Hofrat Dr. Albert Mair (*13. September 1921 in Telfes/Stubai, heute wohnhaft in Mieders) ist gemeinsam mit Altlandeshauptmann Eduard Wallnöfer immer noch Symbolfigur der Tiroler Agrarbehörde. Dies ungeachtet der Tatsache, dass das moderne Agrarrecht in Tirol auf einem Reichsgesetz von Kaiser Franz-Josef aus dem Jahr 1883 gründet und in Tirol schon im Jahre 1909 Einzug gehalten hatte. Nach der Gerichtspraxis trat Albert Mair in den Landesdienst ein. Albert Mair war von Ende des Jahres 1952 bis Dezember 1966 der Agrarbehörde I. Instanz zugeteilt, zuerst als Referent, ab Dezember 1958 bis Dezember 1966 als deren Leiter. Daneben war er Landeshauptmann Eduard Wallnöfer als persönlicher Referent für Land- und Forstwirtschaft zugeteilt. Hofrat Dr. Albert Mair hat eine effiziente Behörde aufgebaut, die in den Zeiten größter Arbeitsbelastung mit mehr als 15 Juristen besetzt war. Zusätzlich leistete er mit der wissenschaftlichen Abhandlung „Probleme der Regulierung des Gemeindegutes“ (1958) Grundlagenarbeit im Agrarrecht. Gemeinsam mit Josef Kühne, Leiter der Agrarbehörde in Bregenz, hat Albert Mair im Jahr 1958 die Agrarbehördenleitertagungen ins Leben gerufen, die seither im zweijährigen Turnus stattfinden. Ein von Albert Mair verantworteter „Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde (Abteilung III 1) für den Zeitraum 1949 bis 1958“ vom Juli 1959 sowie zahlreiche, von Mair selbst verfasste Agrarbehördenbescheide, geben Zeugnis seiner profunden Arbeit. 1967 übernahm er auf Wunsch des damaligen Landeshauptmannes Eduard Wallnöfer die Tätigkeit als leitender Direktor der Landes-Hypothekenbank Tirol.

Hofrat Dr. Albert Mair (*13. September 1921 in Telfes/Stubai, + 28. Mai 2016  in Mieders) ist gemeinsam mit Altlandeshauptmann Eduard Wallnöfer immer noch Symbolfigur der Tiroler Agrarbehörde. Dies ungeachtet der Tatsache, dass das moderne Agrarrecht in Tirol auf einem Reichsgesetz von Kaiser Franz-Josef aus dem Jahr 1883 gründet und in Tirol schon im Jahre 1909 Einzug gehalten hatte. Nach der Gerichtspraxis trat Albert Mair in den Landesdienst ein. Albert Mair war von Ende des Jahres 1952 bis Dezember 1966 der Agrarbehörde I. Instanz zugeteilt, zuerst als Referent, ab Dezember 1958 bis Dezember 1966 als deren Leiter. Daneben war er Landeshauptmann Eduard Wallnöfer als persönlicher Referent für Land- und Forstwirtschaft zugeteilt. Hofrat Dr. Albert Mair hat eine effiziente Behörde aufgebaut, die in den Zeiten größter Arbeitsbelastung mit mehr als 15 Juristen besetzt war. Zusätzlich leistete er mit der wissenschaftlichen Abhandlung „Probleme der Regulierung des Gemeindegutes“ (1958) Grundlagenarbeit im Agrarrecht. Gemeinsam mit Josef Kühne, Leiter der Agrarbehörde in Bregenz, hat Albert Mair im Jahr 1958 die Agrarbehördenleitertagungen ins Leben gerufen, die seither im zweijährigen Turnus stattfinden. Ein von Albert Mair verantworteter „Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde (Abteilung III 1) für den Zeitraum 1949 bis 1958“ vom Juli 1959 sowie zahlreiche, von Mair selbst verfasste Agrarbehördenbescheide, geben Zeugnis seiner profunden Arbeit. 1967 übernahm er auf Wunsch des damaligen Landeshauptmannes Eduard Wallnöfer die Tätigkeit als leitender Direktor der Landes-Hypothekenbank Tirol. Mehr als 17 Jahre stand Dr. Albert Mair an der Spitze dieser Bank, die zu seinem neuen Lebensinhalt wurde.

 

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I. ALLGEMEINES

In den späten Regierungsjahren von Kaiser Franz Joseph hat der Tiroler Landtag für die heimische Wirtschaft große Reformen umgesetzt: Mit gewaltigen Straßen-, Eisenbahn- und Wasserschutzbauprogrammen wurde Tirol verkehrstechnisch erschlossen; ein modernes Grundbuchsystem, das Tiroler Höfe- und Anerbenrecht und die Landeshypothekenbank wurden geschaffen. Drei Landesgesetze des Jahres 1909 brachten das Bodenreformrecht nach Tirol: Ein Alpenschutzgesetz, ein Teilungs- und Regulierungsgesetz sowie ein Zusammenlegungsgesetz, sollten die reformatorische Neugestaltung der Eigentumsverhältnisse an landwirtschaftlich genutztem Grund und Boden erleichtern.

