Hermann Wopfner (* 21. Mai 1876 in Innsbruck; † 10. Mai 1963 in Natters) war ein österreichischer Historiker, Wirtschaftshistoriker und Rechtswissenschaftler und Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck, der er in den Jahren 1928 und 1929 als Rektor vorstand. Univ.-Prof. DDr. Dr. hc. Hermann Wopfner studierte Geschichte, Rechtswissenschaften und Geographie in Innsbruck, Wien, Tübingen und Leipzig. 1900 promovierte er mit einer Dissertation über den deutschen Bauernkrieg der Jahre 1525 und 1526. Vier Jahre später habilitierte er in Wirtschaftsgeschichte und nach weiteren zwei Jahren in österreichische Geschichte. Er befasste sich mit den Rechtswissenschaften und promovierte 1909 in Tübingen zum Dr. jur. mit einer Dissertation über das Freistiftrecht in Tirol. Bereits ein Jahr zuvor 1908 wurde er zum außerordentlichen Professor an die Universität Innsbruck berufen, wo er 1914 den Lehrstuhl (Ordinarius) für österreichische Geschichte und allgemeine Wirtschaftsgeschichte besetzte und dessen Rektor er 1928 und 1929 wurde. 1923 gründete er das Institut für geschichtliche Siedelungs- und Heimatkunde der Alpenländer an der Philosophischen Fakultät der Innsbrucker Universität. 1929 wurde er zum geschäftsführenden Vorsitzenden des „Atlas der deutschen Volkskunde (ADV) in Österreich“ ernannt. Das Institut für Volkskunde leitete er bis 1938 sowie nach dem Zweiten Weltkrieg von 1945 bis 1949. Wopfner war Ehrenmitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften und erhielt 1956 das Ehrendoktorat der Universität Innsbruck”

Hermann Wopfner (* 21. Mai 1876 in Innsbruck; † 10. Mai 1963 in Natters) war ein österreichischer Historiker, Wirtschaftshistoriker und Rechtswissenschaftler und Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck, der er in den Jahren 1928 und 1929 als Rektor vorstand. Univ.-Prof. DDr. Dr. hc. Hermann Wopfner studierte Geschichte, Rechtswissenschaften und Geographie in Innsbruck, Wien, Tübingen und Leipzig. 1900 promovierte er mit einer Dissertation über den deutschen Bauernkrieg der Jahre 1525 und 1526. Vier Jahre später habilitierte er in Wirtschaftsgeschichte und nach weiteren zwei Jahren in österreichische Geschichte. Er befasste sich mit den Rechtswissenschaften und promovierte 1909 in Tübingen zum Dr. jur. mit einer Dissertation über das Freistiftrecht in Tirol. Bereits ein Jahr zuvor 1908 wurde er zum außerordentlichen Professor an die Universität Innsbruck berufen, wo er 1914 den Lehrstuhl (Ordinarius) für österreichische Geschichte und allgemeine Wirtschaftsgeschichte besetzte und dessen Rektor er 1928 und 1929 wurde. 1923 gründete er das Institut für geschichtliche Siedelungs- und Heimatkunde der Alpenländer an der Philosophischen Fakultät der Innsbrucker Universität. 1929 wurde er zum geschäftsführenden Vorsitzenden des „Atlas der deutschen Volkskunde (ADV) in Österreich“ ernannt. Das Institut für Volkskunde leitete er bis 1938 sowie nach dem Zweiten Weltkrieg von 1945 bis 1949. Wopfner war Ehrenmitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften und erhielt 1956 das Ehrendoktorat der Universität Innsbruck”

-.-.-.-.-.-

Wie kein anderer hat der Tiroler Universitätsprofessor DDr. Dr. hc. Hermann Wopfner sein gesamtes wissenschaftliches Lebenswerk der Siedlungs-, Kultur-, Wirtschafts- und Rechtsgeschichte des Tiroler Bauernstandes gewidmet.

Die Ergebnisse seiner lebenslangen Forschungen finden sich zusammengefasst im “Bergbauernbuch”, drei Buchbände, gegliedert in XII Hauptstücke, ca 1.800 Seiten insgesamt.

Im V. Hauptstück, “Von der `Gemain´ und der Gemeinde”, erklärt Wopfner auch, was unter dem Begriff “Fraktion” in Tirol zu verstehen sei. Wopfner erklärt den Begriff “Fraktion” als „Kanzleisprachenausdruck” für eine “Nachbarschaft” (Hermann Wopfner, Bergbauernbuch, Band 2, Seite 255).

Wopfner schrieb diese Zeilen vor Jahrzehnten. Den Ausbruch des Agrarstreits in Tirol konnte er nicht vorhersehen. Genauso wenig konnte er vorhersehen, dass die Frage, was unter einer „Fraktionen“ in Tirol zu verstehen sei, 50 Jahre nach seinem Tod eine der brennenden Fragen im Tiroler Agrarstreit würde.

-.-.-.-

Übersicht:
Fraktion als Gemeindeteil?
NS-Unrechtsgesetz als Legitimation?
1945: Österreichische Gemeinden errichtet
„Fraktion“ ist eine Nachbarschaft
Fraktion und Forstregulierung 1847
Grundbuch und Fraktion
Fraktion als Eigentümerin
Fraktionen im modernen Grundbuch
Fraktionen im historischen Grundbuch
Fraktionen Mattersberg und Moos
Erscheinungsformen der Fraktionen
Wurzeln des Fraktionsbegriffes
Forstregulierung 1847 (Art 3 FRP)
Prov. Gemeindegesetz 1849
Das Tiroler Fraktionsgesetz 1893
Erfindung bei der Grundbuchanlegung
Fraktion als „Gemeinde“ gem Art 2 FRP
Fraktion als Eigenschaft
Inkonsequenz der Grundbuchanlegung

Ergebnisse

-.-.-.-

„FRAKTION“ ALS GEMEINDETEIL?

