Grundvermögen gedrittelt!
Im Juli 2014 sind neue Gesetze für „atypische Gemeindegutsagrargemeinschaften“ in Kraft getreten. Seither ist rund ein Jahr vergangen. Dies gibt Anlass die Gesetzesauswirkungen am Einzelfall zu hinterfragen.
Am 01.07.2014 ist die Novelle zum Tiroler Flurverfassungsgesetz 2014 in Kraft getreten. Es handelt sich um die zweite Gesetzesnovelle für „atypische Gemeindegutsagrargemeinschaften“. Ein erster gesetzgeberischer Anlauf wurde im Dezember 2009 unternommen. Der Staatseingriff durch die Novelle 2014 verschärft die Situation: Jedwede Verfügung über „Substanz“ wurde in die Hände eines staatlich bestellten „Kommissars“, des „Substanzverwalters“ gelegt; alle Erträge aus „Substanz“ wurden dem Staat zugewiesen. Zusätzlich wurden die vorhandenen Barreserven in Beschlag genommen. Grundlage für diese radikalen Schritte des Landesgesetzgebers sind die zwei Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisse, das „Mieders-Erkenntnis“ aus 2008 und das „Pflach-Erkenntnis“ von Oktober 2013. Interessanter Weise schenkt kein anderes Bundesland diesen Verfassungsgerichtshof-Erkenntnissen irgendeine Beachtung. Tirol steht da alleine. Umso mehr interessieren die Auswirkungen in Tirol. GUT hinterfragt diese am Beispiel des Loachnerhofes in Lans.
Seit Gründung der Agrargemeinschaft Lans, Mitte der 1950er Jahre, wurden von den Mitgliedern, das sind die Eigentümer der 34 alten Bauerngüter in Lans, 541.767 Forstpflanzen gesetzt und 37.040 unbezahlte Robotstunden geleistet. Das Gemeinschaftsgebiet wurde mit rund 20 km Forstwegen erschlossen. Durch nachhaltige Forstwirtschaft wurde der Holzertrag von 1.177 fm Nutzholz im Jahr 1955 auf 2.700 fm Nutzholz mit Stand 2012 gesteigert. Die Ertragssteigerung resultiert aus gezielter Aufforstung, nachhaltiger Pflanzenpflege und massiver Einschränkung bei der Waldweide sowie Aufforstung ehemaliger Weideparzellen. Im Regulierungsverfahren wurde die Beteiligung der Ortsgemeinde Lans vertraglich mit einem Zehntelanteil festgesetzt. Die verbliebenen 90% wurden nach Anteilsrechten den 34 alten Bauerngütern in Lans zuerkannt. Gemeinschaftlich bewirtschaftet werden in Lans insgesamt 436 ha Grundfläche, davon Wirtschaftswald 268,3 ha, Schutzwald außer Ertrag 55,5 ha, Schutzwald im Ertrag 69,1 ha, Wegflächen 7,5 ha und Almfläche 35,6 ha. Auf das Anteilsrecht der Ortsgemeinde entfallen anteilig 43,6 ha Wald- und Almfläche, auf jeden einzelnen der ursprünglich beteiligten 34 Nachbarn entfielen durchschnittlich 11,5 ha. Die Verwaltungstätigkeit in der Agrargemeinschaft Lans gründete auf dem Prinzip der Ehrenamtlichkeit; nur der Obmann wurde mit EUR 360,– monatlich entschädigt und der Kassier mit monatlich EUR 140,–. Zum Stichtag 01.07.2014 wurde das gesamte Agrargemeinschaftsvermögen in staatskommissarische Verwaltung durch einen „Substanzverwalter“ übernommen – der Grundbesitz, das Almgebäude, zwei Freizeitwohnsitze sowie ein Barvermögen von rund EUR 140.000,–. Letzteres hatte man über Jahrzehnte angespart. Der neue Substanzverwalter ist Bürgermeister Christian Meischl; dieser entscheidet seither alleine über das Eigentum. Seine Aufgabe ist es, aus dem Agrargemeinschaftsvermögen Erträge für die politische Ortsgemeinde zu ziehen. Den Agrargemeinschaftsmitgliedern, den Eigentümern der 34 alten Bauerngüter in Lans, wird nur mehr ein „historischer Gutsbedarf“ an Holz- und Grasnutzung zugestanden; dies unter der Voraussetzung eines „konkreten Bedarfs“. Aus einem allgemein anerkannten Anteilsrecht als Miteigentümer wurde ein schlichtes Nutzungsrecht, für dessen Ausübung ein konkreter Bedarf bestehen muss. Und für Holznutzungen muss ein Bewirtschaftungsbeitrag bezahlt werden.
