorfahren“ nicht erweislich war, erfolgte diese „Purifikation“ der Eigentumsrechte jedoch nur unter der Voraussetzung bereits anhängiger Gerichtsverfahren wider das Ärar oder einer fristgerechten Anmeldung des Eigentumsanspruches bei einer für die Purifikation der Privateigentumsansprüche einzusetzenden Kommission. Sollten sich die behaupteten Eigentumsansprüche nicht bestätigen lassen, war der Antragsteller auf den Rechtsweg zu verweisen.
b) Die Einforstungsrechte der Untertanen sollten reguliert bzw möglichst zum Erlöschen gebracht werden, und zwar in der Form, dass die Forstservituten gegen Übertragung von Teilen der belasteten Grundstücke (vgl § 483 ABGB letzter Satz) in das volle Privateigentum der „Holzbezugsberechtigten“ abzulösen waren.
2. Zur Erledigung dieser Aufgaben wurden zwei temporäre Kommissionen eingesetzt, nämlich die sogenannte Privatforsteigentums-Purifikations-Kommission (FEPK) sowie die Waldservituten-Ausgleichskommission (WSAK, auch Forstservituten-Ausgleichskommission FSAK). Zusammensetzung und Instruierung sowie nähere Bestimmungen zu den Kompetenzen dieser Kommissionen wurden zunächst einer gesonderten Regelung vorbehalten.
3. Als Ergebnis der Tätigkeit der FEPK entstanden bei jedem der historischen Landgerichte Tirols sogenannte Forsteigentums-Purifikations-Tabellen (FEPT); als Ergebnis der Tätigkeit der WSAK entstanden hingegen Vergleichsprotokolle.
4. Die von den beiden Kommissionen erstellten Rechtsakte, also Forsteigentums-Purifikations-Tabellen (FEPT) und Vergleichsprotokolle, stellten Eigentumstitel dar. Im Fall der FEPT hatten sie überwiegend deklarativen Charakter: Aufgabe der Kommission war es, bereits als Privateigentum feststehende Rechtstatsachen zu erfassen und zu bestätigen. Teilweise erfolgte die Anerkennung des Eigentums aber „gnadenhalber“; dann kam der FEPT konstitutive Bedeutung zu. Eine solche, Eigentumsrechte begründende Wirkung hatten auch die Vergleichsurkunden der WSAK. Die Bindung des Eigentums durch öffentliches Forstschutzrecht war freilich bereits damals – nicht anders als heute – selbstverständlich. Der Charakter dieser Rechtsakte als Eigentumstitel wurde später insbesondere durch die praktische Arbeit der Grundbuchanlegungskommissionen in Tirol bestätigt. Im Folgenden wird uns ausschließlich die Tätigkeit der Privatforsteigentums-Purifikations-Kommission beschäftigen.
IV. Rahmenbedingungen der Forsteigentumspurifikation
1. Allgemeines
Die Einzelheiten für die Vorgehensweise der „Kommission zur Purifizierung der Privateigenthums-Ansprüche auf Wälder in jenen Landestheilen oder Forstgebieten Tirols, in welchen das landesfürstliche Forsthoheits-Recht vorbehalten bleibt“, regelte eine Instruktion vom 17. Juni 1847. Demnach (§1 Z 2 Abs 4) hatte die Kommission die Bestimmung, in jenen Forstgebieten Tirols, in welchen das lf. Forsthoheitsrecht als Regel aufrecht verbleibt, namens der obersten Finanzverwaltung das Privatforsteigenthum im außergerichtlichen Wege zu „liquidiren“. Dadurch würde dasselbe „von künftigen aerarischen Ansprüchen enthoben und gesichert und in diesem besonders für das Land Tirol wichtigen Beziehungen den streitigen Differenzen zwischen den Privaten und dem Aerar ein Ziel gesetzt, und für die Zukunft begegnet.“ Als gleichzeitige Folge der Lösung dieser Aufgaben der Kommission würde sich die Erreichung des Zweckes ergeben, „dass auch das dem Staate als Ausfluss des landesfürstlichen Hoheitsrechtes zustehende Forsteigenthum von Besitzansprüchen der Privaten – und zwar auf immerwährende Zeiten – freigestellt wird.“ Mit diesen Sätzen wurde im Wesentlichen das gesamte Programm der Tirolischen Forstregulierung umrissen, nämlich die Trennung der Bereiche privater und öffentlicher Eigentumssphären.
