Franz Joseph I., Franz Joseph Karl von Österreich (* 18. August 1830 auf Schloss Schönbrunn, nahe Wien; † 21. November 1916 ebenda), aus dem Haus Habsburg-Lothringen war von 1848 bis zu seinem Tod im Jahr 1916 Kaiser von Österreich. Mit einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren übertraf er jeden anderen Regenten seiner Dynastie. Gleichzeitig war er König von Böhmen und Apostolischer König von Ungarn. Die militärischen Niederlagen im Sardinischen Krieg (1859) und im Deutschen Krieg (1866) zwangen ihn zur Verständigung mit den Ungarn und zur Umwandlung des einheitlichen Kaisertums Österreich in zwei konstitutionelle Monarchien: Der Ausgleich von 1867 schuf die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn als Realunion zweier Staaten.  Der Reichsrat war von 1861 an das Parlament des Kaisertums Österreich und von 1867 bis 1918 das Parlament der cisleithanischen Reichshälfte der nunmehrigen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Er bestand aus zwei Kammern, dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus. Einberufung, Vertagung und Schließung betrafen immer beide Häuser des Parlaments. Beschlüsse wurden zum Gesetz, wenn ihnen beide Häuser zugestimmt hatten, sie der Kaiser zum Zeichen seines Einverständnisses unterzeichnet hatte und die Gegenzeichnung der verantwortlichen k.k. Minister erfolgt war. (Für Finanzgesetze und Rekrutenaushebung galt, wenn die beiden Häuser uneinig blieben, die kleinere Ziffer als bewilligt.) Die Gesetze wurden im Namen des Kaisers im Reichsgesetzblatt kundgemacht. Neben dem Reichsrat hatten die Landtage der Kronländer Cisleithaniens nur geringe Gesetzgebungskompetenzen. Sitz des Reichsrats war seit 4. Dezember 1883 das Parlamentsgebäude an der Ringstraße in Wien, das heute Tagungsort des österreichischen Parlaments ist. Vorher hatte das Abgeordnetenhaus nur einen provisorischen Sitz in einem hölzernen Gebäude – ironisch Schmerling-Theater genannt – in der Währinger Straße im 9. Wiener Gemeindebezirk. Nach umfangreichen Vorarbeiten und einer Vorbereitungszeit von mehreren Jahren beschloss der Reichsrat im Jahr 1883 die heute so genannten drei agrarischen Reichsgesetze,  Gesetz betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, RGBl 1883/92; Gesetz betreffend die Bereinigung des Waldlandes von schädlichen Enklaven, RGBl 1883/93; Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, RGBl 1883/94, sämtlich vom 7. Juni 1883

Franz Joseph I., Franz Joseph Karl von Österreich (* 18. August 1830 auf Schloss Schönbrunn, nahe Wien; † 21. November 1916 ebenda), aus dem Haus Habsburg-Lothringen war von 1848 bis zu seinem Tod im Jahr 1916 Kaiser von Österreich. Mit einer Regierungszeit von nahezu 68 Jahren übertraf er jeden anderen Regenten seiner Dynastie. Gleichzeitig war er König von Böhmen und Apostolischer König von Ungarn. Die militärischen Niederlagen im Sardinischen Krieg (1859) und im Deutschen Krieg (1866) zwangen ihn zur Verständigung mit den Ungarn und zur Umwandlung des einheitlichen Kaisertums Österreich in zwei konstitutionelle Monarchien: Der Ausgleich von 1867 schuf die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn als Realunion zweier Staaten.
Der Reichsrat war von 1861 an das Parlament des Kaisertums Österreich und von 1867 bis 1918 das Parlament der cisleithanischen Reichshälfte der nunmehrigen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn. Er bestand aus zwei Kammern, dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus. Einberufung, Vertagung und Schließung betrafen immer beide Häuser des Parlaments. Beschlüsse wurden zum Gesetz, wenn ihnen beide Häuser zugestimmt hatten, sie der Kaiser zum Zeichen seines Einverständnisses unterzeichnet hatte und die Gegenzeichnung der verantwortlichen k.k. Minister erfolgt war. (Für Finanzgesetze und Rekrutenaushebung galt, wenn die beiden Häuser uneinig blieben, die kleinere Ziffer als bewilligt.) Die Gesetze wurden im Namen des Kaisers im Reichsgesetzblatt kundgemacht. Neben dem Reichsrat hatten die Landtage der Kronländer Cisleithaniens nur geringe Gesetzgebungskompetenzen.
Sitz des Reichsrats war seit 4. Dezember 1883 das Parlamentsgebäude an der Ringstraße in Wien, das heute Tagungsort des österreichischen Parlaments ist. Vorher hatte das Abgeordnetenhaus nur einen provisorischen Sitz in einem hölzernen Gebäude – ironisch Schmerling-Theater genannt – in der Währinger Straße im 9. Wiener Gemeindebezirk. Nach umfangreichen Vorarbeiten und einer Vorbereitungszeit von mehreren Jahren beschloss der Reichsrat im Jahr 1883 die heute so genannten drei agrarischen Reichsgesetze, Gesetz betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, RGBl 1883/92; Gesetz betreffend die Bereinigung des Waldlandes von schädlichen Enklaven, RGBl 1883/93; Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, RGBl 1883/94, sämtlich vom 7. Juni 1883

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Wenn die Agrarbehörde entschieden hat, dass eine Agrargemeinschaft Eigentümerin eines „Gemeindeguts“ war und dass bestimmte Liegenschaftseigentümer an dieser Agrargemeinschaft nach bestimmten aliquoten Anteilsrechten beteiligt sind, dann war diese Agrargemeinschaft Eigentümerin im Rechtssinn und die Eigentümer der Mitgliedsliegenschaften waren Eigentümer von aliquoten Anteilsrechten.