BODENREFORMRECHT IN TIROL

Bereits im Jahr 1883 hatte Kaiser Franz Joseph für alle Länder der Österreichischen Reichshälfte die „drei agrarischen Reichsgesetze“ in Kraft gesetzt. Die Tiroler Umsetzung erfolgte mit 25jähriger Verzögerung. Regelungsgegenstand waren die veralteten Eigentumsstrukturen in der Landwirtschaft, genauso wie das durch die Organe neuen Ortsgemeinden verwaltete Gemeinschaftsgut. Die modernen Gemeindegesetze enthielten Regeln für die Verwaltung von „Gemeindegut“, die perfekt für das historische Gemeinschaftseigentum passten. Als die modernen Gemeindegesetze der Jahre 1863 bis 1866 in Kraft traten wurden zahlreiche Gemeinschaftsliegenschaften als (Schein-)Gemeindegut in eine Gemeindeverwaltung übernommen. Je länger die Umsetzung der agrarischen Reichsgesetze von 1883 in den einzelnen Ländern auf sich warten ließ, desto häufiger etablierte sich eine Gemeindeverwaltung für dieses Gemeinschaftseigentum.
Diese Situation erfuhr in Tirol insofern eine Verschärfung, als führende Tiroler Politiker wie der Langzeit-Landeshauptmann Anton Graf Brandis (Landeshauptmann von 1889 bis 1904), ein ausgewiesener Spezialist für das historische Gemeinderecht, in den Gesetzen für die moderne Ortsgemeinde eine Rechtsgrundlage für die Fortsetzung der historische Markgemeinde, die „Realgemeinde“, gesehen hatten. Im Blick auf das Gemeindewahlrecht der damaligen Zeit, das in der Praxis nur die Bauern nach dem Grundsteuerschlüssel zur Wahl der Gemeindevertretung berufen hat, konnte man damals diesem Trugschluss leicht erliegen. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte Anton Graf Brandis im Jahr 1893 für Tirol die Schaffung eines eigenen „Fraktionengesetzes“ durchgesetzt, der Sache nach eine Rechtsgrundlage für Agrargemeinschaften. Den als „Fraktion“ organisierten Agrargemeinschaftsmitgliedern wurden Mitbestimmungsrechte in der modernen Gemeindeverwaltung eingeräumt wurden. Im Ergebnis wurde die Tendenz, für Agrargemeinschaften eine Gemeindeverwaltung zu etablieren, ganz enorm verstärkt.

Im Zuge der Grundbuchanlegung wurden agrargemeinschaftliche Liegenschaften in Tirol deshalb besonders häufig als ein Gemeindeeigentum registriert. Der damalige Richter am Oberlandesgericht Innsbruck, Stephan Ritter von Falser, lieferte dafür in seiner Abhandlung „Wald und Weide im tirolischen Grundbuch“ (1896) das juristische Fundament. Seiner Auffassung nach hätte Kaiser Ferdinand im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1848 die Wälder und Almen den politischen Gemeinden geschenkt. Beim Oberlandesgericht Innsbruck, im Landesausschuss und in den Grundbuchanlegungskommissionen wurde diese Rechtsauffassung übernommen. Die ungewöhnliche Häufung an materiell unrichtigen Grundbucheintragungen auf „Gemeinde“, die in Tirol bei der Grundbuchanlegung geschaffen wurden, hatte somit mehrere Ursachen.

Im Tätigkeitsbericht der Agrarbehörde für den Zeitraum 1949 bis 1958 fasst Albert Mair die schwierige Aufgabenstellung für die Agrarbehörde in Tirol trefflich zusammen: Die einzigartige, kritische und komplizierte Situation der tirolischen bäuerlichen Nutzungsrechte an „Gemeinde- und Fraktionswäldern“ sei darauf zurück zu führen, dass die Tiroler Forstregulierung aus dem Jahre 1847 im Zuge der Tiroler Grundbuchanlegung völlig falsch verstanden wurde. Gemeinschaftseigentum sei rechtsirrig als Gemeinde- bzw Fraktionseigentum erfasst worden, weil eine kaiserliche Schenkung an die moderne Ortsgemeinde unterstellt wurde. Aufgrund der damals geschaffenen Grundbucheintragungen erachteten zahlreiche Gemeinderepräsentanten rechtsirrig die Ortsgemeinde als wahre Eigentümerin von Almen und Wäldern.

PROBLEM ERKANNT

Albert Mair stellt diese Situation und die Folgen daraus in seiner Abhandlung „Probleme der Regulierung des Gemeindeguts“ (1958) trefflich dar: Die Bereinigung des Jahres 1847 durch das Forstregulierungspatent sei der Sache nach die rechtliche Sanktionierung des Besitzstandes der „Realgemeinden“ gewesen; die im Forstregulierungspatent vom 06.02.1847 erwähnten `Gemeinden´ waren die heutigen Agrargemeinschaften und gerade nicht die modernen politischen Ortsgemeinden, die erst aufgrund des Reichsgemeindegesetzes 1862 geschaffen wurden. Albert Mair: „Die Einverleibung des Realgemeindebesitzes in die politischen Gemeinden erfolgte hauptsächlich mit dem Argument der angeblichen gesetzlichen Universalsukzession der politischen Gemeinde für die einstige Realgemeinde. Von dieser Universalsukzession ist aber in den Gemeindegesetzen mit keinem Wort die Rede.“ Das Gegenteil ist der Fall: Die (Landes-)Gemeindegesetze der Jahre 1863 bis 1886 ordneten ausdrücklich an, dass die Privateigentumsverhältnisse durch die Errichtung der neuen Ortsgemeinde unberührt zu bleiben hätten. Albert Mair: Die Grundbuchanlegung schuf nicht Ordnung und Klarheit; das römisch-rechtlich orientierte, auf dem ABGB aufgebaute Grundbuchsrecht konnte der althergebrachten Unterscheidung zwischen den Besitzverhältnissen am deutschrechtlichen Allmendgut und dem sehr jungen Gemeindevermögen keinerlei Verständnis entgegenbringen. Dem römischen Recht war der Begriff des gemeinschaftlichen Obereigentums, wie es sich in der Realgemeinde darstellt, völlig fremd; ebenso die gemeinsame Nutzungsberechtigung der Teilhaber am Gemeinschaftsgebiet. Dieser Nutzungsanspruch am Allmendgut war keine Servitut an fremdem Grund und Boden, sondern ein Nutzungsanspruch auf eigenem Grund. Das stark individualistisch betonte römische Recht kannte nur Privateigentum oder Miteigentum an Grund und Boden, so dass das ABGB die Rechtsform einer Agrargemeinschaft oder einer agrargemeinschaftlichen Nutzung ebenfalls nicht kennt. Die Grundbuchskommissäre wussten sich mit dem deutschrechtlichen Rechtsinstitut der Realgemeinde keinen Rat und gaben sich meist auch nicht die Mühe einer eingehenden Prüfung der tatsächlichen Rechtsgrundlagen. So kam es, dass im Grundbuch die unterschiedlichsten Eigentumseintragungen für das Gemeinschaftsgut erfolgten, wie z.B. politische Gemeinde, Katastralgemeinde, Fraktion, Nachbarschaft, Interessentschaft und dgl. Bei dieser Vorgangsweise und bei den mangelnden agrarrechtlichen Kenntnissen der Grundbuchkommissäre liegt es auf der Hand, dass die Grundbücher hinsichtlich des Eigentums am Gemeinschaftsbesitz und am Gemeindegut vielfach objektiv völlig unrichtige Eintragungen enthalten.

