Schon die im Jahr 2008 nach der Landtagswahl gebildete Tiroler Landesregierung verfolgte das Ziel, das Mieders-Erkenntnis 2008 des Verfassungsgerichtshofes „auf Punkt und Beistrich“ umzusetzen. Die Tatsache, dass in Tirol das Gemeinschaftsgut unrichtig auf „Gemeinde“ oder „Fraktion“ im Grundbuch gestanden hatte, wurde ignoriert. Trotzdem war die Periode 2008 bis 2013 immerhin getragen von einem gewissen Respekt gegenüber dem, was die Agrarier in Jahrzehnten geleistet und aufgebaut hatten. Als im Herbst 2013 der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis zur Agrargemeinschaft Pflach fällte, fiel auch in dieser Hinsicht jede Zurückhaltung: Mit der TFLG-Novelle 2014 wurde bei rund 250 Tiroler Agrargemeinschaften jedwedes vorhandene agrargemeinschaftliche Vermögen zu Gunsten der jeweiligen Ortsgemeinde enteignet und die gesamte Verwaltung einem Staatskommissar („Substanzverwalter“) übertragen.

Die Tiroler Landesregierung 2013: Antreten gegen AGRAR. Schon die im Jahr 2008 nach der Landtagswahl gebildete Tiroler Landesregierung verfolgte das Ziel, das Mieders-Erkenntnis 2008 des Verfassungsgerichtshofes „auf Punkt und Beistrich“ umzusetzen. Die Tatsache, dass in Tirol das Gemeinschaftsgut unrichtig auf „Gemeinde“ oder „Fraktion“ im Grundbuch gestanden hatte, wurde ignoriert. Trotzdem war die Periode 2008 bis 2013 immerhin getragen von einem gewissen Respekt gegenüber dem, was die Agrarier in Jahrzehnten geleistet und aufgebaut hatten. Als im Herbst 2013 der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis zur Agrargemeinschaft Pflach fällte, fiel auch in dieser Hinsicht jede Zurückhaltung: Mit der TFLG-Novelle 2014 wurde bei rund 250 Tiroler Agrargemeinschaften jedwedes vorhandene agrargemeinschaftliche Vermögen zu Gunsten der jeweiligen Ortsgemeinde enteignet und die gesamte Verwaltung einem Staatskommissar („Substanzverwalter“) übertragen. Bildrechte: Stephan  Elsler. www.stehpanelsler.com .

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NOTWENDIGKEIT ZUR ENTEIGNUNG?

Angeblich sei der Tiroler Landesgesetzgeber gezwungen gewesen, die so genannten „atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaften“ zu enteignen.  Angeblich hätte vor dem Hintergrund der Verfassungsgerichtshoferkenntnisse VfSlg 18.446/2008 (Mieders-Erk) und VfSlg 19.802/2013 (Pflach-Erk) keine andere Option bestanden.

Tatsache ist freilich, dass die beiden Erkenntnisse des hohen Gerichtshofes VfSlg 18.446/2008 (Mieders-Erk) und VfSlg 19.802/2013 (Pflach-Erk) in allen anderen Bundesländern Österreichs kräftig ignoriert werden – in den vergangenen Jahren, heute und offensichtlich auch in Zukunft! Keine österreichische Landesregierung hat das Mieders-Erk 2008 und das Pflach-Erk 2013 bisher umgesetzt – außer die Tiroler Landesregierung  unter der Führung von Landeshauptmann Günter Platter.

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EINSAME EIGENTUMSENTEIGNER

Nur die Tiroler Landesregierung unter der Führung von Landeshauptmann Günter Platter geht nach dem Motto vor: „Umsetzung – auf Punkt und Beistrich“. Nur die Tiroler Landesregierung hat eine eigene Enteignungs-Abteilung aufgebaut und mit gut einem halben Dutzend Juristen besetzt; dies mit einem einzigen Zweck: Den Tiroler Grundbesitzern soll das Gemeinschaftsvermögen weggenommen werden, um dieses zu „kommunalisieren“! Nur die Tiroler Landesregierung hat Gesetze durch den Landtag gebracht, mit denen das Gemeinschaftsvermögen der Tiroler Grundbesitzer per Gesetz enteignet wird.