In diesem Sinn wurden die Entscheidungen der Agrarbehörde über Jahrzehnte verstanden. Agrargemeinschaften haben über den Verkauf oder die Teilung ihrer Liegenschaften entschieden und Verkaufs- oder Teilungsgeschäfte durchgeführt. Dies unbeanstandet über Jahrzehnte!

Bei näherem Hinsehen erweisen diese Umstände das „atypische Gemeindegut“ als eine bloße Erfindung  – eine Erfindung, um eine entschädigungslose Enteignung der Tiroler Grundbesitzer zu veranstalten!

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Übersicht:
Wirkung wie Gerichtsurteile
Gesetzlicher Richter für Gemeindegut
Der Wille des Gesetzgebers
1883: Die Abgeordneten entscheiden
Gemeindegut und die Bundesverfassung
Nur die Agrarbehörde entscheidet
Das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932
Urteil über das Eigentum
Eingriff des Verfassungsgerichts
Unzulängliche Gesetzessanierung in Tirol
Zusammenfassung

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WIRKUNG WIE GERICHTSURTEILE

Schon im Jahr 1883 hat der historische Gesetzgeber die „Commassionsbehörden“ (= heute: Agrarbehörden) zum gesetzlichen Richter in allen Angelegenheiten der Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen, berufen (Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz TRRG 1883, Gesetz vom 7. Juni 1883 RGBl 1883/94).

Diese Sonderbehörden waren von Anfang an als gemischt-richterliche Kollegialbehörden der „eingreifenden Verwaltungsjustiz“ organisiert, welche die hoheitliche Planungs- und Ordnungsbefugnisse der „politischen Verwaltungsbehörden“ mit der zivilrechtlichen Kognitionsbefugnis der ordentlichen (Zivil‑)Gerichtsbarkeit verbinden sollten.
Die Agrarbehörde sollte planend gestalten (zB Wald-Weide-Trennung, Grundzusammenlegung und Neuverteilung, Aufteilung vom Gemeinschaftseigentum, wenn dieses als Einzeleigentum besser bewirtschaftet werden kann, Regulierung als Agrargemeinschaft, wenn die gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Vorteil ist).
Und die Agrarbehörde sollte im Streitfall entscheiden über Besitz und Eigentum wie ein Gericht, weil die Doppelgleisigkeit (hier Behörde, dort Gericht) für die agrarischen Gemeinschaften ausgeschaltet sein sollte. Deshalb hat die Agrarbehörde „zivilrechtliche Kognitionsbefugnis“; die Agrarbehörde erkennt über Eigentum und andere Rechte an Stelle des Zivilgerichts und mit der Rechtsqualität eines Zivilgerichts.
Gemäß § 12 TRRG erwachsen die Bescheide in Rechtskraft und entfalten idente Wirkung wie gerichtliche Entscheidungen.

Das TRRG ist in Tirol im Jahr 1909 in Kraft getreten; dies gemeinsam mit dem Landes-Ausführungsgesetz, Gesetz vom 19. Juni 1909, gültig für die gefürstete Grafschaft Tirol, betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, LGuVoBl 61/1909 (TRLG 1909). Die AusführungsVO dazu stammt aus dem Jahr 1910 (Verordnung der Ministerien des Ackerbaus, des Inneren, der Justiz und der Finanzen vom 12. März 1910 betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte – agrarische Operationen in Tirol, LGVoBl 1910/28).
Somit bestehen die Agrarbehörden seit dem Jahr 1909 in Tirol als „gesetzlicher Richter“ in allen Angelegenheiten der Bodenreform.

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GESETZLICHER RICHTER FÜR GEMEINDEGUT

Die Einbeziehung des Gemeindegutes in die Regelungen über die Teilung und Regulierung gemeinschaftlicher Grundstücke war die erklärte Absicht des historischen Gesetzgebers.

a) So heißt es in den „Erläuternden Bemerkungen zu den auf Grund Allerhöchster Entschließung vom 12. Februar 1880 eingebrachten Gesetzesentwürfen hinsichtlich des Gesetzesentwurfes betreffend die grundsätzlichen Bestimmungen über die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsverhältnisse“ (43 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses, IX. Session): „Die Bestimmungen des § 1 Z 2 (in der Endfassung lit b) des Entwurfes haben die Grundstücke zum Gegenstande, welche als Gemeindegut oder als Gemeingut jener Körperschaften oder Klassen benützt werden, die sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde erhalten haben“.

b) Auch im „Bericht des Commassationsausschusses über die von dem hohen Herrenhause am 7. und 17. November 1881 in dritter Lesung gefaßten Beschlüsse auf Erlassung von Gesetzen: a) betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke; b) betreffend die Bereinigung des Waldlandes von fremden Enclaven und die Arrondirung der Waldgrenzen; c) betreffend die Theilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulirung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte“ wird bezüglich des letztgenannten Gesetzesentwurfes klargestellt, dass die neuen Behörden zuständig sind, um über die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut zu entscheiden (528 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses, IX. Session, 12). „Die im § 1 sub b bezeichneten Grundstücke aber sind solche, welche – abgesehen von Dalmatien, woselbst durch die historischen Ereignisse und namentlich durch den Einfluß der türkischen und venetianischen Herrschaft sich ganz besondere Verhältnisse herausgebildet haben – in allen österreichischen Ländern sich als Überreste der alten Agrargemeinde innerhalb der modernen politischen Gemeinde bald unter der Bezeichnung ‚Gemeindegut‘, bald unter der Bezeichnung ‚Gemeingut‘ erhalten haben, und bei welchen die mannigfaltigsten Eigentums- und Nutzungsverhältnisse sich vorfinden“.