ENTSCHEIDUNG ÜBER EIGENTUMSVERHÄLTNISSE

Vor diesem Hintergrund war Tiroler Agrarbehörde besonders häufig mit agrargemeinschaftlichen Liegenschaften konfrontiert, die als „Schein-Gemeindegut“ einer Ortsgemeinde im Grundbuch ausgewiesen waren. Dies wesentlich häufiger als die Agrarbehörden anderer Bundesländer. Im Bescheid vom 12.12.1962 III B1-1768/9 (Einleitung des Regulierungsverfahrens für Agrargemeinschaft Fügen-Fügenberg) wurde Albert Mair gerade in dieser Hinsicht überaus deutlich:

„In diesem Zusammenhang scheint im Interesse der Information der am Regulierungsverfahren Beteiligten eine kurze Darlegung der geschichtlichen Entwicklung des Gemeindegutes von Nöten, womit der Nachweis erbracht wird, dass den Gemeinden, die bislang die Stellung einer treuhändischen Verwaltung des [Schein-]Gemeindegutes zur Sicherung der Nutzungsansprüche der Beteiligten hatten, nicht entzogen wird, was sie bisher unbeschränkt in ihrem Eigentum besessen hätten. Nach Erlass XXXVI `Regulierung der Tiroler Forstangelegenheiten´, kundgemacht in der Provinzialgesetzessammlung für Tirol und Vorarlberg vom Jahr 1847, Seite 253, wurde bewilligt, dass die künftig den Untertanen vorbehaltenen, in den landesfürstlichen Staatswaldungen zustehenden Holzbezugsrechte durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forstteile in das Eigentum der betreffenden Gemeinden, denen sie angehören, abgelöst werden. Hierbei ist von Bedeutung, dass sich der heutige Gemeindebegriff von dem damaligen wesentlich unterscheidet. Die Gemeinden, die im Jahre 1847 noch nicht körperschaftlich eingerichtet waren, wurden als Wirtschaftsgemeinden, als die Gesamtheit der Nutzungsberechtigten verstanden. Man wollte durch die Abtretung der landesfürstlichen Wälder an diese Gesamtheit den Bestand großer Waldkomplexe sichern, Aufsplitterung auf die einzelnen Berechtigten vermeiden, die Lawine der Gerichtsprozesse zwischen Eingeforsteten und dem Landesfürsten mindern und dem Fürsten die Grundsteuer für die übertragenden Waldkomplexe sichern. […] Aus diesem Grund bestand weder die Möglichkeit noch die Absicht […] das Waldeigentum einer damals rechtlich noch gar nicht bestehenden, mit der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten nicht identischen politischen Gemeinde geschenksweise zu überlassen.“

Weil das Agrarrecht vom Agrarjuristen eine Entscheidung darüber verlangt, wer der wahre Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft ist, entstand im Blick auf die Ausgangslage in Tirol besonders häufig der Eindruck, dass einer Gemeinde im Zuge der Regulierung oder Teilung ein Eigentum genommen worden sei. Tatsächlich lag in solchen Fällen ein bloßes „Schein-Gemeindegut“ vor, das bis zur Abwicklung der agrarischen Operation in Gemeindeverwaltung stand.

DAS REGULIERUNGSVERFAHREN

Die so genannte „agrarische Operation“, auch „Bodenreform“ genannt, ist ein Rechtsgebiet, das die verbessernde Gestaltung der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse am land- und forstwirtschaftlichem Boden bezweckt. Die bekannteste Verfahrensart ist das Zusammenlegungsverfahren, in welchem das in der Dorfflur versprengt gelegene Eigentum verschiedener Hofbesitzer zusammengelegt und neu aufgeteilt wird. Für den unverteilten Boden gibt es das Teilungsverfahren, in dem Gemeinschaftseigentum aufgeteilt wird und das „Regulierungsverfahren“, das auf die effiziente Organisation verbleibenden Gemeinschaftseigentums abzielt, indem die Agrargemeinschaft organisiert wird. Die Entscheidungsbefugnis der Agrarbehörde erstreckt sich dabei insbesondere auch auf „Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken“. Es ist rechtskräftig zu klären, wer Eigentümer des agrargemeinschaftlichen Grundstücks ist. Bei der Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse entscheidet die Agrarbehörde wie ein Gericht über Ersitzung und andere Erwerbsvorgänge. Wenn die Agrarbehörde einen Eigentümer feststellt und wenn diese Feststellung rechtskräftig wird, dann ist der Betreffende Eigentümer im Rechtssinn.