Dies alles mit der Konsequenz, dass nicht nur das ursprünglich in den Agrargemeinschaften regulierte Liegenschaftsvermögen enteignet wird, sondern ebenso alle geschaffenen Vermögenswerte! Dies entschädigungslos!   Alle  agrargemeinschaftlichen Anteilrechte an solchen  Agrargemeinschaften wurden vollkommen entwertet. Dies ohne Unterschied, ob diese ererbt oder in gutem Glauben um teures Geld gekauft wurden.

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HERZ UND HIRN EINSCHALTEN

Warum ist es möglich, dass andere Bundeslänger die Verfassungsgerichtshof-Erk  VfSlg 18.446/2008 und 19.802/2013 so kräftig ignorieren? Dies ist deshalb möglich, weil diese Erkenntnisse zu Agrargemeinschaft Mieders (2008) und Agrargemeinschaft Pflach (2013) auf fiktiven Sachverhalten gründen – Sachverhalten, die erfunden wurden! Erfunden zur „Provokation“ eben dieser „neuen“ Erkenntnisse – erfunden zur Enteignung der Tiroler Agrargemeinschaften und ihrer Mitglieder! 

Im Blick auf die wahren Sachverhalte sind die Verfassungsgerichtshof-Erk  Slg 18.446/2008 und 19.802/2013 schlicht  f a l s c h .  Falsch, weil diese die unrichtigen Grundbucheintragungen ignorieren; falsch, weil diese die rechtskräftigen Entscheidungen der Agrarbehörden ignorieren; falsch, weil diese einer Fata Morgana huldigen: dem atypischen Gemeindegut!

Die anderen Bundesländer ignorieren die beiden VfGH-Erkenntnisse VfSlg 18.446/2008 und VfSlg 19.802/2013 deshalb mit gutem Grund: Der Sachverhalt, der die Fata Morgana „atypisches Gemeindegut“ hervorgebracht hat, nämlich ein „gestohlenes Gemeindegut“, ist eine Fiktion, der kein realer Sachverhalt entspricht – nicht in Tirol und in keinem anderen Österreichischen Bundesland. 

Und: Das Mieders-Erk hat unabhängig von der Fiktion „gestohlenes Gemeindegut“ eine entscheidende Schwäche, die es den anderen Bundesländern ganz leicht macht, auf eine Umsetzung zu verzichten: Alle Regulierungen von agrargemeinschaftlichen Liegenschaften, die ursprünglich in Gemeindeverwaltung standen (= „Gemeindegut“), gründen auf vertraglichem Konsens. Diese Regulierungen gründen auf Verträgen (= so genannten „Parteienübereinkommen“), die die jeweilige Ortsgemeinde mit den Vertretern der nutzungsberechtigten Stammsitzeigentümer im Regulierungsverfahren abgeschlossen hat!

Für Verträge, einschließlich derjenigen Verträge, die vor der Agrarbehörde  abgeschlossen wurden, die „Parteienübereinkommen“, gilt ein Rechtsgrundsatz, der nach allgemeinem Rechtsverständnis einen unverrückbaren, tragenden Eckpfeiler für jede rechtsstaatliche Ordnung bildet. Dieser Eckpfeiler lautet: Verträge sind einzuhalten – oder wie die Juristen zu sagen pflegen – pacta sunt servanda!

Weil in anderen Bundesländern Herz und Hirn eingeschaltet wurde, wollte man die historischen Fakten nicht ignorieren. Statt dessen hat man die  VfGH-Erkenntnisse VfSlg 18.446/2008 und VfSlg 19.802/2013 kräftig ignoriert. Mit Herz und Hirn kann man die falschen VfGH-Erkenntnisse zu Mieders (2008) und Pflach (2013) leicht vom Tisch wischen. Und das ist in allen anderen Bundesländern geschehen. Nur Tirol huldigt der Fata Morgana „atypisches Gemeindegut“; von einer Untersuchung der wahren Eigentumsverhältnisse („Historikerkommission“) will man nichts wissen; vor der Not der Grundbesitzer, deren Jahrhunderte alte Rechte enteignet werden, verschließt die Landesregierung Hirn und Herz!