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DER WILLE DES GESETZGEBERS

In gleicher Weise lassen sich die Debattenbeiträge der verschiedenen Abgeordneten im Jahr 1883, 268. Sitzung der IX. Session des Abgeordnetenhauses, als Beleg dafür anführen, dass die neuen Behörden über die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut entscheiden sollten. Zu verweisen ist insbesondere auf die Beiträge der Abgeordneten v Grocholski und Kopp sowie des Regierungsvertreters v Rinaldini, Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, 268. Sitzung, 9214 ff.

Bezeichnenderweise ging es in der Debatte vorwiegend um die Frage der Einbeziehung des so genannten „Gemeindegutes“ in die Entscheidungskompetenz der neuen Bodenreformbehörden. Dieses Thema nahm die meiste Zeit der Sitzung in Anspruch. Manche Abgeordneten sahen in dem betreffenden Gesetz einen massiven Eingriff in die Autonomie der Gemeinden und die Gesetzgebungskompetenzen der Länder, wobei sie darauf hinwiesen, dass die Gemeindeordnungen der Länder bereits Regelungen über das Gemeindegut enthielten.

So sagte beispielsweise der Abgeordnete v Grocholski: „Der § 1 bestimmt, welche Grundstücke den Gegenstand des Gesetzes zu bilden haben. Unter diesen Gründen sind aber unstreitig jene Gründe gemeint, welche heutzutage Eigenthum der Gemeinde sind und welche den Namen ‚Gemeindegut‘ haben – ich weiß nicht, ob ich richtig verdolmetsche, im Polnischen heißt es ‚dobro gminne‘ – also ‚Gemeindegut‘. Das sind jene Gründe, welche das Eigenthum entweder der ganzen Gemeinde oder eines Theiles der Gemeinde bilden, nachdem ja die politische Gemeinde aus Ansässigkeiten bestehen kann, welche besonderes Eigenthum haben und wo die einzelnen Mitglieder dieser Gemeinde, beziehungsweise dieses Theiles der Gemeinde das Benützungsrecht auf diese Gründe haben. Diese Gründe fallen unbestreitbar nach dem Wortlaute des § 1 unter dieses Gesetz. Nun, meine Herren, die Verwaltung dieser Gründe, die Benützung, die Theilung dieser Gründe ist aber, wenn ich nicht irre, bereits in allen durch Landesgesetze gegebenen Gemeindeordnungen normirt, besonders in Galizien. Ich kann die Paragraphe citiren, durch die sie normiert ist“. (Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, 9219)

Trotz dieser und ähnlicher Einwände wurde das Gesetz beschlossen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Bestimmungen der Gemeindeordnungen betreffend das Gemeindegut für völlig unzulänglich gehalten wurden, die Rechtsverhältnisse an solchen Liegenschaften abschließend zu regeln.
Der Regierungsvertreter Ministerialrat v Rinaldini führte dazu aus: „Der Grund, warum überhaupt dieses Gesetz auch diese Grundstücke, nebst den sogenannten Klassenvermögen, also auch das Gemeindegut einbezogen hat, ist einfach der, weil nach den Erfahrungen, welche in einer Reihe von Ländern gemacht worden sind, die sehr vagen Bestimmungen der Gemeindeordnung, welche ja bloß auf die unangefochtene Uebung hinweisen und eventuell, wo eine solche unangefochtene Uebung nicht besteht, Gemeinderathsbeschlüsse als normirend bezeichnen, nicht hinreichend sind. Schon die einfache Vorfrage, ob ein solches Grundstück ein Grundstück der Gemeinden oder ein Grundstück einer Klasse von Gemeindeangehörigen sein wird, ist ja eine ungemein schwierig zu lösende Frage, und zwar eine Frage, die nicht bloß merital schwierig zu lösen ist, sondern schon dann Schwierigkeiten bietet, wenn man einfach um die Comeptenz frägt, wenn man sicheren Aufschluß haben will, wer eigentlich competent sei, in dieser Frage zu entscheiden? Diese Unzulänglichkeit der bestehenden Normen der Gemeindeordnung und auch insbesondere, was das Gemeinschaftsvermögen betrifft, die vollständige Unzulänglichkeit der Normen des 16. Hauptstückes des bügerlichen Gesetzbuches über die Gemeinschaft des Eigenthums haben geradezu dazu gedrängt, eine solche Vorlage zu entwerfen“.
(Stenographische Protokolle des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, IX. Session, S 9221; vgl auch den Debattenbeitrag des Abgeordneten Granitsch, 9230 ff)

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1883: DIE ABGEORDNETEN ENTSCHEIDEN

