Die aktuelle Judikatur, die den Begriff „Gemeindegut“ zwingend als Eigentum einer Ortsgemeinde erfassen möchte, beruht nur zum Teil auf der verfehlten Prämisse, dass eine generelle Rechtsnachfolge der modernen Ortsgemeinden in das Eigentum der älteren Gemeindestrukturen, der „Nachbarschaften“, stattgefunden hätte. (VfSlg 9336/1982 Punkt I. Z 3 der Entscheidungsbegründung)

Zusätzlich wurde im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 aus dem Gemeinderecht selbst abgeleitet, dass „Gemeindegut“ ausschließlich Eigentum der Ortsgemeinde bedeute. (VfSlg 9336/1982 Punkt III. 1. Abs 4)  Weil der flurverfassungsrechtliche Gemeindegutsbegriff beim Gemeindegut iS des Gemeinderechts anknüpfe, das Flurverfassungsrecht mit dem Begriff „Gemeindegut“ jedoch Eigentum einer Agrargemeinschaft erfasse, gelangte das Erkenntnis zur Schlussfolgerung, dass das Flurverfassungsrecht Gemeindeeigentum undifferenziert als Eigentum einer Agrargemeinschaft behandle. Dies wäre gleichheitswidrig. (VfSlg 9336/1982 Punkt III. 2 der Entscheidungsbegründung)

Tatsächlich hat der historische Gesetzgeber des Jahres 1883 unzweideutig klar gestellt, dass die im Zeitraum 1864 bis 1866 geschaffenen Landes-Gemeindegesetze (und das Reichsgemeindegesetz 1862 als solches) keinerlei Anhaltspunkte dafür liefern, wer Eigentümer eines Gemeindegutes sei. Und diese Unzulänglichkeit des Gemeinderechts hatte insbesondere in Niederösterreich und in Böhmen zu zahllosen Streitigkeiten darüber geführt, wer der jeweilige Eigentümer von Liegenschaften sein, die als Gemeindegut in den modernen politischen Ortsgemeinden verwaltet wurden.

Das war der eigentliche Anlass dafür, dass der Reichsgesetzgeber im Jahr 1883 das Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz geschaffen hat. Die Länder sollten dadurch die verfassungsrechtliche Möglichkeit erhalten, Commassionsbehörden (heute: Agrarbehörden) zu errichten,  die auf der Grundlage von Verhandlungen und nach Möglichkeit eines politischen Kompromisses über die Eigentumsverhältnisse an Gemeindegütern reformatorisch entscheiden sollten.

Weil diese Aufgabe der Agrarbehörde ausgeblendet wurde, über die Eigentumsverhältnisse am (behaupteten) Gemeindegut meritorisch zu entscheiden, entstand die Vorstellung, im Zuge der agrarischen Operation würde entschädigungslos Eigentum entzogen. (VfSlg 18.446/2008; VfSlg 9336/1982; jüngst: VfGH 02.10.2013, B 550/2012 ua)

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I. Gemeindegut im historischen Gemeinderecht

a) Die Annahme, „Gemeindegut“ sei vom Gemeinderecht als Eigentum der Ortsgemeinde definiert worden, ist verfehlt. Zwar scheint §§ 74 f ProvGemG 1849 tatsächlich ein solches Konzept zu Grunde zu liegen – offensichtlich kraft Eigentümerstellung sollte der Gemeinde-Ausschuss darauf „sehen“, dass die Gemeindeglieder nur den der Bedarfsdeckung entsprechenden Nutzen aus dem Gemeindegut ziehen (§ 75 ProvGemG 1849 – Vgl dazu: Pernthaler, ZfV 2010, 376) – doch bezog sich diese Bestimmung nur auf tatsächliches Eigentum der Ortsgemeinde, nicht auf jedes „Klassenvermögen“. Vor allem aber geriet die Errichtung der Gemeinden nach dem ProvGemG 1849 mit der Abkehr vom Konstitutionalismus ins Stocken; im Rahmen der Silvesterpatente (RGBl 4/1852 Nr 7 ff) wurden wesentliche Grundsätze des ProvGemG 1849 verlassen und die angekündigten Gemeindeordnungen für die einzelnen Länder nicht verwirklicht.