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VERTRÄGE SIND ECKPFEILER DES RECHTS

Um die „Parteienübereinkommen“ auszuhebeln, die in den Regulierungsverfahren abgeschlossen wurden, dafür liefert das Mieders-Erk 2008 keinerlei Grundlage. Deshalb ignoriert das VfGH-Erkenntnis zur Agrargemeinschaft Mieders 2008 das im Regulierungsverfahren abgeschlossene Parteienübereinkommen vom 13.07.1962. Im Sachverhalt, den die Agrarbehörde im „Mieders-Bescheid vom 09.11.2006“ festgestellt hatte, wird das Parteienübereinkommen zwischen der Ortsgemeinde und den Agrarmitgliedern ignoriert; und das VfGH-Erkenntnis ignoriert dieses Parteienübereinkommen kräftig.

Ein Parteienübereinkommen als Regulierungsgrundlage muss eine „offenkundige Verfassungswidrigkeit“ denknotwendig ausschließen. Ein Verfahrensergebnis, das geschäftsfähige Parteien nach freiem Willen vor der Behörde im Vergleichswege vereinbaren, ist zu beachten. Mehr noch: Den Parteiwillen zu missachten, bedeutet „Diktatur im Recht“, vergleichbar mit der Übergehung von demokratischen Wahlergebnissen auf politischer Ebene durch eine Regierung.

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VERTRÄGE SIND EINZUHALTEN – pacta sunt servanda

Entsprechend leicht wäre es für die Tiroler Agrarbehörde, das Mieders-Erk 2008 immer dann für unanwendbar zu erklären, wenn die Agrarbehördenentscheidung auf einem Parteienübereinkommen gründet. Wenn eine Gemeinde entsprechend dem Gesetz über ein Eigentum verfügt hat – entgeltlich oder unentgeltlich – dann gilt diese Verfügung, weil Verträge einzuhalten sind. Pacta  sunt servanda! Auf diesem Rechtssatz gründen sämtliche Rechtssysteme – nicht mehr und nicht weniger!

Genau diesen Weg ist die Vorarlberger Agrarbehörde gegangen: Das auf Parteienübereinkommen gegründete Regulierungsverfahren hätte die „Gemeindegutseigenschaft beendet“ – so unisono die Bezirksagrarbehörde und der Vorarlberger Landesagrarsenat. Und aus diesem Grund hat der „Gemeindeguts-Irrsinn“ Vorarlberg verschont! 

Die anderen Bundeslänger haben das Problem gar nicht erst aufgeworfen. Offensichtlich hat sich außerhalb von Vorarlberg und Tirol nicht einmal mehr eine Ortsgemeinde gefunden, die ein Recht auf Änderung des Regulierungsplanes im Sinn des Mieders-Erk 2008 einfordern wollte. Für einen Tiroler Grundbesitzer stellt sich freilich die Frage: Warum müssen ausgerechnet im „reichen Tirol“ die Grundbesitzer enteignet werden, wenn es selbst im Burgenland und in Kärnten auch anders geht? Wie kann es sein, dass ausgerechnet in Tirol im Blick auf die Agrargemeinschaften Herz und Hirn der Politiker versagen?

 

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VERKEHRTE WELT IN DER TIROLER AGRARBEHÖRDE

Seit dem Jahr 1909, als das Teilungs- Regulierungsrecht in Tirol Einzug hielt (LGuVoBl 61/1909 – TRLG 1909), hatte die Agrarbehörde ihren Erkenntnissen die Tatsache zu Grunde gelegt, dass in Tirol die agrargemeinschaftlichen Gemeinschaftsliegenschaften in aller Regel bei der Grundbuchanlegung im die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert falsch auf „Gemeinde“ oder „Fraktion“ eingetragen wurden.

Seit Sommer 2008 wird die gegenteilige Devise ausgegeben. Weil sich die 2008 neu gebildete Landesregierung mit der Sanierung eines angeblichen AGRAR-Skandals profilieren wollte, wurden bereits rechtskräftig als FALSCH identifizierte Grundbucheintragungen aus der Zeit der Grundbuchanlegung als RICHTIG hingestellt. In Konsequenz wurde der historischen Agrarbehörde unterstellt, diese hätte die Ortsgemeinde um ihr Gemeindegut geprellt. Ein „RAUB AM GEMEINDEGUT“ ist seither in Tirol in aller Munde.