Besonders illustrativ sind die Wortmeldungen des Abgeordneten Dr. Josef Kopp zum Thema. „Man will jenes Gut, welches der Gemeinde oder einer Fraktion der Gemeinde gehört, an welchem alle oder einzelne Mitglieder dieser Gemeinde oder Fraktion gewisse Nutzungsrechte haben, aus dem Gesetz ausscheiden? Wenn sie das tun wollen, scheiden sie lieber gleich das ganze Gesetz aus. Den da liegt ja eben die Quelle dieser unlösbaren Wirrnisse und Streitigkeiten, und welchen Nutzen soll es haben, wenn es heißt: Auf diese Gründe findet eine Anzahl von Paragraphen sinngemäß Anwendung? Es ist dieses immer ein vom juridischen Standpunkte bedenkliches Flickwerk, welches man nur in der Verzweiflung gebrauchen kann. Mit diesem `Sinngemäß´ werden sie den Streit nicht schlichten, sondern ihm neue Quellen eröffnen. Wollen sie also, dass das Gesetz Wirksamkeit habe, so müssen sie es gerade auf diese Grundstücke anwenden, welche als Gemeindegut bezeichnet werden, denn sonst ist es in der Tat zwecklos.“ (aaO, Seite 9223)

Nach ausführlicher Debatte hatte der Abgeordnete Dr. Ritter von Madeyski eine Abstimmung des Abgeordnetenhauses darüber verlangt, dass der Gesetzestext um einen Passus erweitert werde. Danach sollte das „Gemeindegut“ aus der Kompetenz der neuen „Agrarbehörden“ ausgeschieden werden. Die neuen Behörden der Bodenreform sollten keine Zuständigkeit besitzen, weil die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut abschließend in den Gemeindeordnungen der Länder geregelt seien. Über diesen Zusatzantrag wurde im Abgeordnetenhaus des Reichsrates am 22. Februar 1883 zur Abstimmung gebracht; der Zusatzantrag wurde abgelehnt.

Ausdrücklich hat der zuständige Gesetzgeber somit entschieden, dass die neuen Agrarbehörden auch über die Rechtsverhältnisse auch am Gemeindegut zu entscheiden haben.  Ausdrücklich hat der zuständige Gesetzgeber somit entschieden, dass die Gemeindeordnungen der Länder keine zureichende und insbesondere keine abschließende Regelung für die Rechtsverhältnisse am „Gemeindegut“ darstellen. (Sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrates, IX. Session, 9235).
Im Jahr 1982 hat sich der Verfassungsgerichtshof offenkundig verfassungswidrig über diese Entscheidung des Gesetzgebers hinweggesetzt (VfSlg 9336/1982). In einem juristischen Handstreich („Justizputsch“) wurde das gesamte historische Gemeindegut als ein wahres Eigentum der Ortsgemeinden und die Erkenntnisse der Agrarbehörden darüber als offenkundig verfassungswidrig erfunden. Das Erkenntnis VfSlg 9336/1982 wird deshalb als die „Mutter der Verkenntnis“ (Josef Kühne) bezeichnet.

Zwischenergebnis: Das „Gemeindegut“ war nach dem eindeutigen Willen des historischen Reichsgesetzgebers des Jahres 1883 Gegenstand der „agrarischen Operationen“ (Teilung und Regulierung) in Vollzug der Bodenreformbehörden. Nur diese Behörden konnten rechtskräftig entscheiden, wessen wahres Eigentum ein „Gemeindegut“ tatsächlich war.

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GEMEINDEGUT UND DIE BUNDESVERFASSUNG

Nach Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG ist die „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“ Bundessache hinsichtlich der Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache in der Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung ist ausschließliche Zuständigkeit der Agrarbehörden.

Was unter diesen Kompetenzbegriffen „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung“ im Einzelnen zu verstehen ist, muss nach der Auslegungsregel der „Versteinerungstheorie“ danach ermittelt werden, wie die Rechtsordnung diese Begriffe am 1.10.1925 – dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kompetenztatbestandes – verstanden hat. Maßgebend ist daher die rechtliche Begriffsbildung in der einfachgesetzlichen Rechtslage zu diesem Zeitpunkt.

Hinsichtlich des Begriffs der „agrarischen Operationen“ ist nach Lehre und Rechtsprechung auf die drei „Reichsrahmengesetze“ von 1883, RGBl Nr 92 bis 94, abzustellen: Als agrarische Operationen werden vom Verfassungsgerichtshof stets „nur die in den drei sogenannten ‚Reichsrahmengesetzen‘ vom 7. Juni 1883, RGBl 92 bis 94, geregelten Aktionen der Zusammenlegung, der Bereinigung des Waldlandes von fremden Enklaven und der Teilung und Regulierung von Agrargemeinschaften verstanden“. (VfSlg 1390/1931)

Wie oben anhand der Gesetzesmaterialien zum TRRG 1883 gezeigt, war unter dem Kompetenzbegriff „agrarische Operationen“ im Sinne des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG nach der Versteinerungstheorie auch die Teilung und Regulierung von Gemeindegut zu verstehen ist. Ausdrücklich haben die Abgeordneten einen Zusatzantrag abgelehnt, wonach das Gemeindegut der Entscheidungskompetenz der Agrarbehörden entzogen werden sollte.

Bestätigt wird dieses Ergebnis dadurch, dass sämtliche Landes-Ausführungsgesetze zum Reichsrahmengesetz von 1884 bis zum Jahre 1921 das Gemeindegut ausdrücklich der Teilung und Regulierung unterworfen haben.