Als Leitsatz für die spezielle Tätigkeit der Privatforst-Eigentums-Purifikations-Kommission (FEPK) gab die Instruktion vom 17. Juni 1847 folgendes vor: „Als Privateigenthum sind, wie sich im Allgemeinen schon von selbst versteht, nur solche Forste anzuerkennen, welche entweder nach den Besitz-Urkunden, oder nach sonstigen Titeln als wirkliches Eigenthum und nicht bloß zur Nutznießung von Privaten besessen worden sind.“ Die Tiroler Privatforst-Eigentums-Purifikation würde also missverstanden, wollte man meinen, mit dieser Maßnahme sei Eigentum an Rechtsträger zugewiesen worden, welche bis zu diesem Zeitpunkt keine Herrschaftsrechte über die betroffenen Liegenschaften ausübten. Von der Maßnahme der Privatforsteigentums-Purifikation waren vielmehr ausschließlich solche Sachverhalte betroffen, in denen natürliche oder moralische Personen sich entweder auf eine „landesfürstliche“ Besitzurkunde oder auf andere, „wirkliches Eigentum“ begründende Titel stützen konnten. Während die landesfürstlichen Besitzurkunden schon nach älterer Rechtslage – ungeachtet der immer wieder angezweifelten Regalitätsrechte des Landesfürsten – staatlich anerkanntes Privateigentum begründeten, war dies für die „sonstigen Titel“ im Hinblick auf die herrschende Auffassung, wonach im Gebiet des landesfürstlichen Forstregals eine Ersitzung ausgeschlossen sei, umstritten. Mit dem Tiroler Forstregulierungspatent 1847 hatte der historische Gesetzgeber sich ausdrücklich bereit erklärt, „in huldvoller Berücksichtigung der im Verlaufe der Zeit eingetretenen Verhältnisse“ die Eigentumsrechte der Bürger an Forsten, Alpen und Auen unter diesem Gesichtspunkt neu zu beurteilen.
Damit ist zugleich das zentrale Anliegen, das die FEPK umzusetzen hatte, beschrieben: Es oblag ihr die Beurteilung von Einzelsachverhalten, welche daraufhin zu überprüfen waren, ob Tatbestände erfüllt wären, welche der Gesetzgeber speziell in dieser Instruktion als Voraussetzung für die Anerkennung von ersessenem privatem Forsteigentum im Gebiet des landesfürstlichen Hoheitsrechtes definiert hatte. Angesichts des historischen Selbstverständnisses des Landesfürsten im Jahr 1847 ist es nachvollziehbar, dass diese Tätigkeit nicht der gewöhnlichen Zivilgerichtsbarkeit überantwortet wurde, sondern einer eigenständigen, temporär eingesetzten Behörde.
2. Materielle Purifikationsgrundsätze
Vor diesem Hintergrund wurden in § 14 der Instruktion vom 17. Juni 1847 elf Tatbestände definiert, bei deren Vorliegen die FEPK das Privateigentum an Alpen, Auen und Forsten festzustellen hätte. Diese Tatbestände wurden wie folgt formuliert:
„a. Waldungen, welche vom Aerar durch Vertrag in das Eigenthum von Privaten oder Gemeinden überlassen, oder die gegen das Aerar auf dem Rechtswege als Privat-Eigenthum behauptet worden sind, und jene über die Verleihbriefe l.f. Hof- oder Landesbehörden ausgefertiget wurden, jedoch Letztere, wie sich von selbst versteht, ausdrücklich nur mit den allfälligen Beschränkungen und nach Maßgabe des Inhaltes der Verleihurkunden und insofern den aus solchen hervorgegangenen Titeln im Verfolge nicht auf irgendeine rechtsgültige Weise derogirt worden wäre.
Es ist gleichgültig, ob die Urkunden über die hier sub a angeführten Cathegorien von Wäldern sich im Besitze der Anspruchsnehmer, oder ob – im Original, in glaubwürdiger Abschrift, im Concepte, oder mittelst Vormerkung ihres Inhaltes – nur zu Handen der Staatsverwaltung befinden. Es ergeht an die kk. Berg- und Salinen-Direction zu Hall unter Einem der Auftrag, ein Inhaltsverzeichniß der bei ihr erliegenden, dießfälligen Urkunden oder Vormerkungen unverweilt anzufertigen, und solches der Purifikationscommission, so wie auf Verlangen auch jede dieser Urkunden selbst, von den allfälligen Vormerkungen aber wörtliche Abschriften zu übergeben.