Die heutigen, modernen Ortsgemeinden gehen jedoch auf die Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 zurück. (Vorläufiges Gemeindegesetzes (VGemG) vom 10.07.1945, StGBl 66/1945 Art 1) Die hier anzutreffenden Regelungen „Vom Gemeindehaushalt und von den Gemeindeumlagen“ (vgl etwa §§ 60–82 TGO 1866,) §§ 60–82 VGO 1864) usw) zeigen einen signifikanten Unterschied zur Begrifflichkeit von 1849: Anstelle der Formulierung „Gemeindevermögen und Gemeindegut“ in § 74 ProvGemG 1849 war in § 61 TGO 1866 (= § 61 VGO 1864) von „Stammvermögen und Stammgut“ der Gemeinden die Rede. § 62 TGO 1866 (= § 62 VGO 1864) enthielt Regelungen für das „gesamte erträgnisfähige Vermögen der Gemeinden und ihrer Anstalten“.

EIGENTUMSVERHÄLTNISSE BLEIBEN UNBERÜHRT

b) Dem „Gemeindegut“ selbst wurde in diesen Gesetzen eine eigene Bestimmung (§ 63 TGO 1866 = § 63 VGO 1864) gewidmet, welche die politische Ortsgemeinde in erster Linie als Behörde mit der Kompetenz zur Streitentscheidung und Regelung der Nutzungsverhältnisse konstituierte (§ 63 Abs 2 leg cit). Entscheidungsmaßgeblich war dabei vor allem die „bisher gültige Übung“; die Deckung des „Haus- und Gutsbedarfes“ wurde zur Zweifelsregel; erweisliche Rechtstitel verdrängten diese. Was unter „Gemeindegut“ zu verstehen sei, wurde hingegen nicht geregelt.
Infolge Anknüpfung bei der „bisher gültigen Übung“ und besonderen Rechtstiteln war diese Regelung ohne weiteres auch für historisches Gemeinschaftseigentum anwendbar (Vgl Öhlinger in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 239 ff), wenn die betreffende Nachbarschaft über keine eigenständigen Verwaltungsorgane verfügte.

Es kann daher nicht behauptet werden, „Gemeindegut“ müsse zwingend ein Gut im Eigentum einer Ortsgemeinde sein. In diesem Zusammenhang sei auch daran erinnert, dass der Begriff „Gemeindegut“ schon vor Entstehung der modernen Ortsgemeinden in § 288 ABGB und zuvor im Galizischen bürgerlichen Gesetzbuch (1797) definiert (und dabei unterschiedlichen Gemeinschaften zugeordnet) wurde. (Ausführlich dazu Oberhofer/Pernthaler, Gemeindegut, in Kohl ea, Agrargemeinschaften Tirol 207ff) Weil das politische Gemeinderecht die vorgefundenen Eigentumsverhältnisse nicht verändern wollte, sondern von deren Fortbestand ausging (§ 12 TGO 1866 = § 11 VGO 1864), ist ein Verständnis des Begriffs „Gemeindegut“, das ausschließlich beim Eigentum der Ortsgemeinde anknüpft, für das historische Gemeinderecht verfehlt.

c) Von einem solchen verfehlten Begriffsverständnis ausgehend hatte der VfGH im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 auf Verfassungswidrigkeit der Teilung und Regulierung von Gemeindegut erkannt, ohne sich damit auseinander zu setzen, warum die Eigentumsverhältnisse am „Gemeindegut im Sinn der Gemeindeordnungen“ vom historischen Gesetzgeber überhaupt der Jurisdiktion der Agrarbehörden unterworfen worden waren. Gerade dieser Problembereich wird in den Gesetzesmaterialien ausführlich erörtert (Vgl nur: AB 582 BlgAH IX. Session); er nahm 1883 in den Debattenbeiträgen im Reichsrat den meisten Raum ein. (Debattenbeiträge der Abgeordneten: Sten Prot des AH des österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seiten 9214– 9243; siehe dazu Pernthaler, ZfV 2010, 377)