Das älteste Ausführungsgesetz zum TRRG 1883, nämlich das für die Markgrafschaft Mähren, stellt erläuternd zur Definition des § 1 TRRG 1883 klar, dass zu den Grundstücken gem § 1 TRRG 1883 insbesondere auch solche agrargemeinschaftlich genutzten Grundstücke zu zählen seien, die als Gemeindegut einer gemeinschaftlichen Benützung nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung unterliegen (§ 2 Abs 2 Gesetz für die Markgrafschaft Mähren vom 13.2.1884, LGBl 31/1884 – Mähr-TRLG). Wörtlich wird die Zuständigkeit der „Commassionsbehörden“ in diesem Gesetz wie folgt definiert: Mähr-TRLG 1884 § 1. „Die nach dem Gesetz vom 7. Juni 1883 (RGBl Nr 92 – bzw nach dem Landesgesetz vom 13. Februar 1884 LGBl Nr 30) in Zusammenlegungs-Angelegenheiten zuständigen Behörden sind zugleich im Verfahren bei Teilung von Grundstücken sowie im Verfahren bei Regulierung gemeinschaftlicher Benützungs- und Verwaltungsrechte an ungeteilt verbleibenden Grundstücken zuständig, bezüglich derer entweder a) zwischen gewesenen Obrigkeiten und Gemeinden oder ehemaligen Untertanen, sowie zwischen zwei oder mehreren Gemeinden gemeinschaftliche Besitz- und Benützungsrechte bestehen, oder b) welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehrerer Gemeinde-Abteilungen, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischen Gemeinschaften (Klassen der Bauern, Bestifteten, Singularisten udgl) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft oder von den Mitberechtigten an Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benützt werden. […] § 2. Wo in diesem Gesetz von Behörden oder von gemeinschaftlichen Grundstücken ohne anderweitige Bezeichnung die Rede ist, sind die im § 1 angegebenen Behörden, bzw die da selbst bezeichneten Grundstücke zu verstehen. Zu diesen Grundstücken sind insbesondere auch jene zu zählen, welche als Gemeindegut einer gemeinschaftlichen Benützung nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864 unterliegen, sowie jene, welche aufgrund einer in Ausführung des kaiserlichen Patentes vom 5. Juni 1853 RGBl Nr 130) erfolgten Abtretung sich im Besitze einer Ortschaft, Gemeinde oder Gesamtheit von Berechtigten befinden.“

Praktisch idente Regelungen enthielten die Teilungs- und Regulierungsgesetze (TRLG) für das Herzogtum Kärnten aus dem Jahr 1885 (Gesetz vom 5.7.1885, LGBl 23/1885 (K-TRLG), § 2 Abs 1), für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns aus dem Jahr 1886 (Gesetz vom 3.6.1886, LGBl 39/1886 – NÖ-TRLG 1886, § 2 Abs 3), für das Herzogtum Krain aus dem im Jahr 1887 (Gesetz vom 26.10.1887, LGBl 2/1888 – Krain-TRLG, § 2 Abs 2), für das Herzogtum Schlesien aus dem Jahr 1887 (Gesetz vom 28.12.1887, LGBl 13/1888 – Schles-TRLG, § 2 Abs 3) und das TRLG für das Herzogtum Salzburg aus dem Jahr 1892 (Gesetz vom 11.10.1892, LGBl 32/1892 – Slbg-TRLG, §2 Abs 2). Und nichts anderes galt für die „Nachzügler“, nämlich die Gesetze für Steiermark (Gesetz vom 26. Mai 1909LGBl 44/1909 – St-TRLG 1909, § 5 Abs 3), Tirol (Gesetz vom 19. Juni 1909 LGBl 61/1909 – T-TRLG 1909, § 5 Abs 3) und Oberösterreich (Gesetz vom 28. Juni 1909 LGBl 36/1909 – OÖ-TRLG 1909, § 5 Abs 3) sowie für das Gesetz Vorarlbergs aus dem Jahr 1921 (Gesetz vom 11. Juli 1921 LGBl 1921/115 – V-TRLG 1921, § 5 Abs 2).

Die Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetze aus dem Zeitraum 1884 bis 1909 waren von den Wiener Zentralstellen in die jeweiligen Landtage eingebracht worden; die maßgeblichen Gesetzesstellen aus den Jahren 1884 bis 1909 zum „Gemeindegut“ als Gegenstand der agrarischen Operation waren weitgehend deckungsgleich formuliert worden. (§ 2 Abs 3 Mähr-TRLG 1884: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864“; § 2 Abs 1 K-TRLG 1885: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. März 1864“; § 2 Abs 4 NÖ-TRLG 1886: „nach Maßgabe des § 64 der Gemeindeordnung vom 31. März 1864“; § 2 Abs 4 Krain-TRLG 1887: „nach Maßgabe der geltenden Gemeindeordnung“; § 2 Abs 4 Schles-TRLG 1888: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 15. November 1863“; § 2 Abs 3 Slbg-TRLG 1892: „nach Maßgabe des § 64 der Gemeinde-Ordnung vom 2. Mai 1864“, § 5 Abs 4 St-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 60 der Gemeindeordnung vom 2. Mai 1864“; § 5 Abs 4 T-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 9. Jänner 1866“; § 5 Abs 5 OÖ-TRLG 1909: „nach Maßgabe des § 61 der Gemeindeordnung vom 28. April 1864“; § 5 Abs 3 V-TRLG 1921: „nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 21. September 1904“).