Bei Waldungen, über welche Verleihbriefe ausgefertiget wurden, hat, der Inn- und Wippthal’schen Waldordnung zufolge, den Landesfürsten bisher in der Regel das Recht zur Verfügung mit den Holzüberschüssen gebührt. Wenn daher für die unbedingte Anmerkung des unbeschränkten Privateigenthumes solcher Wälder nicht noch eine der nachangeführten Bedingungen eintritt, so wird der l.f. Verzicht auf die Holzüberschüsse nach Umständen den Gegenstand des Versuches einer angemessenen Ausgleichung zu bilden haben.
b. Waldungen, und Gehölze, welche auf erwiesenermaßen eigenthümlichen Privatgründen stehen, zu welch Letzteren insbesondere die sogenannten Ötze gehören. Hiebei wird es dem Ermessen der Kommission überlassen, in wie fern Waldungen oder Gehölze, die von eigenthümlichen Privatgründen des Anspruchnehmers entweder ganz eingeschlossen sind, oder sich jedoch zwischen denselben befinden, als Privateigenthum anzuerkennen seien.
c. Waldungen, von denen nachgewiesen wird, daß sie entweder von ihrem jetzigen Besitzer, oder einem seiner Besitzesvorfahren, aus einer Conkurs- oder Executionsmassa an sich gebracht worden waren.
d. Waldungen, die landesfürstliche Lehen, oder die einem landesfürstlichen Urbario, oder auch einem solchen Privaturbar, welches einst landesfürstlich gewesen, und zwar Letzterem bereits seit jener Zeit mit Grundrechten unterworfen sind,
e. vormals gemeinschaftlich genossene, und sohin, unter Authorität der Behörden, an die Gemeindeglieder vertheilte Waldungen, wenn das Theillibell den einzelnen Gemeindegliedern das Eigenthum der zugewiesenen Waldtheile unbedingt einräumt, und von der kk. Berg- und Salinen-Direction bisher noch niemals beanständet worden ist.
f. Waldungen, die in älteren, oder doch über 30 Jahre zurückgehenden Kontrakten, Verlaßenschafts-Abhandlungen, Besitzbriefen, oder anderen, in unbedenklicher Form abgefaßten Urkunden als eigenthümliche, oder als Zugehör eines, irgendwelchem Privaturbario mit Grundrechten unterworfenen Gutes aufgeführt sind, und sogestalt bisher beseßen wurden.
Bei von der Parthei angeführten, und von der Commißion erhobenen Umständen, welche die Beibringung solcher Urkunden ohne Schuld der Erstern unmöglich machen, ist es der Commißion anheimgestellt, unter Erwägung aller Umstände auch neuere Urkunden, und einen kürzeren Besitz als Grundlage der Eigenthums-Anerkennung anzunehmen; doch sind solche Fälle jedenfalls als zweifelhafte zu behandeln, und unter Aufnahme eines Verhandlungsprotokolles zur Schlußfaßung dem Hofkammerpräsidio vorzulegen.
g. Waldungen, welche zur Zeit der tirolischen Steuerbereitung (1770–1780) als Eigenthums- oder grundrechtbare Waldungen fatirt, als solche in den Steuerkataster aufgenommen, und bisher auch als solche versteuert wurden. Im Brixenthale und in dem aus dem Salzburgischen an Tirol gekommenen Theile des Zillerthales, woselbst die Steuerbereitung erst in den Jahren 1810–1812, nach dem k. baierschen Steuerprovisorio gepflogen wurde, ist sich mit dem bloßen Inhalte dieses ursprünglichen Steuerkatasters in Verbindung mit dem Besitzstande nicht zu begnügen, sondern nach den andern vorstehenden Bestimmungen a. bis einschlüßig f. zu benehmen.