Und die Agrarbehörde, einst als Hüterin des Gemeinschaftsgutes eingerichtet, mutierte in Tirol zur Enteignungsmaschinerie, die Bescheide am Fließband produziert. Bescheidproduktion am Fließband – einzig zu dem Zweck, den Agrargemeinschaftsmitgliedern ihr Vermögen zu entreißen und dieses den Ortsgemeinden zuzuwenden.

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ENTWICKLUNGSSTUFEN EINER ENTEIGNUNG

Grundsätzlich sind zwei Phasen zu unterscheiden: Nach dem Mieders-Erk VfSlg 18.446/2008 herrschte zunächst große Rechtsunsicherheit. Die Gemeindeguts-Agrargemeinschaften wehrten sich – die Agrarbehörde mühte sich – und die Tiroler Landesregierung verkündete bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, dass die im Mieders-Erk VfSlg 18.446/2008 vorgegebene Linie, wonach alle Substanzwerte den Ortsgemeinden zugewendet werden müssten, „auf Punkt und Beistrich“ umzusetzen sei.

Wahre Eigentumsverhältnisse ohne Relevanz

Der Einwand der Agrargemeinschaften, dass die Ortsgemeinden nie ein wahres Eigentum besessen hätten, sondern als „nackte Tabularbesitzer“ im Grundbuch gestanden hatten, wurde von den Tiroler Agrarbehörden mit haarsträubenden Argumenten juristisch „niedergewalzt“.

Der Tiroler Landesfürst hätte 1847 im Zuge der Tiroler Forstregulierung die heutigen politischen Ortsgemeinden beschenkt, so die Grundthese. Das die heutigen Ortsgemeinden im Jahr 1945 auf der Grundlage des Reichgemeindegesetzes 1862 errichtet wurden und dass zu den älteren Gemeindegebilden kein Rechtsnachfolgezusammenhang besteht, wurde gar nicht diskutiert. Genauso wurde ignoriert, dass die Forstregulierung in Nordtirol praktisch ausschließlich auf Servitutenablösungsvergleichen gründete, welche denknotwendig zu Agrargemeinschaftseigentum führen.

Der Verwaltungsgerichtshof legte in einem guten Dutzend an Grundsatzentscheidungen vom 30.06.2011 noch eines drauf, indem er verkündete, dass der Einwand, wonach die Ortsgemeinde nie eine wahre Eigentümerin gewesen sei,  irrelevant wäre. Es sei für die „Qualifizierung als Gemeindegut“ bedeutungslos, wer der tatsächliche Eigentümer des regulierten Gemeinschaftsgutes war. Maßgeblich sei alleine die Beurteilung einer Liegenschaft als ehemaliges Gemeindegut!

Verwaltungsgerichtshof dekretiert die Irrelevanz der wahren Eigentumsverhältnisse

VwGH 2010/07/0091 VwSlg 18171 A/2011 vom 30.6.2011, AGM Obergarten, Pkt 8 der Begründung. „Angesichts dessen erübrigte sich ein Eingehen auf sämtliche im vorliegenden Fall aufgeworfenen rechtshistorischen Fragestellungen. Die Rechtskraft des Regulierungsbescheides vom 18. Oktober 1966 und der dort getroffenen Feststellung, es liege Gemeindegut vor, wirkt für die Zukunft und bindet auch den Verwaltungsgerichtshof. Darauf, ob diese Feststellung zu Recht getroffen wurde, wie sich die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Forsteigentumsregulierung oder im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung gestalteten, und wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre, kam es daher nicht an.“

Bedenkt man, dass das Mieders-Erk 2008 des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich auf der Idee gründet, dass die Ortsgemeinden rechtswidrig um ihr Eigentum gebracht wurden, ist dieser Ausgang des Streits um „atypisches Gemeindegut“ nichts anderes als „juristisch pervertierte Rabulistik„! Den Agrargemeinschaftsmitgliedern wird die Substanz ihres Gemeinschaftsvermögens entzogen, obwohl kein Höchstgericht jemals geprüft hat, ob die heutige politische Ortsgemeinde vor der Regulierung tatsächlich ein wahres Recht auf das Eigentum hatte!