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NUR DIE AGRARBEHÖRDE ENTSCHEIDET

Nach dem im Versteinerungszeitpunkt (1925) herrschenden Gesetzesverständnis unterlag das „Gemeindegut“ der agrarischen Operation; dies auf der Grundlage der Teilungs- und Regulierungsgesetze; ausschließlich zuständig war und ist die Agrarbehörde.

Die Regelungen betreffend die Teilung und Regulierung von Gemeindegut sind daher in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache und in der Ausführungsgesetzgebung Landessache in ausschließlichem Vollzug der Agrarbehörde.

Das B-VG hat für die noch vor seinem Inkrafttreten in die republikanische Rechtsordnung übernommene Bodenreformgesetzgebung (vgl die Neuordnung der Organisation der Agrarbehörden durch das Gesetz StGBl 1920/195)eine eigene Bundeskompetenz (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) und eine besondere Verfassungsgrundlage geschaffen (Art 12 Abs 2 B-VG).
Auf die am 1.10.1925 in Kraft getretene Kompetenz des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG hat sich nicht nur die Regierungsvorlage des FlV-GG 1931 berufen (78 der Beilagen Nationalrat IV. GP., 9), sondern auch die Landesausführungsgesetze, zB Tiroler FlV-LG LGBl 2009/7 (Bericht und Antrag des Ausschusses für Rechts-, Gemeinde- und Raumordnungsangelegenheiten zur Regierungsvorlage der TFLG-Novelle, Zl 574/09 der Beilagen zu den Sten Prot des LT XV. GP).

Zwischenergebnis: Der Gesetzgeber des Bodenreformrechtes – und ausschließlich dieser – ist nach der Bundesverfassung der zuständige Gesetzgeber für die Teilung und Regulierung von Gemeindegut. Der Landesgesetzgeber, der beispielsweise für das Gemeinderecht zuständig gemacht wurde (Art 15 B-VG), ist für Gesetzesbestimmungen betreffend die Teilung und Regulierung von Gemeindegut unzuständig!

Die Agrarbehörde ist somit auch auf dem Boden der Bundesverfassung der gesetzliche Richter zur Durchführung der agrarischen Operation an „Gemeindegut“. Die Agrarbehörde ist somit auch auf dem Boden der Bundesverfassung der gesetzliche Richter zur rechtskräftigen Entscheidung darüber, wessen wahres Eigentum ein Gemeindegut ist.

Der Standpunkt, den der VfGH im Jahr 1982 (VfSlg 9336/1982) eingenommen hat, nämlich dass die Erkenntnisse der Agrarbehörden über die wahren Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut offenkundig verfassungswidrig gewesen wären, wenn diese Erkenntnisse für ein Eigentum der Agrargemeinschaft lauteten, ist offenkundig falsch. Er gründet auf Fiktion und Erfindung – Erfindung mit dem Ziel der Enteignung der Besitzer von Grund und Boden.

 

FLURVERFASSUNGS-GRUNDSATZGESETZ 1932

Das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz BGBl 1932/256 löste im Jahr 1932 das TRRG aus dem Jahr 1883 ab. Ausdrücklich ist das Gemeindegut auch nach diesem neuen Gesetz Gegenstand der agrarischen Operation in Vollzug der Agrarbehörde (§ 15 Abs 2 lit d FlurVerfGG 1932).

Die Agrarbehörde wurde somit als gesetzlicher Richter für die agrarische Operation am Gemeindegut bestätigt. Gem § 34 Abs 4 FlurVerfGG 1932 erstreckte sich die Zuständigkeit der Behörde ausdrücklich auf die Entscheidung von Streitigkeiten über das Eigentum an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken, somit auch am Gemeindegut. Idente Regelungen waren im FlurVerfGG 1952 enthalten § 15 Abs 2 lit d und § 34 Abs 4 leg.cit.

Ausdrücklich definierte auch das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz aus dem Jahr 1935 das „Gemeindegut“ als Gegenstand der agrarischen Operation; ausdrücklich war den Agrarbehörden zur Pflicht gemacht, im Zuge der agrarischen Operation (Teilung und Regulierung) über das Eigentum am „Gemeindegut“ zu entscheiden.

§ 38 Abs 1 TFLG 1935 lautete: „Die Behörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“; § 38 Abs 1 TFLG 1952 lautete: „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“; § 37 Abs 1 TFLG 1969 lautete: „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“; § 38 Abs 1 TFLG 1978 lautete:  „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“; § 38 Abs 1 TFLG 1996 lautet:  „Die Agrarbehörde hat festzustellen, welche Liegenschaften agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind und wem sie gehören, insbesondere …“ Der Wortlaut des Gesetzes und der gesetzliche Auftrag an die Agrarbehörde ist somit eindeutig: Zu fällen ist eine Feststellungsentscheidung“.

Die Agrarbehörde war auch nach dem Recht der Republik Österreich ab dem Jahr 1932 der gesetzliche Richter zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse am „Gemeindegut“. Das Agrarverfahrensgesetz (AgrVG. 1950) bestätigte in seinem § 14, dass die Entscheidungen der Agrarbehörde urteilsgleiche Wirkung entfalten. (§ 14AgrVG. 1950) Die Bescheide der Agrarbehörde und die von ihr genehmigten Vergleiche (Übereinkommen) haben insbesondere auch hinsichtlich der Vollstreckbarkeit die Rechtswirkung gerichtlicher Urteile und Vergleiche.