Durch den agrarbehördlichen Regulierungsakt wird einer bis zur Regulierung typischerweise unorganisierten Gemeinschaft von „Teilgenossen“ die Erscheinungsform als „körperschaftlich eingerichtete Agrargemeinschaft“ gegeben. Die Errichtung einer Agrargemeinschaft umfasst die Regelung aller wesentlichen Bereiche dieses speziellen Wirtschaftskörpers, ausgehend von den agrargemeinschaftlichen Liegenschaften (dem „Regulierungsgebiet“), den anteilberechtigten Stammsitzliegenschaften (bzw. den Teilgenossen) und dem Umfang der Anteilsrechte sowie den Vorschriften über die Verwaltung der jeweiligen Gemeinschaft. Entsprechend der äußerst komplexen Aufgabenstellung sind in einem solchen Verfahren verschiedene Abschnitte zu unterscheiden, welche von der Agrarbehörde jeweils mit gesondertem Bescheid bewältigt werden können (stufenweiser Verfahrensaufbau): Verfahrenseinleitung hinsichtlich bestimmter Liegenschaften, Feststellung des konkreten Umfanges „des Regulierungsgebietes“, Feststellung der Teilgenossen (= Parteien), Feststellung ihrer Anteilsrechte an der einzurichtenden Agrargemeinschaft, Feststellung der Eigentumsverhältnisse an den einbezogenen Liegenschaften, körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft durch Satzungsverleihung. Anders als die kaufmännischen Rechtsträger des Unternehmerrechts, Aktiengesellschaft, GesmbH usw, erfolgt die Errichtung der juristischen Person „Agrargemeinschaft“ nicht durch einen Notariatsakt, sondern durch Bescheid der Agrarbehörde.

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Zusammenfassung:

Ein wesentlicher Teil der Tätigkeit der Agrarbehörde war es darüber zu entscheiden, wer der wahre Eigentümer einer agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaft war und ist.

Insoweit Liegenschaften im Grundbuch irrig einer Gemeinde als Eigentum zugeschrieben waren, handelte es sich um ein bloßes Schein-Gemeindegut; die Behandlung einer solchen Liegenschaft als Gemeindegut gründete auf einem Irrtum bei der Grundbuchanlegung. Das Schein-Gemeindegut war in Wahrheit Eigentum einer Agrargemeinschaft.

Die Agrarbehörde hat nach Möglichkeit im Konsens mit allen Beteiligten entschieden. Deshalb gingen den meisten Agrarbehördenbescheiden „Parteien-Übereinkommen“ voraus; in der Folge hat die Behörde den erzielten Konsens in Bescheidform umgesetzt und das Grundbuch im Sinn des Konsenses richtig gestellt.

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II. Was hat die Agrarbehörde „qualifiziert“?

Als der Staat seine unterste Ebene, die Gemeinde, gesetzlich geregelt hat, übernahmen die politischen Gemeindegesetze die Bezeichnungen der uralten Nachbarschaften und die gewohnte Terminologie zum Vermögensrecht derselben. Dies geschah in der Praxis ohne vorherige Klärung, dass das alte Nachbarschaftsvermögen und das Eigentum der neuen politischen Ortsgemeinden nicht ein und dasselbe seien. Dadurch wurden nicht nur Unterscheidungsschwierigkeiten ausgelöst; es wurde eine Entwicklung verstärkt, welche dazu führte, dass die Wirtschaftsgemeinde nach bürgerlichem Recht als eigenständiger Rechtsträger bei ihren Mitgliedern teilweise in Vergessenheit geriet und deren Vermögen der neuen politischen Ortsgemeinde zugerechnet wurde. Walter Schiff, ein Wiener Agrarökonom, dazu im Jahr 1898: Nun war aber in den Grundbüchern bald ‚die Gemeinde’ zu Eigentum eingetragen, bald ‚die Bauernschaft’, die ‚Nachbarschaft’, die ‚Bauern’, die ‚Rustikalisten’ oder ‚die jeweiligen Besitzer der Bauernhöfe’. Vor dem Jahr 1849 waren dies alles Synonyma für die `Realgemeinde´ gewesen. „Die Verschiedenheit der unter dem gleichen Namen ‚Gemeinde’ begriffenen Personen vor und nach dem Jahr 1849 blieb unbeachtet und die Eintragung unverändert.“

 

NACHBARSCHAFTS- UND GEMEINDEVERMÖGEN

Dr. Josef Kopp, Mitglied der NÖ Landesregierung, hatte im Auftrag des NÖ Landtages in den 1870er Jahren mehrjährigen Erhebungen in den Gemeinden Niederösterreichs durchgeführt. In seinem Bericht an den NÖ Landtag aus dem Jahr 1878 fand er einprägsame Worte: „Die alte Organisation der Nachbarschaft ist zertrümmert. Zu einer Zeit entstanden, da Privatrecht und öffentliches Recht noch nicht so begrifflich geschieden waren wie heute, verlor sie im modernen Staate den öffentlichen Charakter, ohne dass man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten. Die `Gemeinde´ erschien in allen Urkunden als Eigentümerin und so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne dass letztere gestorben wäre.“ Karl Peyrer als Ministerialrat im Ackerbauministerium mit den Verhältnissen in der Praxis bestens vertraut, hat im Jahr 1877 aus diesem Zuständen den Schluss gezogen, dass die bloße Bezeichnung einer Liegenschaft als „Gemeindegut“ genügt hätte, um ein Genossenschaftsvermögen ganz der politischen Gemeinde zuzuordnen. Die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften wurde somit regelmäßig in den Organen der politischen Gemeinde vollzogen, die schon aufgrund des Wahlrechts von den Stammliegenschaftsbesitzern dominiert war (praktisch waren nur Grundbesitzer wahlberechtigt). Die nötige Unterscheidung zwischen dem öffentlichen Zwecken gewidmetem Eigentum und demjenigen Eigentum, welches dem wirtschaftlichen Fortkommen der Stammliegenschaften gewidmet war, wurde typischer Weise nicht gezogen. Die Besitzer von Grund und Boden, die Eigentümer der Stammsitze, identifizierten sich „Gemeinde“. Man verstand nicht, dass an dem der Gemeindeöffentlichkeit gewidmeten Vermögen (zB Schule und Armenhaus) andere Rechtsverhältnisse bestehen, als an demjenigen Vermögen, welches dem wirtschaftlichen Fortkommen der Stammsitzliegenschaften gewidmet war.