Die Agrargemeinschaftsmitglieder sind damit in einer Situation vergleichbar einem Beklagten, der vom Zivilgericht zur Herausgabe einer Sache verurteilt wird, obwohl im Gerichtsverfahren ein Kaufvertrag vorgelegt wurde, mit dem der Beklagte die Sache von einem Händler erworben hat.

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2013 „PFLACH-VERK“: DER HOLZNUTZEN WIRD ENTEIGNET!

Ab Herbst 2013, konkret ab Bekanntwerden des Pflach-Erk VfSlg  19.802/2013, entfällt das Ausmaß der Enteignung betreffend jede Hemmung:  Alle Verfügungsbefugnisse über dieses Eigentum und die Erträgnisse daraus sollen dem Staat zustehen!

Mit der TFLG-Novelle 2014 wurde dieses Programm umgesetzt. Seit 1.7.2014 verfügt der Staat verfügt in der Person von Staatskommissaren, die der Gemeinderat bestellt, so genannten “Substanzverwaltern”. Diese Substanzverwalter sind gegenüber dem Gemeinderat weisungsgebunden. Die von den Agrargemeinschaftsmitgliedern gewählten Organmitglieder, der Obmann und der Ausschuss, wurden „kalt gestellt“. Per 01. Juli 2014 waren die Gemeinschaftskasse, alle Konten der Agrargemeinschaft und die Sparbücher, alle Schlüssel und Verwaltungsunterlagen an den Staatskommissar auszuliefern. Eine in der Praxis relevante Restzuständigkeit der gewählten Agrargemeinschaftsorgane besteht nicht.

Die Verfügungsgewalt liegt seither alleine beim Staat und den Nutzen aus den Verfügungen kassiert ebenfalls der Staat. Anders als ein Sachwalter, der im Interesse eines Geschäftsunfähigen handeln muss und den Nutzen des Geschäftsunfähigen befördert, handelt der Substanzverwalter nicht zum Nutzen der bisherigen Anteilsberechtigten, der Agrargemeinschaftsmitglieder. Zweck und Ziel der Tätigkeit eines Substanzverwalters ist es, den Nutzen und die Erträgnisse aus dem Eigentum, die Mieten, Pachten und Verkaufserlöse dem Staat, konkret der Ortsgemeinde, zuzuwenden.

Nach formellem Recht ist der Substanzverwalter zwar ein Organ der Agrargemeinschaft; dieses Organ handelt jedoch nicht im Interesse der Agrargemeinschaft. Der Substanzverwalter funktioniert als Organ der der Agrargemeinschaft nicht anderes als ein Kuckucksei: Als implantiertes Staatsorgan soll er den Nutzen aus dem ursprünglichen Gemeinschaftsgut dem Staat zuwenden!

Obwohl neben dem Substanzverwalter die Organisation der nutzungsberechtigten Agrargemeinschaftsmitglieder bestehen blieb, wurden keinerlei Einnahmen für eine Gemeinschaftsorganisation der Mitglieder gewidmet. Zur Förderung eines Gemeinschaftszweckes der Mitglieder gibt es keine Mittel mehr.  Unter einem werden die Nutzungsrechte der Mitglieder massiv zurück gedrängt. Den Mitgliedern soll nur mehr ein “historischer Hof- und Gutsbedarf” zustehen, den die Agrarbehörde für jede Agrargemeinschaft gesondert kalkuliert.

Angeknüpft wird für die Bemessung dieses „historischen Hof- und Gutsbedarfes“ bei den Zufallsverhältnissen im Zeitpunkt der Regulierung: So werden die Mitglieder beispielweise an einem, wegen kriegsbedingter Übernutzung stark verringertem Einschlag in den 1950er Jahren festgemacht; alle Vorteile aus Pflegemaßnahmen für die Waldkultur der letzten 60 Jahren werden dem Staat zugewendet. Rechtskräftig regulierte aliquote Anteilsrechte werden so ad absurdum geführt.

Schließlich wird bei der Agrarbehörde eine neue Serie von Verfahren vorbereitet – „Neuregulierung“ genannt. Hier geht es darum, die rechtskräftig festgestellten aliquoten Anteilsrechte weiter zu beschneiden: Alle jene Mitglieder, welche nicht wenigstens 5.000 m² Feld „zur Feuerstatt“ besitzen oder kein Wirtschaftsgebäude oder keine Feuerstatt, werden in ihren rechtskräftig festgestellten Anteilsrechten beschnitten oder gar entschädigungslos „ausreguliert“. Aus dem Schaden der Mitglieder soll wiederum der Staat in Form der jeweiligen Ortsgemeinde profitieren!