Es erscheint besonders bemerkenswert, dass jene Minderheit von Abgeordneten, die ein (behauptetes) Eigentum der Ortsgemeinden nicht der Kompetenz der neuen Behörden unterwerfen wollte, schon seinerzeit (erfolglos!) damit argumentierte, dass die Rechtsverhältnisse am „Gemeindegut“ ohnehin bereits in den Gemeindeordnungen geregelt wären. (Siehe etwa den Debattenbeitrag des Abgeordneten Dr. Ritter von Grocholski (Galizien), Sten Prot des AH des österreichischen Reichsrates, IX. Session, 9219– 9221) Dieser Auffassung traten jedoch der Ackerbauminister Graf Falkenhayn, der parlamentarische Regierungsvertreter Ministerialrat Ritter von Rinaldini und die Mehrheit der Abgeordneten entgegen; würde man das (behauptete und eben vielfach strittige) Eigentum der Ortsgemeinden vom geplanten TRRG ausnehmen, so könnte man sich ein solches Gesetz gleich gänzlich ersparen.
Bereits fünf Jahre zuvor hatte der Abgeordnete Dr. Josef Kopp in seiner Eigenschaft als Mitglied des niederösterreichischen Landesausschusses die mangelnde Ergiebigkeit der Normen des Gemeinderechts zur Klärung von Eigentumsstreitigkeiten betreffend „Gemeindegut“ trefflich charakterisiert: Er verglich diese Normen mit einer Leuchte, welche die Dinge nicht erhelle, sondern nur „das Dunkel, in das sie gehüllt seien, erst richtig erkennen lasse“. (Bericht des NÖ Landesausschusses, XXVII BlgLT (Nö) V. GP 11)

KEIN ANHALTSPUNKT FÜR EIGENTUMSVERHÄLTNISSE

d) Sowohl der Regierungsvorlage als auch dem Ausschussbericht zum TRRG 1883 ist unzweideutig zu entnehmen, dass der historische Gesetzgeber in den Gemeindeordnungen keine Anhaltspunkte zur Lösung der Eigentumsfrage am „Gemeindegut“ erblickte. (RV 43 BlgHH IX. Session; AB 582 BlgAH IX. Session). Die Gesetzgebung unterwarf deshalb auch das behauptete Eigentum der Ortsgemeinde der Jurisdiktion durch die Agrarbehörden. (Sten Prot des AH des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9235: § 1 TRRG 1883 wurde in der vom Commassionsausschuss vorgelegten Fassung beschlossen. Der Antrag, § 1 lit b TRRG 1883, heute § 15 Abs 1 lit b FlVerfGG 1951, folgenden Zusatz anzufügen: „Ausgenommen von den obigen Bestimmungen sind jene, das Eigenthum einer Gemeinde oder eines Theiles derselben bildenden Grundstücke, bezüglich deren die Bestimmungen über Theilung und Regulierung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte in den ausschließlichen Wirkungskreis der Landesgesetzgebung gehören“, wurde abgelehnt).

