Forstservitutenablösung in Nordtirol

Auszug aus: Gerald Kohl, Die Forstservitutenablösung im Rahmen der Tiroler Forstregulierung 1847, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010) 105 ff

Übersicht

Im Rahmen der Tiroler Forstregulierung kam es unter anderem zu einer Forstservituten-Ablösung. Die dafür eingesetzte Kommission verhandelte mit den eigens dazu unter Aufsicht der Landgerichte gewählten Vertretern der bis dahin an den aerarischen Wäldern jeweils Nutzungsberechtigten: Dabei handelte es sich um sechs oder zwölf Personen, die als Bevollmächtigte auf der Grundlage einer vor dem zuständigen Landgericht errichteten und amtlich beurkundeten Bevollmächtigungsurkunde agierten. Die Vertretungsbefugnis der Bevollmächtigten war gesetzlich geregelt; sie waren uneingeschränkt hinsichtlich jeder Art von Forstservituten verhandlungs- und vertretungsbefugt.

Mit diesen Bevollmächtigten schloß die FSAK, mangels Zwangsbefugnis auf freiwilliger privatrechtlicher Grundlage, entgeltliche Rechtsgeschäfte in der Form von Vergleichen ab, die in der Folge von den Wiener Zentralstellen genehmigt und als Eigentumstitel anerkannt, verfacht und verbüchert wurden. Die GRP-Gemeinde als partielle Vorläuferin der heutigen politischen Ortsgemeinde war in die Vorbereitung des Ablösungsgeschäftes mit der Durchführung angeordneter Erhebungen eingebunden.

Nur die zuvor nutzungsberechtigten Stammliegenschaftsbesitzer konnten die vom Aerar geforderte Freistellung bestimmter Teilflächen von ihren Holznutzungsrechten bieten; nur sie hatten in Form einer durch das FRP konstituierten „holzbezugsberechtigten Gemeinde“ Anspruch auf die Gegenleistung des Ablösungsgeschäfts, das freie Eigentum an anderen Teilflächen. Vom Kreis der Vertragspartner ausgeschlossen blieben daher jene, denen nach dem 1847 geltenden Recht keine Forstnutzungsrechte an landesfürstlichen Waldungen zustanden, sei es, daß sie aufgrund von Teilung oder Verleihung über so viel privates Waldeigentum verfügten, daß daraus ihr Haus- und Gutsbedarf gedeckt werden konnte, sei es, daß sie generell von Einforstungsrechten ausgeschlossen gewesen waren.

Einzelheiten

Im Rahmen der Forstregulierung wurden durch die Forstservituten-Ablösungskommission (FSA) „in den künftig vorbehaltenen Staatswäldern die Holzbezugsrechte oder Gnadenholzbezüge der Unterthanen, in so ferne ihnen solche nach den alten Waldordnungen zukommen, durch Ausscheidung und Ueberweisung einzelner Forsttheile in das volle Eigenthum, und zwar nicht der einzelnen Unterthanen, sondern der betreffenden Gemeinden, so weit es nur immer zulässig ist, abgelöst“ (Pkt 3 FRP). Die unterschiedlichen Berechtigungen an den Tiroler Wäldern, also das aus dem landesfürstlichen Forstregal resultierende „Obereigentum“ einerseits und die „Genußrechte der Unterthanen nach den überkommenen Tiroler Landesordnungen“ andererseits, sollten damit so weit wie möglich – im Idealfall vollständig – entflochten werden. Im Sinne der gesetzlichen Vorgabe (Pkt 3 FRP) und des jeweiligen ausdrücklichen Vergleichsinhalts gingen die Holzbezugsrechte der Berechtigten an den fortbestehenden Regalitätsforsten dabei unter, während zugleich ein Teil der früher belasteten Liegenschaften als Ablösefläche in das freie Eigentum der aus den früheren Berechtigten zusammengesetzten Gemeinschaft – „Gemeinde“ im Sinne des ABGB – übertragen wurde.

Die darüber errichteten Vergleiche stellten Eigentumstitel dar, was nicht nur zahlreiche Verfachungen sowie später Grundbuchseinverleibungen belegen: In jenen Gebieten, in denen die FEPK nach der FSAK amtierte, nahm sie auf die FSA-Vergleiche Bedacht und anerkannte sie als möglichen Privateigentumstitel. Nachdem die Nutzungsrechte in der Regel auf einen Haus- und Gutsbedarf abstellten, kamen als Nutzungsberechtigte nur Liegenschaftseigentümer („Stammliegenschafts­besitzer“) in Frage. Umgekehrt mußte jedoch nicht jedes Liegenschaftseigentum mit einer Nutzungsberechtigung verbunden sind. Jene Liegenschaftseigentümer, die zum Zeitpunkt der Erhebungen über die 1847/48 bestehenden Waldnutzungsrechte keine solchen Rechte besaßen, insbesondere weil sie aufgrund von Rechtstiteln – die IFSAK nannte konkret „Auftheilung“ und „Verleihung“ – ohnehin bereits über so viel Eigenwald verfügten, daß sie daraus ihren Haus- und Gutsbedarf decken konnten, wurden konsequenter Weise nicht in die FRP-Gemeinde einbezogen.