In Böhmen motivierten andere soziale Verhältnisse sehr früh das Aufkommen des Streits um die Gemeindegründe. Durch die Grundentlastung waren große Bevölkerungsgruppen zu Grundeigentümern geworden, die nach altem Recht in persönlicher Abhängigkeit Grund und Boden der Feudalherren bearbeitet hatten. Diese erlangten als neue Grundeigentümer ein Wahlrecht zur politischen Gemeindevertretung und forderten Mitbeteiligung an den „Gemeindeliegenschaften“. Karl Cizek berichtet in einer Streitschrift aus dem Jahr 1879 von Praktiken im Kronland Böhmen, wonach die Mitglieder der alten Gemeinde die Errichtung der neuen politischen Ortsgemeinde zum Anlass genommen hätten, die neue politische Ortsgemeinde auf Anerkennung des Eigentumsrechtes an den „Gemeindegründen“ zu Gunsten der Mitglieder der „alten Agrargemeinde“ beim Zivilgericht zu verklagen. Dies wegen dieser neuen Gemeindeglieder. Die Glieder der Altgemeinde, in Böhmen „Rustikalisten“ genannt, haben das Eigentumsrecht aufgrund Ersitzung für sich in Anspruch genommen und wurden vor Gericht als wahre Eigentümer anerkannt.  Die neuen politischen Gemeinden haben sämtliche Rechtsstreitigkeiten verloren. Die „Rustikalisten“ haben in der Folge die als ihr Privatrecht erstrittenen „Gemeindegründe“ unter sich aufgeteilt. Beschwerden gegen diese Praxis und gegen derartige Urteile bei den politischen Behörden blieben erfolglos.

 

DER STREIT UM DIE GEMEINDEGRÜNDE

Diese Episode „böhmischer Gemeindewirtschaft“ fand sogar in den Debatten der Abgeordneten des Jahres 1883 ihren Niederschlag: So schilderte der Abgeordnete Dr. Johannes Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, folgende Begebenheiten: „Kurz vor Eröffnung dieses Sessionsabschnittes habe ich als Kurator einer Gemeinde – ich muss sagen als wirklich zu beklagender Kurator – derartigen gerichtlichen Einvernahmen beigewohnt und was ist dabei konstatiert worden? Alle Gedenkmänner haben gesagt, die Besitzer von Nr. 1 bis Nr. 10 haben diese Gemeindegründe besessen, benutzt, verwaltet und sich den Nutzen zugeeignet, die anderen in der Gemeinde lebenden Insassen haben darauf keinen Anspruch. Nun ist es wohl voraussichtlich, welchen Erfolg ich eben als Kurator in dem Prozess haben werde. Das Schicksal des Prozesses ist bereits im Vorhinein entschieden und so, meine Herren, geht es in sehr vielen, ja in den meisten Fällen.“

Auch in Niederösterreich stellten sich bald nach Einrichtung der neuen politischen Ortsgemeinden Streitigkeiten ein, welche den Abgeordneten Dr. Josef Kopp, ebenfalls Mitglied des Commassionsausschusses, am 22. Februar 1883 im Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, zu folgender Äußerung veranlassen: „Die Verwirrung und der Streit haben bereits eine ganz unerträgliche Höhe erreicht; […] kurz es ist eine geordnete Gemeindewirtschaft bei den bisherigen Zuständen gar nicht möglich. […] Denn selbst wenn man […] sich im Landesausschuss bemüht eine halbwegs erträgliche und befriedigende Ordnung herzustellen, so tritt uns eines immer störend entgegen, dass nämlich die Ingerenz der Gerichte in keiner Wiese ausgeschlossen ist, so dass derjenige, welcher mit dem Zustande nicht zufrieden ist, sich an die Gerichte wendet, die dann lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über gemeinsames Eigentum und nach dem hier sehr ominösen Bestimmungen über die Verjährung und Ersitzung entscheiden, ohne im Entferntesten bei dem besten Willen nur die realen Verhältnisse verstehen und berücksichtigen zu können, und ohne insbesondere die wirtschaftlichen Rücksichten irgendwie walten lassen zu dürfen. So kreuzen sich denn in den Gemeinden ältere Verordnungen und Entscheidungen der Landesbehörden, neuere Beschlüsse der Gemeinden, faktische Zustände, Entscheidungen des Landesausschusses und verschiedene gerichtliche Entscheidungen, kurz es wird ein Chaos geschaffen. Diesem Chaos soll hier ein Ende gemacht werden“. Als Gegenmittel forderte Josef Kopp namens der Niederösterreichischen Bevölkerung die Verabschiedung eines Gesetzes. Gemeint war das Reichsrahmengesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte (TRRG 1883), RGBl 1883/94 vom 7.6.1883, die Grundlage aller Flurverfassungs-Landesgesetze der heutigen Bundesländer.

Das Reichsrahmengesetz betreffend die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke (TRRG 1883), RGBl 1883/94 vom 7.6.1883, wollte einem dringenden Bedürfnis in diversen Kronländern entgegen kommen, die Rechtsverhältnisse an Vermögenschaften, zu klären, welche aus der „alten Agrargemeinde“ stammten. So heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zum „Gesetzesentwurf betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse“ ausdrücklich, dass die Bestimmungen des § 1 Z 2 des Entwurfes diejenigen Grundstücke zum Gegenstande haben, welche als Gemeindegut oder als Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben. Entsprechend dem Rechtsverständnis des historischen Gesetzgebers hätten sich demnach die „Überreste der alten Agrargemeinde“ unter den Bezeichnungen „Gemeindegut“ oder „Gemeingut“ bei mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnissen innerhalb der modernen (politischen Orts-)Gemeinde erhalten und gelte es nun, diese Rechtsverhältnisse einer Regelung zuzuführen.