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URTEIL ÜBER DAS EIGENTUM

Unter anderem hatte die Agrarbehörde nach dieser Gesetzeslage distinktiv zu entscheiden, wer der wahre Eigentümer eines als Gemeindegut genutzten Grundstücks war.

Der LAS Tirol vom 5.8.1969 LAS-104/17 – Gemeindegut Trins / Regulierung – unter dem Vorsitz des späteren Richters am Verfassungsgerichtshof, Dr. Andreas Saxer, hat dazu treffend folgendes entschieden:
Das zweite Hauptstück des FLG enthält unter der Überschrift `Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken´, einleitende Bestimmungen, die im Zuge aller nach diesem Hauptstück durchzuführenden Bodenreformmaßnahmen anzuwenden sind. In § 75 FLG, der den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens bei der Regulierung beschreibt, ist zwar die Feststellung des Eigentumsrechts zugunsten einer Agrargemeinschaft nicht angeführt; es ergibt sich aber aus den erwähnten einleitenden Normen des 2. Hauptstückes (§ 36 Abs. 2 lit. d und § 38 Abs. 1 und 7 FLG) die Aufgabe, im Zuge des Verfahrens festzustellen, welche Grundparzellen Gemeindegut und damit agrargemeinschaftliche Liegenschaften sind, und wem sie gehören, insbesondere ob das Eigentum den Nutzungsberechtigten als Miteigentümern oder einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft zusteht.“

Das war immer im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz so geregelt (zur entsprechenden Kompetenz der Agrarbehörden: s § 34 Abs 4 FlVerfGG 1951 und § 35 Abs 1 FlVerfGG 1951; zur Ermittlungspflicht betreffend die Eigentumsverhältnisse am „Operationsgebiet: s § 31 FlVerfGG 1951; vgl § 10 Abs 3 FlVerfGG 1951); das war in den Landesausführungsgesetzen zum Flurverfassungs-Grundsatzgesetz immer so geregelt. Die Agrarbehörden hatten über die Eigentumsverhältnisse am Operationsgebiet zu entscheiden: vgl §§ 38 Abs 1 NÖ FLG 1934; 38 Abs 1 Tiroler FLG 1935, 37 Vlbg FLG 1951 usw (ausführlich dazu: Pernthaler/Oberhofer, Die Agrargemeinschaften und die „agrarische Operation“, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 429ff [444ff]).

Konsequenter Weise hat die Agrarbehörde in diversen Verfahren entschieden, dass eine Gemeinde Eigentümerin des Gemeindeguts war und ist. Zu verweisen ist auf die Beispiele der Agrargemeinschaften Sölden (Liegenschaft in EZ 195 GB 80110 GB Sölden) St. Anton (Liegenschaft in EZ 106 GB 84010 GB St. Anton am Arlberg), Pians (EZ 95, 96 GB 84009 Pians), Fiss (EZ 53 GB 84103 Fiss), Weissenbach (Liegenschaft in EZ 149 GB 86041 GB Weissenbach), Nesselwängle (Liegenschaft in EZ 94 GB 86026 GB Nesselwängle), Heiterwang (EZ 121 GB 86015 Grundbuch Heiterwang) uam. Daran ist nichts verfassungswidrig. Wenn eine solche Entscheidung rechtskräftig wird, dann ist die politische Ortsgemeinde Eigentümerin im Rechtssinn.
Dazu: Pernthaler/Oberhofer, Die Agrargemeinschaften und die „agrarische Operation“, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 449f; s auch: Gemeindegut: wessen Eigentum?)

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EINGRIFF DES VERFASSUNGSGERICHTS

Diese Rechtslage erfuhr im Jahr 1982 insofern einen Einschnitt, als der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 9336/1982 eine angebliche undifferenzierte Behandlung von Gemeindegut im Flurverfassungsrecht beanstandete. Der Verfassungsgerichtshof hat ein Eigentum der Ortsgemeinde kraft Gesetzes erfunden und daraus abgeleitet, dass die Agrarbehörde keine gegenteilige Entscheidung zu treffen hätte.
Mit diesem Argument wurde der Tatbestand des § 15 Abs 2 lit d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 und § 33 Abs 2 lit c des Tir. Flurverfassungslandesgesetzes 1978 wegen angeblicher Gleichheitswidrigkeit als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Bundesregierung hatte in ihrer Stellungnahme im Gesetzesprüfungsverfahren für den Fall der Aufhebung von Gesetzesbestimmungen „für das Außerkraftsetzen der aufgehobenen Rechtsvorschriften“ um eine Frist von einem Jahr ersucht, da in diesem Fall Vorsorge für eine gesetzliche Neuregelung auf Bundes- und Landesebene getroffen werden müsse, was naturgemäß einen gewissen Zeitraum beanspruchen würde. (Bundeskanzleramt 23. Juni 1981, GZ 655 888/3-V/3/1977)

Als es tatsächlich zur Aufhebung kam, hat der Bundesgesetzgeber jedoch nichts mehr unternommen. Im Jahr 1982 regierte Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky mit einer SPÖ-Alleinregierung. Das wahre Eigentum der Grundbesitzer als Realgemeinde lag der damaligen Regierung (verständlich) nicht am Herzen. Auch später hat sich keine Regierung mehr aufgerafft, neue, differenzierte Regelungen zur agrarischen Operation am „Gemeindegut“ zu schaffen.
Tatsächlich hätte dringender Sanierungsbedarf bestanden.