Die Abgeordneten im Reichsrat hatten dazu in der Mehrheit eine ganz klare Meinung:
Regierungsvertreter v Rinaldini, Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9221: „Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz auch diese Grundstücke, nebst dem so genannten Klassenvermögen, also auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen, welche in einer Reihe von Ländern gemacht worden sind, diese wagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, welche ja bloß auf die unangefochtene Übung hinweisen und eventuell, wo eine solche unangefochtene Übung nicht besteht, Gemeinderatsbeschlüsse als normierend bezeichnen, nicht hinreichend sind. Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Kompetenz frägt, wenn man sicheren Aufschluss haben will, wer eigentlich kompetent sei, in dieser Frage zu entscheiden?“
Dr. Johannes Zak, Berichterstatter des Commassionsausschusses, Mitglied des Böhmischen Landesausschusses, Advokat und Notar, Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9226: „Was die Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters betrifft, so stimme ich ihm vollkommen bei. Namentlich bin ich seiner Ansicht, wenn er sagt, es sei eigentlich die Vorfrage, was für ein Vermögen es sei, um das es sich im gegebenen Fall handelt, die schwierigste. Diese Vorfrage wird von den Landesausschüssen und Gerichten verschieden beurteilt und entschieden, ja man kann sagen, es gibt so viele Ansichten, als Entscheidungen. Man hat sehr oft vollen Grund, sich über die Entscheidungen des Landesausschusses und der Gerichte namentlich darüber zu wundern, wem das strittige Vermögen zugewiesen wurde. Wen wir es bei der bisherigen Judikatur der politischen oder Gerichtsbehörden bewenden lassen, werden wir in diese verworrenen Verhältnisse niemals eine Ordnung bringen. Es muss bezüglich dieser Sachen einmal tabula rasa gemacht werden, und es ist hoch an der Zeit, solche Sachen, welche nur den Zwist in den Gemeinden nähren, sobald als möglich aus der Welt zu schaffen. Was die Gemeindeordnungen und insbesondere die böhmische Gemeindeordnung betrifft, so kann ich in der Tat sagen, dass ich in derselben fast gar keine Anhaltspunkte für die Entscheidung dieser Frage finde. Wenn man sich auf die bisherige unangefochtene Übung beruft und nach dieser entscheidet, so ist das ganz gewiss eine ganz hinfällige Basis.“ (im Original nicht hervorgehoben)
Abgeordneter Dr. Josef Kopp, Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9222f: „Den selbst wenn man mit Zuhilfenahme der vollständig ungenügenden Bestimmungen der Gemeindeordnungen und der einschlägigen Gesetze sich im Landesausschusse bemüht eine halbwegs erträgliche und befriedigende Ordnung herzustellen, so tritt uns eines immer störend entgegen, dass nämlich die Ingerenz der Gerichte in keiner Wiese ausgeschlossen ist, so dass derjenige, welcher mit dem Zustande nicht zufrieden ist, sich an die Gerichte wendet, die dann lediglich nach den Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches über gemeinsames Eigentum und nach dem hier sehr ominösen Bestimmungen über die Verjährung und Ersitzung entscheiden, ohne im Entferntesten bei dem besten Willen nur die realen Verhältnisse verstehen und berücksichtigen zu können, und ohne insbesondere die wirtschaftlichen Rücksichten irgendwie walten lassen zu dürfen. So kreuzen sich denn in den Gemeinden ältere Verordnungen und Entscheidungen der Landesbehörden, neuere Beschlüsse der Gemeinden, faktische Zustände, Entscheidungen des Landesausschusses und verschiedene gerichtliche Entscheidungen, kurz es wird ein Chaos geschaffen. Diesem Chaos soll hier ein Ende gemacht werden, und darum begrüßen wir in einem Falle, wo staatsrechtliche, politische, nationale, provinziale Eifersüchteleien oder Streitigkeiten gar nicht am Platze sind, dieses Gesetz als eine wahre Erlösung.“ (im Original nicht hervorgehoben)
Abgeordneter Dr. Georg Granitsch, Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9230f: „[…]. Denn was ist geschehen? Die so genannten Kleinhäusler, welche von den Nutzungsrechten ganz ausgeschlossen worden sind, […] erhoben den Anspruch, dass dieses [geteilte] Eigentum ausschließlich der Gemeinde zugewiesen werde. Wie soll nun anhand des bestehenden Gesetzes diese Streitfrage gelöst werden? Ganz richtig! Der Paragraf, wie ihn der Sprecher in jener (rechten) Seite des Hauses zitiert hat, ist auch in der Niederösterreichischen Gemeindeordnung enthalten. Aber der Niederösterreichische Landesausschuss war bisher nicht in der Lage anhand dieser Gesetzesbestimmung, die Streitigkeiten zu schlichten. Das ist auch begreiflich. Das Gesetz setzt hier bisher unangefochtene Übung voraus und setzt weiter voraus, dass diese nicht größer sein darf als der Hausbedarf, 2 Momente, welche an und für sich so streitig, so zweifelhaft sind, dass sie absolut keine Richtschnur für die Lösung der speziellen Streitfrage bilden können. Es soll eine Streitfrage gelöst werden damit, dass eine andere Streitfrage als Richtschnur zur Lösung der ersteren hereingezogen wird! Ich glaube auf diese Art ist es wohl begreiflich, dass die Streitigkeiten in den Gemeinden nicht zur Lösung gebracht werden können.“ (im Original nicht hervorgehoben)

Alle Ausführungsgesetze zum TRRG 1883 regelten ausdrücklich die sachliche Zuständigkeit der Agrarbehörden für das „Gemeindegut“ als Gegenstand der „agrarischen Operation“. (Gesetz für die Markgrafschaft Mähren vom 13.02.1884, LGBl 31/1884; Gesetz für das Herzogtum Kärnten vom 05.06.1885, LGBl 23/1885; Gesetz für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns vom 03.06.1886, LGBl 39/1886; Gesetz für das Herzogtum Krain vom 26.10.1887, LGBl 2/1888; Gesetz für das Herzogtum Schlesien vom 28.12.1887, LGBl 13/1888; Gesetz für das Herzogtum Salzburg vom 11.10.1892, LGBl 32/1892; Gesetz für das Herzogtum Steiermark vom 26.05.1909, LGBl 44/1909; Gesetz für die gefürstete Grafschaft Tirol vom 19.06.1909, LGBl 61/1909; Gesetz für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns vom 28.06.1909, LGBl 36/1909 und das Gesetz für das Land Vorarlberg vom 11.07.1921, LGBl 1921/115).