Obmann der Agrargemeinschaft Lans ist der Loachnerbauer, Toni Haas. Zum Stichtag 01.07.2014 war er gezwungen, das Agrargemeinschaftsvermögen samt allen Verwaltungsunterlagen, dem Protokollbuch, dem Kassabuch, allen Sparbüchern und dem gesamten sonstigen beweglichen Vermögen dem „Substanzverwalter“ auszuliefern. Eine 60jährige erfolgreiche Eigenverwaltung der Agrargemeinschaftsmitglieder ist damit zu Ende gegangen. Nun hat der Staat im Wald das Sagen. Die mit den alten Bauernhöfen verbundenen Anteilsrechte, die immer wie Miteigentum gehandelt und behandelt wurden, vermitteln nur mehr ein staatlich kontrolliertes „Recht mit beschränkter Nutzung“. Toni Haas rechnet vor, dass mit der Schaffung der „atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft Lans“ zwei Drittel vom Loachnerhof verstaatlicht wurden. Wie das geht? Seit Gründung der Agrargemeinschaft haben fünf Mitglieder ihre Anteile an die Agrargemeinschaft verkauft und sind somit ausgeschieden. Einem Anteilsrecht entsprachen damit ca. 15 ha Wald- und Almfläche aus dem Gemeinschaftsbesitz. Im Blick auf ca 7 ha Feld, die den Loachnerhof ausmachen und die jetzt alleine verblieben sind, wurden zwei Drittel des Grundbesitzes, der zum Hof gehörte, zum Stichtag 01.07.2014 verstaatlicht.
Dass sich die Lanser Bauern in der Vergangenheit bereichert hätten, bestreitet Toni Haas. Solange es Bauernhöfe in Lans gegeben habe, seien die Erträgnisse aus Wald und Weide, aus Grund und Boden, ein Teil des Einkommens aus den Lanser Bauernhöfen gewesen. Wegen dieser aus dem Gemeinschaftswald erarbeiteten Einkünfte konnten in Lans Höfe existieren, die anderswo schon vor Jahrzehnten zugesperrt worden wären. Die Erfindung vom „atypischen Gemeindegut“ gefährde diese Bauernwirtschaften, weil die Arbeit im eigenen Wald als Einkunftsquelle wegfällt.
Interview mit Toni Haas, Loachnerbauer in Lans, Obmann der Agrargemeinschaft Lans
GUT: Welche Lehren ziehen sie aus der jüngsten Entwicklung?
Toni Haas: Vor 60 Jahren haben die Bauern mit der Gemeinde einen Vergleich geschlossen. Dieser Vergleich ist von den Landesbehörden in einen Bescheid gegossen worden. Und nun wird dieser Bescheid einseitig abgeändert, ohne den Betroffenen die Möglichkeit zu lassen, ihr Eigentum nachzuweisen oder in das vorherige Rechtsverhältnis zurückzukehren. Das bedeutet für mich: Es gibt keine Rechtssicherheit mehr in diesem Land! Der Staat, konkret die Gemeinde, ist kein verlässlicher Vertragspartner mehr. Eine beispiellose mediale Hetzkampagne, in der die Agrargemeinschaften als Landräuber vorverurteilt wurden, hat das bewirkt.
GUT: Haben nicht unabhängige Gerichte Fehler bei den Regulierungen feststellten?
Toni Haas: Ich glaube nicht, dass die weisungsgebundenen Beamten, die Agrargemeinschaft Lans nachträglich überprüft haben, wirklich unabhängig waren. Und der VfGH und der VwGH haben die Beschwerden der Agrargemeinschaft Lans nicht in Behandlung genommen. Dies, obwohl schon in der 1950er Jahren rechtskräftig entschieden wurde, dass Agrargemeinschaft Lans – und gerade nicht die Ortsgemeinde – immer Alleineigentümerin war. Und unsere Vorgänger haben einen Vertrag mit der Ortsgemeinde geschlossen. Der Gemeindeanteil wurde mit 10% vom Ganzen vereinbart. Über Nacht wurden die Ortsgemeinden zu Alleineigentümern und die Hofbesitzer zu Bittstellern.
GUT: Es ist aber doch moralisch gerechtfertigt aufzuteilen?
Toni Haas: Das müsste unter die Kategorie „Umverteilung“ eingeordnet werden. Und das sollte man sich dann auch zu sagen trauen. „Wir haben den Bauernwald umverteilt!“ – eine sozialistische Ideologie, die nirgend auf der Welt funktioniert hat. Auch werden die „Erträge“ bei der Gemeinde nicht ins Gewicht fallen: Zum einen sind sie niedriger wie manche glauben und zum anderen wird das Land Tirol allfällige Bedarfszuweisungen in gleicher Höhe kürzen und auf andere Gemeinden umverteilen.
GUT: Die Politik erklärte den Agrarstreit als beendet. Gilt das auch in Lans?
Toni Haas: Der Loachnerhof in Lans besteht aus siebeneinhalb Hektar aufgeteiltem Grund und Boden und anteilig fünfzehn Hektar Wald- und Weidefläche, die in der Agrargemeinschaft stecken, 22,5 Hektar insgesamt. Nach der derzeitigen Rechtsanschauung sollen fünfzehn Hektar Grund und Boden an den Staat verloren sein. Diese Sache ist nicht erledigt – nicht für mich und nicht für die anderen Grundbesitzer.
GUT: Was wird die Zukunft bringen?
Toni Haas: Ich bin kein Hellseher aber der Blick in die Vergangenheit zeigt, das ungefähr alle 50 Jahre mit den agrargemeinschaftlichen Grundstücken Probleme auftauchten und Veränderungen stattgefunden haben: ~1850 Forstservitutenablöse, ~1900 Anlegung des Grundbuchs, ~1950 Regulierung der Agrargemeinschaft und ~2010 Enteignung der Anteilsberechtigten an der Agrargemeinschaft. Ich bin mir freilich sicher, dass jetzt die Probleme nicht wieder 50 Jahre Pause machen.
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MP