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HALBE GESETZESSANIERUNG IN TIROL

Anders als der Bundes-Grundsatzgesetzgeber hat der Tiroler Landesgesetzgeber nach dem Gesetzeseingriff des VfGH zum 28. Februar 1983 die Kompetenz der Agrarbehörde als gesetzlicher Richter über das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung neu geregelt: Nach dem Spruch des Erkenntnisses VfSlg 9336/1982 trat die Aufhebung des § 33 Abs 2 lit c TFLG 1978 per 28. Februar 1983 in Kraft. Bereits mit LG vom 16. Dezember 1983 LGBl 1984/18 wurde § 33 TFLG 1978, der die Zuständigkeit der Agrarbehörde regelt, neu gefasst. Die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur (differenzierten) Entscheidung als gesetzlicher Richter über die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut wieder eindeutig geregelt (§ 33 Abs 2 lit c TFLG 1978. Für Tirol und auf dem Boden des Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG war damit die Kompetenz der Agrarbehörde als gesetzlicher Richter für Gemeindegut außer Zweifel.

Ausdrücklich wurde in den Übergangsbestimmungen (LGBl 18/1984 vom 16. Dezember 1983) darauf hingewiesen, dass alle laufenden Verfahren in Anwendung des neuen Gesetzes zu Ende zu führen seien; bereits erlassene Bescheide, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes in Rechtskraft erwachsen seien, sollten unberührt bleiben. Noch viel mehr galt und gilt dies für Bescheide in rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren.

Ergebnis: Wenn die Agrarbehörde entschieden hat, dass eine Agrargemeinschaft Eigentümerin eines „Gemeindeguts“ war und ist und dass bestimmte Liegenschaftseigentümer an dieser Agrargemeinschaft nach bestimmten aliquoten Anteilsrechten beteiligt sind, dann war diese Agrargemeinschaft Eigentümerin im Rechtssinn und die Eigentümer der Mitgliedsliegenschaften waren im Rechtssinn Eigentümer von aliquoten Anteilsrechten.

In diesem Sinn wurden die Entscheidungen der Agrarbehörde über Jahrzehnte verstanden. Agrargemeinschaften haben über den Verkauf oder die Teilung solcher Liegenschaften entschieden und Verkaufs- oder Teilungsgeschäfte durchgeführt. Dies unbeanstandet über Jahrzehnte!

Bei näherem Hinsehen erweisen diese Umstände das „atypische Gemeindegut“ eine bloße Erfindung  – eine Erfindung, zur entschädigungslosen Enteignung der Tiroler Grundbesitzer zu veranstalten!

 

ZUSAMMENFASSUNG

Das „Gemeindegut“ war nach dem eindeutigen Willen des historischen Reichsgesetzgebers des Jahres 1883 Gegenstand der „agrarischen Operationen“ (Teilung und Regulierung) in Vollzug der Bodenreformbehörden. Nur diese Behörden konnten rechtskräftig entscheiden, wessen wahres Eigentum ein „Gemeindegut“ tatsächlich war.

Der Gesetzgeber des Bodenreformrechtes – und ausschließlich dieser – ist nach der Bundesverfassung der zuständige Gesetzgeber für die Teilung und Regulierung von Gemeindegut. Der Landesgesetzgeber, der beispielsweise für das Gemeinderecht zuständig gemacht wurde (Art 15 B-VG), ist für Gesetzesbestimmungen betreffend die Teilung und Regulierung von Gemeindegut unzuständig!

Die Agrarbehörde ist somit auch auf dem Boden der Bundesverfassung der gesetzliche Richter zur Durchführung der agrarischen Operation an „Gemeindegut“. Die Agrarbehörde ist somit auch auf dem Boden der Bundesverfassung der gesetzliche Richter zur rechtskräftigen Entscheidung darüber, wessen wahres Eigentum ein Gemeindegut ist.

Der Standpunkt, den der VfGH im Jahr 1982 (VfSlg 9336/1982) eingenommen hat, nämlich dass die Erkenntnisse der Agrarbehörden über die wahren Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut offenkundig verfassungswidrig gewesen wären, wenn diese Erkenntnisse für ein Eigentum der Agrargemeinschaft lauteten, ist offenkundig falsch. Er gründet auf Fiktion und Erfindung – Erfindung mit dem Ziel der Enteignung der Besitzer von Grund und Boden.

Wenn die Agrarbehörde entschieden hat, dass eine Agrargemeinschaft Eigentümerin eines „Gemeindeguts“ war und ist und dass bestimmte Liegenschaftseigentümer an dieser Agrargemeinschaft nach bestimmten aliquoten Anteilsrechten beteiligt sind, dann war diese Agrargemeinschaft Eigentümerin im Rechtssinn und die Eigentümer der Mitgliedsliegenschaften waren im Rechtssinn Eigentümer von aliquoten Anteilsrechten.

In diesem Sinn wurden die Entscheidungen der Agrarbehörde über Jahrzehnte verstanden. Agrargemeinschaften haben über den Verkauf oder die Teilung solcher Liegenschaften entschieden und Verkaufs- oder Teilungsgeschäfte durchgeführt. Dies unbeanstandet über Jahrzehnte!

Bei näherem Hinsehen erweisen diese Umstände das „atypische Gemeindegut“ als eine bloße Erfindung  – eine Erfindung, um eine entschädigungslose Enteignung der Tiroler Grundbesitzer zu veranstalten!

 

Rechtsunsicherheit veranlasste die Gesetzgebung

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MP