DAS TEILUNGS- REGULIERUNGS- REICHSGESETZ

Gegenstand dieses Gesetzes von 1883 sollte nicht nur behauptetes Nachbarschaftsgut sein, sondern gerade und insbesondere behauptetes Gemeindeeigentum, das „Gemeindegut“, was eine Minderheit von Abgeordneten nicht akzeptieren wollte. Die Mehrheit der Abgeordneten hat jedoch geradezu vehement gefordert, dass die neuen Agrarbehörden gerade und insbesondere die Rechtsverhältnisse am „Gemeindegut“ klären und entscheiden müssten. Dazu der Berichterstatter des Commassionsausschusses Johannes Zak: „Wenn wir es bei der bisherigen Judikatur der politischen oder der Gerichtsbehörden bewenden lassen, werden wir hier in diese verworrenen Verhältnisse niemals eine Ordnung bringen. Es muss bezüglich dieser Sachen einmal tabula rasa gemacht werden, und es ist hoch an der Zeit, solche Sachen, welche nur den Zwist in den Gemeinden nähren, sobald als möglich aus der Welt zu schaffen.“ Noch deutlicher wurde der Abgeordnete Dr. Josef Kopp: „Man will jenes Gut, welches der Gemeinde oder einer Fraktion der Gemeinde gehört, an welchem alle oder einzelne Mitglieder dieser Gemeinde oder Fraktion gewisse Nutzungsrechte haben, aus dem Gesetz ausscheiden? Wenn sie das tun wollen, scheiden sie lieber gleich das ganze Gesetz aus. Den da liegt ja eben die Quelle dieser unlösbaren Wirrnisse und Streitigkeiten […] Wollen sie also, dass das Gesetz Wirksamkeit habe, so müssen sie es gerade auf diese Grundstücke anwenden, welche als Gemeindegut bezeichnet werden, denn sonst ist es in der Tat zwecklos.“ Der historische Gesetzgeber hat sohin die (politisch) gemeinderechtlichen Regelungen für unzulänglich erachtet, um die Rechtsverhältnisse am Vermögen der „alten Agrargemeinden“ rechtskräftig zu entscheiden. Das Abgeordnetenhaus des Österreichischen Reichsrates beschloss das TRRG 1883 nach einer durchaus emotionalen Debatte am 22. Februar 1883 in der vom Commassionsausschuss vorgelegten Fassung. Ausdrücklich hatte der Ausschuss in seinem Bericht an das Abgeordnetenhaus klar gestellt, dass es bei dieser Tätigkeit der Agrarbehörde „nicht sosehr um die Auseinandersetzung unter den Genossen selbst, als vielmehr um die Auseinandersetzung zwischen den Genossen einerseits, und den Gemeinden als solchen andererseits“ gehe. Kurz: Mit dem TRRG 1883 sollte in Form eines Reichsrahmengesetzes die Grundlage dafür geschaffen werden, dass die Landesgesetzgebung eine Behörde einrichten konnte, welche in umfassender Weise alle Rechtsverhältnisse am historischen Vermögen der „alten Wirtschaftsgemeinden“ klären und rechtskräftig entscheiden, insbesondere über das Eigentum an diesen Vermögenschaften und deren Verwaltung absprechen sollte.

Das TRRG 1883 überließ es ausdrücklich den jeweiligen Landtagen für das betreffende Kronland ein Ausführungsgesetz zu schaffen. Während Mähren, Kärnten, Niederösterreich, Krain und Schlesien noch im Zeitraum 1884 – 1887 entsprechende Ausführungsgesetze erließen, sah man in Tirol hierfür bis zum Jahr 1909 keinen entsprechenden Anlass. Jene Konflikte innerhalb der neuen politischen Ortsgemeinde, welche in den Debattenbeiträgen im Abgeordnetenhaus des Österreichischen Reichsrates am 22. Februar 1883 beispielsweise für die Niederösterreichischen Gemeinden geschildert werden, waren in Tirol politisch bedeutungslos, genauso wie gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den „Altberechtigten“ und der neuen politischen Gemeinde, wie sie in Böhmen in den 1860er und 1870er Jahren gang und gäbe waren. Der Hintergrund für diese Konflikte ist leicht nachvollziehbar: Die Grundentlastung hatte die auf Großgrundbesitz angesiedelte Bauernschaft zu Eigentümern von Grund und Boden gemacht, wodurch diese den neuen Status als Steuerzahler und damit als wahlberechtigte Gemeindeglieder erlangten. Diesen neuen Gliedern der politischen Ortsgemeinde standen Mitglieder der alten Gemeinden gegenüber, welche bis zu diesem Zeitpunkt unter Ausschluss der auf Herrschaftsgütern angesiedelten Bauernschaft als „alte Agrargemeinde“ organisiert waren. Bis zu den Reformen der Jahre 1848ff waren die Dominicalgüter, das heißt der adelige Großgrundbesitz samt der dort angesiedelten abhängigen Bauernschaft, nicht Teil der „alten Gemeinde“. Die Entstehung einer zahlenmäßig starken neuen Mitgliedergruppe hatte in den betroffenen Gebieten das verständliche Bedürfnis der Altberechtigten geweckt, den Gemeinschaftsbesitz für sich abzugrenzen. Schließlich hatte die auf den Herrschaftsgütern (Dominicalgütern) angesiedelte Bauernschaft daran nie teilgenommen.