h. Waldungen in dem alttirolischen Landestheile, die in den Hausbriefen und andern Besitzurkunden als Eigentums-Waldungen aufgeführt werden, ohne Unterschied des Datums jener Urkunden, wenn alle nachberührten Umstände zusammentreffen:
1. daß sie dermal im Kataster erscheinen, mithin versteuert werden,
2. daß nach den Vormerkungen des Forstamtes, zu welchem sie gehören würden, für aus diesen Wäldern veräussertes Holz niemals ein Forstpreis an das Aerar gezahlt worden ist,
3. daß kein Rauchgroschen (Roichgroschen) bezahlt wird und
4. eine waldämtliche oder berggerichtliche Verleihung nicht vorliegt.
i. Waldungen und sogenannte Oetzen, welche in den Besitzbriefen und im Cataster vorkommen, wenn
1. deren möglicher Ertrag den Haus- und Gutsbedarf nicht übersteigt und
2. in den Waldbereitungen nichts Gegentheiliges vorkömmt.
k. Gemeindewaldungen, welche den Gemeinden bereits seit der ursprünglichen Anlage des Catasters zugeschrieben sind, und deren Ertrag in den Gemeinderechnungen vorkömmt.
Diese elf detailliert definierten Tatbestände, deren alternative (!) Erfüllung die Anerkennung des Privateigentums an Alpen, Auen und Forsten aus historischer Sicht rechtfertigte, in extenso zu analysieren, hat aus heutiger Sicht wenig Sinn. Maßgeblich ist ausschließlich die Tatsache, dass durch diese Tatbestände das Wesen des Eigentumstitels „Forsteigentums-Purifikations-Tabelle“ klargestellt ist: Rechtsträger, deren Eigentum im Zuge der Grundbuchsanlegung auf solche FEPT gestützt wurde, gründen ihr Eigentumsrecht auf Sachverhalte, die bereits aus der Sicht des Jahres 1847 staatlich anerkanntermaßen Privateigentum an Alpen, Auen oder Forsten begründeten – sei es aufgrund schriftlicher Urkunden aus historischer Vergangenheit, sei es aufgrund einer spätestens im Jahr 1847 angenommenen vollendeten Ersitzung des Privateigentums.
3. Die „Anerkennung zweifelhafter Ansprüche“ als Auffangtagbestand
Die Instruktion für die Privatforst-Eigentums-Purifikations-Kommission regelte in § 11 auch ein eigenständiges Verfahren für „zweifelhafte Ansprüche“. Als zweifelhaft wurden all jene Eigentumstitel eingestuft, hinsichtlich derer volle Einstimmigkeit der Kommissionsmitglieder über die Anerkennung (Purifikation) des privaten Forsteigentums nicht zustande kam. Die Kommission hatte im Fall von Zweifeln auch nur eines Mitgliedes an der vollen Erfüllung eines der Tatbestände des § 14 der Instruktion Erhebungen zu tätigen. Sollte danach trotzdem keine einstimmige Entscheidung zu Stande kommen, war unter Vorbehalt der Genehmigung durch das Hofkammerpräsidium ein Abkommen mit der Partei zu suchen, wobei für den Fall, dass die anmeldende Partei eine Gemeinde war, für ein allfälliges Abkommen mit derselben die Genehmigung des Guberniums als Kuratelsbehörde der Gemeinden zu erwirken war.
Als Voraussetzung für die Anerkennung zweifelhafter Ansprüche sollte eine (teilweise) Verzichtleistung der Partei auf ein ihr allenfalls zustehendes Einforstungsrecht in den landesfürstlichen Waldungen als „Ausgleichungs-Moment“ bewirkt werden. Die FEPK hatte in solchen Fällen mit der Forstservituten-Ablösungskommission Kontakt zu pflegen. „Hiebei ist vor Allem die Verzichtleistung der Partei auf ein allfälliges Einforstungsrecht derselben in den landesfürstlichen Waldungen als Ausgleichungs-Moment zu bezwecken, und sich in solchem Falle mit der Forstservituten-Ablösungskommission in das Einvernehmen zu setzen.“ Für den Fall, dass ein solcher Vergleich nicht zustande kam, ordnete die Instruktion die Errichtung eines Protokolls an, das die kurz gefassten Meinungen jedes einzelnen Kommissionsmitgliedes über den Gegenstand zu enthalten hatte. Dieses Protokoll war sodann dem Hofkammerpräsidium zur endgültigen Entscheidung vorzulegen.