Und das alles wird von der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde umgesetzt: Die Landesregierung und ihre Behörden gegen die „Agrarier“ – besser die „Besitzer von Grund und Boden“.

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WAHRHEIT ODER FIKTION?

Tatsache ist, dass der “Raub am Gemeindegut” lediglich ein fiktiver ist. Tatsächlich haben die Agrarbehörden den Ortsgemeinden nicht rechtswidrig ein Gut entzogen. Ein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum der Ortsgemeinden hat nicht stattgefunden. Vielmehr hatten der gesetzliche Richter – und das war und ist die Agrarbehörde – über die wahren Eigentumsverhältnisse entschieden und diese Entscheidungen waren in Rechtskraft erwachsen.
Es war unter anderem die Aufgabe der Agrarbehörden zu klären und zu entscheiden, ob die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geschaffenen Grundbucheintragungen richtig waren. Bemerkenswert ist, dass alle Entscheidungen, die auf ein Eigentum der Ortsgemeinde lauteten, wie zB in Sölden, in St. Anton, in Fiss, in Weissenbach oder in Reutte unreflektiert als richtig vorausgesetzt werden. In angeblich 93 Fällen wurde auf ein Eigentum der Ortsgemeinde entschieden; alle diese Entscheidungen werden unbeanstandet als richtig vorausgesetzt.

Alle Entscheidungen hingegen, lautend auf ein Eigentum einer Agrargemeinschaft, seien dagegen falsch. Diese Entscheidungen hätten zum „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ geführt.

Warum verweigert der Verwaltungsgerichtshof die Prüfung der wahren Eigentumsverhältnisse?

Richtiger Weise hätte man den Standpunkt einnehmen müssen, dass die Agrarbehörde ohnehin in all diesen Fällen bereits rechtskräftig entschieden hatte.  Die Entscheidung lautete auf „Eigentum der Agrargemeinschaft“! Und die Tatsache, dass über ein „Gemeindegut“ entschieden wurde, soll und  kann daran nichts ändern, weil im historischen Flurverfassungsrecht der Begriff „Gemeindegut“ (auch) verwendet wurde, um eine Eigentum einer Agrargemeinschaft zu bezeichnen! So hat dies der Verfassungsgerichtshof schon im Dezember 2010 klar gestellt (Unterlangkampfen-Erk VfSlg 19.262/2010). Diese Auslegung hat der Verwaltungsgerichtshof in den Grundsatz-Erkenntnissen vom 30.06.2016 jedoch verworfen.

Zumindest  hätte man die Frage der wahren Eigentümerschaft anhand der Regeln über den Eigentumserwerb zu prüfen gehabt. Wenn über Jahrhunderte die jeweiligen Nachbarschaften bestimmte Liegenschaften als ihr Eigentum in gutem Glauben genutzt und verwaltet haben, so waren diese Nachbarschaften jedenfalls “Nutzungseigentümer” nach historischem Verständnis. Als der Tiroler Landesfürst im Verlauf des 19. Jahrhunderts sein (behauptetes) Obereigentum über die Gemeinschaftsliegenschaften aufgeben musste, sind die jeweiligen Nutzungseigentümer zu “Volleigentümern” geworden. Nur diejenigen, die eine Liegenschaft immer genutzt hatten, konnten bei Abschaffung des landesfürstlichen Obereigentums Volleigentümer werden und das waren die jeweiligen Nachbarschaften zusammengesetzt aus den betreffenden Hofbesitzern.

Für die These, dass eine Staatsorganisation wie die heutige politische Ortsgemeinde dem Tiroler Landesfürsten als neue Obereigentümerin nachfolgen sollte, besteht keinerlei Anhaltspunkt. Nur der Umstand, dass diese Nachbarschaften in verschiedenen Rechtsakten seit jeher als „Gemeinde“ bezeichnet wurden, sorgt für Verwirrung. Frei erfunden ist die These, dass der Tiroler Landesfürst die heutigen politischen Ortsgemeinden in Tirol beschenken wollte, als er das Obereigentum über die Tiroler Wälder und Almen abgeschafft hat.