 

TIROL WAR ANDERS

 Die Tiroler Verhältnisse unterschieden sich von denjenigen in Böhmen oder Niederösterreich. Vereinfacht ausgedrückt muss man sich sämtliche Tiroler Landgemeinden als „Adelsgut“ des Landesfürsten vorstellen, der aus der Sicht des Jahres 1883 bereits seit Jahrhunderten im fernen Wien ansässig war. Die Tiroler Landesfürsten hatten über Jahrhunderte in Tirol ihre wesentlichen Einnahmen aus den Bergwerken und der Saline bezogen; zur Sicherung dieses Reichtums hatte man einflussreiche Hochadelsgeschlechter als mögliche Konkurrenten um die Landesherrschaft frühzeitig verdrängt. Der Bauernschaft wurde unter dem Gedanken eines „Gleichgewichtes der Macht“ – neben dem Adel, der hohen Geistlichkeit und den Bürgern die Landstandschaft zugestanden. In Ermangelung großer Adelsgüter mit einer dort lebenden, außerhalb der Gemeinde stehenden Bevölkerung mit landwirtschaftlichem Hintergrund sind Konflikte wie in Niederösterreich oder Böhmen in Tirol erst gar nicht entstanden. Die nicht landwirtschaftlich orientierten Gemeindeglieder hatten sich mit ihrer Nichtbeteiligung an den Gemeinschaftsliegenschaften der Bauernschaft abgefunden; anderenfalls hätte man beispielsweise 1956 in Lermoos nicht feststellen können, dass die „alte Wagnerwerkstätte“, welche 1799(!) errichtet worden war, nie mit einem Holzbezugsrecht aus dem „Gemeindewald“ ausgestattet gewesen war. In Ermangelung neuer Mitglieder in der Gemeinde, welche der angestammten Bauernschaft die Benützung der Gemeinschaftsliegenschaften streitig gemacht hätten, wurden die Gemeinschaftsliegenschaften – unberührt von den Vorgängen im Osten des heutigen österreichischen Bundesgebiets – „innerhalb der Gemeinde“ verwaltet wie in den Jahrhunderten zuvor. Ausnahme wie in Igls, wo sich in den 1880er Jahren eine „Waldinteressentschaft“ konstituierte, deren Statuten eine oberbehördliche Sanktion erfahren hatten, bestätigen die Regel.

Am 19. Juni 1909 wurde – 23(!) Jahre nach Erlassung des Reichsrahmengesetzes TRRG 1883 – das Tiroler „Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte“ (Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz, TRLG) verabschiedet. Bezeichnend ist, dass nicht etwa eine Initiative des Tiroler Landtages Anlass dafür war. Vielmehr hatte der landwirtschaftliche Ausschuss des Abgeordnetenhaus in Wien im Jahr 1908 die Regierung aufgefordert, die Gesetzesvorlagen über agrarische Operationen in jenen Ländern, in welchen dieselben noch nicht eingeführt waren, den Landtagen zu unterbreiten. Wesentliche Konflikte wegen des gemeinschaftlichen Privatbesitzes der Stammliegenschaftsbesitzer waren in den Tiroler Gemeinden nach wie vor nicht zu Tage getreten. Die Stammliegenschaftsbesitzer, welche die politischen Landgemeinden vollständig dominierten, hatten in der Regel ihren gemeinschaftlichen Privatbesitz in bester Eintracht gemeinsam mit dem öffentlichen Eigentum der politischen Gemeinde den Grundbuchanlegungskommissionen zur Registrierung gemeldet. Ein besonderes Erfordernis, gemeinschaftlichen Privatbesitz von öffentlichem Eigentum zu unterscheiden, wurde in der Regel nicht erkannt.

Bemerkenswert ist, dass weder im Bericht des Agrarausschusses, noch in den Debattenbeiträgen der Abgeordneten im Tiroler Landtag vom 29. Oktober 1908 näher darauf eingegangen wird, dass die neu einzurichtenden „Agrarkommissariate“ auch die Aufgabe haben würden, historisches Eigentum der alten Agrargemeinden vom Eigentum der politischen Ortsgemeinden abzugrenzen. Nur am Rande erwähnt der Ausschussbericht, dass auch das einer gemeinschaftlichen Benützung nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 9. Jänner 1866 unterliegende Gemeindegut einer Regelung bedürftig sei. Die Regulierung von Gemeinschaftseigentum war im Jahr 1908 in Tirol vor allem im Blick auf die Almliegenschaften ein Thema: Deren Zustand wurde beklagt und eine Regelung der Verwaltung derselben als besonders vordringlich bezeichnet.Der Ausschussbericht präsentierte auch statistische Daten zu den Gemeinschaftsliegenschaften, welche allerdings ausdrücklich als ungenau deklariert wurden, weil die Rechtsverhältnisse an den Gemeinschaftsliegenschaften als unsicher erkannt waren. Der Ausschussbericht dazu: „Durch das Teilungsregulierungslandesgesetz wird zweifelsohne eine große Anzahl von Agrargemeinschaften aufgedeckt werden, welche bisher selbst von den hiebei Beanteiligten nicht als solche Rechtsgebilde erkannt worden sind.“

 

SONDERBEHÖRDEN FÜR BODENREFORM

 Die Durchführung der drei „agrarischen Reichsrahmengesetze 1883“ wurde von Anfang an besonderen Behörden übertragen. Die bisherige Kompetenz der Zivilgerichte hatte endlose Prozesse zur Folge. Und die Zivilgerichte hatten nicht das gesetzliche Instrumentarium, die über Jahrhunderte gewachsenen Besitzstrukturen einer sinnvollen „reformatorischen Neugestaltung“ zu unterziehen. Als neue Behörden wurden ursprünglich in I. Instanz „Lokalkommissäre“, in zweiter Instanz „Landeskommissionen“ und in oberster Instanz eine „Ministerialkommission“ für agrarische Operationen eingerichtet, die organisatorisch mit den politischen Landesbehörden (Statthalterei bzw Landesregierung) und dem Ackerbauministerium verbunden waren.