Dieser Bestimmung lag möglicherweise der Gedanke zugrunde, daß das unentgeltlich aus „Gemeinheitsteilung“ oder aus landesfürstlicher Verleihung stammende Privateigentum an Forsten ohnehin letztlich auf Kosten des landesfürstlichen Waldvermögens anstelle alternativer Einforstungsrechte entstanden sei. Die Ausschließung jener Personen, die keine Bezugsrechte aus landesfürstlichem Forsteigentum besessen hatten, versteht sich nahezu von selbst: Zweck des Geschäfts war es eben, bestehende Rechtsansprüche auf landesfürstlichem Eigentum durch Abtretung eines Teiles der belasteten Liegenschaften abzulösen; dieses entgeltliche Rechtsgeschäft war seiner Natur nach nur mit jener Personengruppe zu vollziehen, welche aufgrund historischer Rechtstitel berechtigt war. Dementsprechend standen sowohl die ursprünglich belasteten als auch die schließlich abgetretenen Waldflächen in einem engen Verhältnis zu den Bezugsrechten: Aus einem „ungünstigen Ertragsverhältniße erklärt[e] sich [eine] bedeutend größere Zutheilung an Waldflächen“, überdurchschnittlicher Ertrag begründete „eine verhältnißmäßig kleinere Fläche“. Für unentgeltliche Zuwendungen bestand in diesem Zusammenhang keine Veranlassung.

Mit dem Austausch beschränkter Nutzungen an einer Gesamtfläche gegen freies Eigentum an Teilflächen erweist sich die FSA als typischer Fall einer Servitutenregulierung und damit als letzter Vorläufer des Gesetzes über die „Regulierung und Ablösung der Holz-, Weide- und Forstprodukten-Bezugsrechte, dann einiger Servituts- und gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte“, des sogenannten „Servitutenregulierungspatents“ RGBl 1853/130. Den Bestimmungen dieses Patents unterlagen „alle gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechte auf Grund und Boden, wenn sie“ entweder „zwischen gewesenen Obrigkeiten und Gemeinden, sowie ehemaligen Unterthanen“ oder „zwischen zwei oder mehreren Gemeinden“ bestanden.

An die Stelle von RGBl 1853/130 traten später die Bestimmungen des Teilungs- und Regulierungs-Reichsgesetzes (TRRG), RGBl 1883/94, die jenen von 1853 nachgebildet waren. Von den gemeinschaftlichen Besitz- und Benützungsrechten „zwischen gewesenen Obrigkeiten und Gemeinden oder ehemaligen Unterthanen, sowie zwischen zwei oder mehreren Gemeinden“ unterschied das Gesetz von 1883 allerdings jene Rechte, „welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde, einer oder mehrerer Gemeindeabtheilungen, Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften (Classen der Bauern, Bestifteten, Singularisten und dergl.) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft (…) gemeinschaftlich oder wechselweise benützt werden“. Für diese Variantenvielfalt gäbe es keine Begründung, hätte der Gesetzgeber schon 1849 das Vermögen aller „Gemeinden“ den politischen Ortsgemeinden überlassen wollen. „Wirksamkeit“ von RGBl 1883/94 sowie Außerkrafttreten von RGBl 1853/130 waren übrigens vom Inkrafttreten der landesgesetzlichen Ausführungsgesetzgebung abhängig; für Tirol erfolgte dies erst 1909.

Schon den Zeitgenossen war die Forstservituten-Ablösung des FRP als eine Form der Servitutenablösung erschienen: Es sei demnach „angeordnet [worden], auch in den Regalitätsforsten die Servituten (!) und Gnadenholzbezüge der Unterthanen (…) soweit nur immer thunlich durch Ausscheidung und Überweisung einzelner Forsttheile in das volle Eigenthum der betreffenden berechtigten Gemeinden abzulösen.“ Zu Recht wurde die Tiroler Forstregulierung daher auch noch später als ein „älterer Versuch zur Lösung der Servitutenfrage“ beurteilt. Der Umstand, daß die Umsetzungsakte zum FRP Eigentumsrechte begründeten, wurde wiederholt anerkannt. So war man sich im Zuge der Grundbuchsanlegung darüber im Klaren, daß die FEPK und die FSAK „zahlreiche wirkliche Privateigentumswaldungen“ geschaffen hatten. Noch das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 erklärte „Grundstücke, die im Zuge von Verfahren nach der Kaiserlichen Entschließung vom 6. Februar 1847 (…) einer Mehrheit von Berechtigten ins Eigentum übertragen wurden“, als „agrargemeinschaftliche Grundstücke“.

Wollte man nämlich eine (erst zu fingierende) politische Ortsgemeinde als Empfängerin der in Teilflächen bestehenden Ablöseleistung und damit als Begünstigte aus der Beseitigung bzw der Beschränkung des örtlichen Umfanges der Regalität ansehen, so würde dies unter anderem bedeuten, daß der Landesfürst die Holzbezugsberechtigten bei den Ablöseverhandlungen und Vergleichsabschlüssen in Irrtum geführt und verkürzt hätte: Trotz Lastenfreistellung beträchtlicher Flächen für das Aerar wäre der Landesfürst die in Aussicht gestellte Gegenleistung, nämlich ein freies Privateigentum, wie es Gegenstand zahlloser anhängiger Rechtsstreitigkeiten gewesen war, schuldig geblieben. Die Holzbezugsberechtigten hätten also nichts bekommen, sondern nur in bedeutendem Umfang auf Rechte verzichtet. Wäre die politische Ortsgemeinde dabei selbst Vertragspartei der Vergleichsabschlüsse gewesen, so würden sittenwidrige Verträge zu Lasten Dritter, eben der früher Nutzungsberechtigten, vorliegen. Der massenhafte Abschluß derartiger Verträge kann der Staatsverwaltung mE aber nicht unterstellt werden.