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ERFUNDENE SCHENKUNGSTHEORIE

Warum ist die Idee von einer historischen Beschenkung der heutigen politischen Ortsgemeinden so verbreitet? Die angebliche Rechtsposition der heutigen Ortsgemeinden als Eigentümerinnen der Nachbarschaftsgründe wird aus einer Namensgleichheit abgeleitet. Über Jahrhunderte wurden die Nachbarschaften als “Gemeinde” bezeichnet.

Beispielsweise spricht das Tiroler Forstregulierungspatent von 1847 von “berechtigten Gemeinden” sowie von “zum Holzbezug berechtigten Gemeinden”, weil der Begriff „Gemeinde“ im historischen Sprachgebrauch für beliebige Personenverbände verwendet wurde. Bezeichnender Weise spricht der Codex Theresianus, ein Gesetzesentwurf aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts davon, dass bereits eine Versammlung von drei Personen eine „Gemeinde“ bilde.

Dies berechtigt freilich keine Behörde zu der Annahme, dass der Tiroler Landesfürst im Zuge der Tiroler Forstregulierung den heutigen Ortsgemeinden das Eigentum an den „Bauern-Almen“ und „Bauern-Wäldern“ verschafft habe.  Dies umso weniger, als der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 19.262/2010 (Unterlangkampfen-Erk) einer Rechtsnachfolge der Ortsgemeinde in das Obereigentum des Landesfürsten (in Tirol „Quasi-Erbschaft der politischen Ortsgemeinde“ genannt) eine klare Absage erteilt hat. (VfSlg 19.262/2010, Pkt II A 2.4.2. Abs 2 der Begründung).  Ausdrücklich zitierte der Gerichtshof zustimmend die Abhandlung Öhlingers, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [228 ff], der diese Idee ausführlich widerlegt!

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WIE DIE KOLCHOSEN NACH TIROL KOMMEN

Bezeichnend für den Tiroler Agrarstreit ist, dass weder der Verfassungsgerichtshof, noch der Verwaltungsgerichtshof sich bis heute jemals mit der Frage auseinander gesetzt hat, wie denn die heutigen politischen Ortsgemeinden in Tirol überhaupt Eigentümerinnen von land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken geworden sein könnten.

In allen einschlägigen Erkenntnissen wird das historische Eigentum der Ortsgemeinden nur fingiert.  Und die Tiroler Landesregierung ignoriert dieses Manko in der Rechtsprechung und fingiert ihrerseits, dass ein gütiger Kaiser Ferdinand im Zuge der Tiroler Forstregulierung 1847 die heutigen Ortsgemeinden beschenkt hätte. Die eindeutige Stellungnahme des Verfassungsgerichts gegen diese These wird ignoriert! (VfSlg 19.262/2010, Pkt II A 2.4.2. Abs 2 der Begründung)

Geradezu erstaunlich ist das Ausmaß der Umgestaltung des Rechts der Agrargemeinschaften in Tirol, die mit zwei Gesetzesnovellen zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz (TFLG) vom 17.12.2009 LGBl 7/2010 und 14.05.2014 LGBl 70/2014 vollzogen wurde. Den Tiroler Kommunen wurde ein direkter Zugriff auf das Vermögen von rund 250 Agrargemeinschaften verschafft; und diese Agrargemeinschaften wurden im Ergebnis einer Gemeindeverwaltung unterworfen.  Alle Arbeitsergebnisse aus Jahrzehnten, alle Ersparnisse und Rücklagen, die errichteten Gebäude, die Ertragssteigerung in der Forstwirtschaft, werden entschädigungslos dem Staat zugewendet!

So sind im 21. Jahrhundert im Herzen Europas „Gemeinde-Kolchosen“ entstanden. Betroffen sind ca 150.000 ha an agrargemeinschaftlichen Liegenschaften in Tirol samt allenfalls darauf errichteten Baulichkeiten und Anlagen sowie viele Millionen Euro an liquiden Mitteln, Ersparnisse von mehreren Jahrzehnten. Solche neuen „Gemeinde-Kolchosen“ begegnen (derzeit) in rund 140 von insgesamt 279 Tiroler Ortsgemeinden.

 

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MP