Die neuen Sonderbehörden sollten auf Grund ihrer besonderen Organisationsstruktur Kenntnis der lokalen und regionalen Besonderheiten mit rechtlicher und fachlicher Sachkunde, aber auch Entscheidungsautorität einer „politischen Behörde“ verbinden. Den Entscheidungen („Erkenntnissen“) dieser Behörden und den von ihnen genehmigten Vergleichen kam die Rechtswirkungen richterlicher Erkenntnisse bzw Vergleiche zu, die unmittelbar vollstreckbar waren. Von allem Anfang an sollte sich die Entscheidungsbefugnis dieser neuen Behörden auch auf die zivilrechtlichen Feststellungen und Entscheidungen in Eigentumsfragen der agrargemeinschaftlichen Grundstücke beziehen, die die außerhalb der Verfahren der Bodenreform in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit fielen.

Schon vor dem Inkrafttreten der Bundesverfassung wurde die Organisation der Agrarbehörden im Jahr 1920 neu geordnet. An die Stelle der „beeideten Lokalkommissäre“ traten „Agrarbezirksbehörden“, in den Ländern wurden „Agrarlandesbehörden“ und in Wien die „Agraroberbehörde“ beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft eingerichtet. Durch ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1925 wurde diese Organisation nochmals angepasst: In erster Instanz wurde eine monokratisch organisierte Agrarbezirksbehörde als Sonder-Landesbehörde eingerichtet, soweit die Landesgesetzgebung nicht von der Einrichtung eigener Agrarbezirksbehörden absieht und ihre Aufgaben dem Amt der Landesregierung zuweist.

 

DIE RECHTSENTWICKLUNG IN DER REPUBLIK

Während der deutschen Besetzung traten an die Stelle der österreichischen Vorschriften die Bestimmungen einer Verordnung vom 16.2.1940. 1945 (Rechts-Überleitungsgesetzes) wurden die ehemaligen österreichischen Vorschriften neuerlich in Geltung gesetzt. In der Fassung der Novelle BGBl 1947/179 wurden sie als „Agrarbehördengesetz 1950“, BGBl 1951/1 wiederverlautbart und standen als solche bis zum 1.1.2014 in Geltung. Die Einrichtungsvorschriften der republikanischen Verwaltungsorganisation hielten an der oben dargestellten kommissionellen Behördenstruktur mit quasi-richterlichen Unabhängigkeit der Senate fest, wie sie seit 1883 die Agrarbehörden auf Landesebene und bei der Zentralbehörde kennzeichnete. Das war schon deshalb erforderlich, weil sich weder am sachlichen Wirkungsbereich der „Bodenreform“ noch an der Kombination von zivilrechtlicher und verwaltungsbehördlicher Entscheidungsbefugnis – unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges – der Agrarbehörden irgendetwas änderte.

Unbestreitbar erfasste diese umfassende Entscheidungsbefugnis der Agrarbehörden seit den oben angeführten Reichsrahmengesetzen von 1883 unverändert bis heute als Kernkompetenz die Eigentumsfeststellung an agrargemeinschaftlichen Grundstücken sowohl bei Agrargemeinschaften im privaten Eigentum als auch beim Gemeindegut im behaupteten oder tatsächlichen Eigentum der Gemeinde. Die Republik übernahm nicht nur weitgehend die besondere Organisation der Agrarbehörden aus der Zeit der Monarchie, sondern auch den materiellen Rechtsbestand und die besondere Type der Kompetenzverteilung („Rahmengesetze“) der Reformgesetze von 1883.

Anders als in der Monarchie wurde in der Bundesverfassung eine eigene Kompetenztype der „Grundsatzgesetzgebung“ geschaffen, die mit der Landesvollziehung verbunden wurde. Um die bisherige besondere Organisation in gerichtsartigen Senaten, die Oberinstanz des Obersten Agrarsenates als Bundesbehörde und die weitgehende Organisationshoheit des Bundesgesetzgebers mit der Landesvollziehung zu vereinbaren, musste eine eigene Sonderverfassungsnorm für die Organisation der Vollziehung des Bodenreformrechtes in die Bundesverfassung aufgenommen werden. Wie oben angeführt, hängt die besondere Organisationsform der Agrarbehörden, vor allem ihre Gliederung in Senate und den Obersten Agrarsenat untrennbar mit der umfassenden Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden – an Stelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit – in zivilrechtlichen Fragen der Bodenreform zusammen.

In einem grundlegenden Kompetenz-Feststellungserkenntnis gemäß Art 138 Abs 2 B-VG aus dem Jahr 1931 hat der VfGH diesen komplexen Kompetenztatbestand rechtssystematisch wie folgt formuliert: „Alle Aktionen auf dem Gebiet der Landeskultur, die die gegebenen Bodenbesitz-, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse den geänderten sozialen oder wirtschaftlichen Anschauungen oder Bedürfnissen entsprechend einer planmäßigen Neuordnung oder Regulierung unterziehen wollen, sofern sie nicht unter Art 10 B‑VG fallen.“ Diese Reichsrahmengesetze ermächtigen aber – wie oben dargelegt wurde – die Agrarbehörden zweifellos dazu, zivilrechtliche Fragen der Eigentums- und Rechtsverhältnisse im Rahmen der ihnen übertragenen Wirkungsbereiche der Bodenreform festzustellen und planmäßig neu zu ordnen.Diese zivilrechtliche Kognitionsbefugnis der Agrarbehörden bildet daher noch heute einen Kernbereich der – zwischen Bund und Ländern geteilten – Kompetenz „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ gemäß Art 12 Abs 1 Z 3 und Abs 2 B-VG. Sowohl die landesgesetzlichen Ausführungsvorschriften zum Flurverfassungsrecht als auch die Vollziehung dieser Vorschriften durch die Landes-Agrarbehörden sind an diese bundesverfassungsrechtlich vorgegebene Kompetenz der Agrarbehörden gebunden.

 

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MP