 

II. Gemeindegutsbegriff des „agrarischen Reichsgesetzgebers“

a) Das heutige Flurverfassungsrecht gründet auf dem „Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte“ aus dem Jahr 1883 (kurz: TRRG 1883 – Reichsgesetz vom 7. Juni 1883, RGBl 1883/94). Ältere Vorschriften in Österreich waren beispielsweise die sog. „Hutweideteilungsbefehle“. (Patent vom 5. November 1768, Politische Gesetzessammlung Nr 1064, 388; S auch die weiteren Patente vom 24. März 1770 PGS Nr 1184, 179; 23. August 1770 PGS Seite 264; 14. März 1771, PGS Seite 503; 4. Jänner 1780, PGS Nr 2136; 17. April 1784, PGS Seite 506; 8. Juni 1785, Josefinische Gesetzessammlung 1786, Band 10, Seite 51. Danach sollten die „gemeinen Weiden“ in Böhmen und in Österreich unter den damaligen Gemeindegliedern verteilt werden, eine Änderung der Bewirtschaftungsform, welche auf wenig Gegenliebe der historischen Landesbewohner stieß)

Als „Reorganisationsmaßnahme“ sahen diese Vorschriften nur die Teilung der agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften vor. Die Bildung einer Agrargemeinschaft ist praktisch das Gegenstück dazu. Die in den agrarischen Gemeinschaftsliegenschaften repräsentierten historischen Wirtschaftsgenossenschaften, die „Überreste der alten Agrargemeinden“, sollten durch die Bildung einer Agrargemeinschaft in eine allgemein anerkannte Organisationsform überführt werden. (Bericht des Commassionsausschusses zur den drei agrarischen Reichsgesetzen 1883, 582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12: „Die in § 1 sub b [§ 1 Z 2 TRRG 1883] bezeichneten Grundstücke aber sind solche, welche – abgesehen von Dalmatien […] – in allen österreichischen Ländern sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde bald unter der Bezeichnung `Gemeindegut´, bald unter der Bezeichnung `Gemeingut´ erhalten haben und bei welchen die mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sich vorfinden. Die eigenthümliche Natur dieser Verhältnisse bringt es nun mit sich, dass deren Ordnung mit sehr bedeutenden Schwierigkeiten verbunden ist, welche zu bewältigen das XVI. Hauptstück des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches weder bestimmt ist, noch auch vermag. Und doch ist eine sachgemäße Normierung dieser Verhältnisse ein Postulat der eigenen wirthschaftlichen Interessen der Gemeinschaft und einer rationellen Benützung von Grund und Boden im Allgemeinen.“)

b) Ungeklärte Rechtsverhältnisse verursachten Stillstand, Misswirtschaft und Eigenmacht. Abgrenzungserfordernisse wurden insbesondere im Verhältnis zwischen der neuen Ortsgemeinde und den „altberechtigten Gemeindegliedern“ gesehen. (Bericht des Commassionsausschusses, aaO, 13: Der Ausschuss „ging vielmehr von der Ansicht aus, dass es sich in dem vorliegenden Gesetze nicht so sehr um die Auseinandersetzung unter den Genossen selbst, als vielmehr um die Auseinandersetzung zwischen den Genossen einerseits und den Gemeinden als solchen andererseits handelt. Diese Anschauung entspricht vollkommen der Regierungsvorlage, deren § 3 die ausdrückliche Bestimmung enthielt, dass hinsichtlich der etwa bestrittenen Vorfrage, ob das Grundstück zu den in § 1 bezeichneten Kategorien gehöre und wer daran eigentums- und nutzungsberechtigt sei, die Commassionsbehörden zuständig sind“)

Die gesamte agrarische Operation sollte wegen ihrer politischen Sensibilität und ihrer reformatorischen Ausrichtung neuen, politischen Behörden und gerade nicht den Zivilgerichten übertragen werden. („Die Civilgerichte können die verworrenen Knoten nicht lösen, sondern nur durchhauen, da die civilgerichtlichen Bestimmungen auf solche Zustände nicht berechnet sind, die Sache überhaupt nicht bloß vom civilgerichtlichen, sondern auch vom wirthschaftlichen und administrativen Gesichtspunkte aus zu beurtheilen ist.“ Bericht des NÖ Landesausschusses vom 21. September 1878, aaO, 11).

c) Der Vorsitzende des Commassionsausschusses Dr. Johann Žák, Notar und Advokat aus Pardubitz, Mitglied des Böhmischen Landesausschuss, äußerte sich in dieser Frage im Rahmen eines Debattenbeitrages im Abgeordnetenhaus wie folgt: „Gestatten Sie mir, dass ich als praktischer Mann mich in diesen Fragen absolut gegen die Judikatur der Gerichte ausspreche. Einerseits ist die Bestimmung des 16. Hauptstückes des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches eine derartige, dass sie auf diese Verhältnisse überhaupt nicht passt. Der Zivilrichter hat aber eine andere Bestimmung nicht. Auch sind die Bestimmungen unserer Zivilprozessordnung derart, dass es in der Tat sehr schwer fällt, dieselben auch auf solche Fälle anzuwenden …“ (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9225).

Dr. Josef Kopp, begründete in seinem abschließenden Beitrag die Notwendigkeit eines Reichsgesetzes in dieser Angelegenheit gerade mit diesem dringenden Anliegen, die Zivilgerichtskompetenz in dieser Sache auszuschließen: „Es ist nicht möglich, dass die Gerichte eine verständliche, den Verhältnissen entsprechende Entscheidung treffen. Diese Möglichkeit muss vor allem anderen entfernt werden, und das mit Verlaub, kann die Landesgesetzgebung nicht tun. Darum ist ein Reichsgesetz notwendig und darum muss sich dieses auf diese Gemeindegrundstücke erstrecken, bezüglich deren mir einige Unklarheit auch auf jener (rechten) Seite des hohen Hauses zu herrschen scheint.“ (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des Österreichischen Reichsrates, IX. Session, Seite 9234)

d) Die neuen Behörden sollten insbesondere zur Klärung der allenfalls umstrittenen Frage zuständig sein, wer Eigentümer des agrargemeinschaftlich genutzten Gemeinde- oder Gemeinschaftsgutes sei. Vgl dazu nur die Wortmeldung des Regierungsvertreters Ministerialrat Ritter von Rinaldini, Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrates, IX. Session, 9221: „Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Kompetenz frägt, wenn man sicheren Aufschluss haben will, wer eigentlich kompetent sei, in dieser Frage zu entscheiden?“

GEMEINDEGUT ALS MEHRDEUTIGER BEGRIFF

Der historische Bodenreformgesetzgeber hat in Konsequenz im Fall der agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaften den Begriff „Gemeindegut“ gleichbedeutend mit dem Begriff „Gemeinschaftsgut“ verwendet und sich dabei in keinem Fall festgelegt, um wessen Eigentum es sich handle. Er ging davon aus, dass Begriffe wie „Gemeindegut“, „Gemeinschaftsgut“, „Gemeingut“ in agrargemeinschaftlicher Bewirtschaftung stehende Liegenschaften mit aufklärungsbedürftigen Eigentumsverhältnissen bezeichneten. (Vgl nur AB, 582 der Beilagen zu den sten. Prot. des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12: „Es wird von gut unterrichteter Seite behauptet, dass es noch mehr als eine Million Hektar sogenannter Gemeindehutweiden und Gemeindewaldungen gibt, bei denen die Eigenthums- und Nutzungsverhältnisse unklar und strittig sind und deren Verwaltung eine ungeregelte und wüste ist.“ Dazu: Oberhofer/Pernthaler, Das Gemeindegut als Regelungsgegenstand der historischen Bodenreformgesetzgebung, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 211ff)

 

ZUSAMMENFASSUNG

Wenn also der VfGH ein Jahrhundert später im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 den Gemeindeordnungen der Jahre 1863–1866 unterstellte, die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut zwingend geregelt zu haben, so missachtete er den leicht erweislichen und eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers.

Der historische Gesetzgeber hat unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Gemeindeordnungen gerade keine Anhaltspunkte dafür liefern würden, wessen Eigentum ein solches Gut denn sei.

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aus:
Kohl/Oberhofer/Pernthaler,
Gemeindeeigentum und Agrargemeinschaft, JBl 2014, 425ff

und aus:
Kühne/Oberhofer,
Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde,

in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hg)
Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011)

 

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MP