Für gewöhnlich wird von der Agrarbehörde heute die Auffassung vertreten, dass dann, wenn bei der Grundbuchanlegung eine „Fraktion“ als Eigentümerin einverleibt wurde, es sich dabei um eine „Einrichtung gemeinderechtlicher Art“ gehandelt habe.

Diese Erscheinung von „Fraktion“ sei – so die Agrarbehörde heute – mit Inkrafttreten der NS- Gemeindeordnung in Österreich per 1.Oktober 1938 aufgelöst worden; die jeweilige Ortsgemeinde sei Rechtsnachfolgerin dieser (aufgelösten) „Fraktionen“; in Konsequenz sei die politische Ortsgemeinde Eigentümerin des ehemaligen Fraktionsvermögens.

Die Auflösung der “Fraktion” durch den NS-Unrechtsstaat und die Überführung ihres Eigentums in das Eigentum der politischen Ortsgemeinden (vgl etwa das Beispiel der AGM Virgen-Dorf) wirke heute insofern nach – so die heutige Agrarbehörde weiter, als die spätere Regulierung eines solchen Eigentums in einer Agrargemeinschaft angeblich “offenkundig verfassungswidrig”  sei.

Daraus leitet die Agrarbehörde ab, dass Liegenschaften, die ursprünglich auf eine “Fraktion” im Grundbuch einverleibt waren und später in einer Agrargemeinschaft reguliert wurden, heute ein “atypisches Gemeindegut” darstellen. Auch ein solches, nur durch ein NS-Unrechtsgesetz  in das Gemeindeeigentum überführtes “Fraktionsvermögen” sei heute ein “atypisches Gemeindegut” im Sinn des VfGH-Erkenntnisses VfSlg 18.262/2008 (“Mieders-Verkenntnis“).

So lautet jedenfalls die Auffassung der Tiroler Agrarbehörde, die die dt NS-Gemeindeordnung 1935 heute als Rechtsgrundlage für die behauptete Gemeindesubstanz bei ehemaligen “Fraktionen” heranzieht. Dies in weit über 100 Bescheiden, mit denen heute eine Gemeindesubstanz festgestellt wurde.

NS-UNRECHTSGESETZ ALS LEGITIMATION?

Bemerkenswert ist, dass ein NS-Unrechts-Gesetz, nämlich die dt Gemeindeordnung 1935, heute als Grundlage des Eigentumserwerbs durch die politischen Ortsgemeinden herhalten muss. Und bemerkenswert ist, dass die Korrektur dieser angeblichen Auswirkung der dt Gemeindeordnung 1935 durch nachfolgende, rechtskräftige Agrarbehördenentscheidung heute “offenkundig verfassungswidrig” sein soll!

Die Auslöschung des autonom verwalteten Fraktionseigentums durch ein NS-Unrechtsgesetz soll legitim sein, während die Regulierungsmaßnahme  der historischen Agrarbehörde “offenkundig verfassungswidrig” ist? Diese besondere Note des Tiroler Agrarstreits, die NS-Unrechtsgesetze über das Flurverfassungsrecht stellt, verstehe, wer kann. Mit der anerkannten Methodenlehre der Rechtswissenschaft ist das unvereinbar!
Offenkundig ist, dass hier das anerkannte Wertesystem unserer gesamten Rechtsordnung auf den Kopf gestellt wurde. Dies nach der Handlungsmaxime: Substanzrecht der Ortsgemeinde um jeden Preis! Im Blick auf das politische Wollen, wonach das Mieders-Verkenntnis „auf Punkt und Beistrich umgesetzt“ werden soll (LH Günther Platter), interessiert dieser Umstand bedauerlicher Weise weder die Öffentlichkeit und noch viel weniger die Agrarbehörde selbst.

Eine Gemeindesubstanz, die auf der dt Gemeindeordnung 1935 als Rechtsgrundlage beruht, würde wohl voraussetzen, dass der durch die Einführung der dt Gemeindeordnung im “Land Österreich” zum 1. Oktober 1938 bewirkter Eigentumserwerb eine rechtmäßige Maßnahme war und kein “NS-Gewaltakt”. Das Urteil der Historiker zur NS-Gemeindeordnung 1935 wirft freilich ein schlechtes Licht auf dieses  `Grundgesetz des nationalsozialistischen Staates´ und auf seine Rechtsfolgen.

So definiert der Linzer Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber die dt Gemeindeordnung 1935 als Unrechtssystem. “Die DGO wurde bei ihrer Einführung im Deutschen Reich 1935 als `Grundgesetz des nationalsozialistischen Staates´ verstanden. Sie sah keine demokratisch gewählten Gemeindevertretungen vor und sollte der Übereinstimmung der kommunalen Organe mit der NS-Staats- und Parteiführung dienen. Eine der Stoßrichtungen dieser Gemeindeordnung war es, den Durchgriff der von der Partei eingesetzten Bürgermeister und damit der Partei insgesamt auf möglichst alle nachgeordneten Körperschaften und Vermögen zu sichern.” (Roman Sandgruber, Gutachterliche Stellungnahme – Haller´sche Urkunden (2012) Gutachten, erstellt im Auftrag der Tiroler Landesregierung)

Vor diesem Hintergrund ist es höchst verwerflich, wenn die Ausschaltung der autonomen “Fraktionswirtschaft” mit Einführung der dt Gemeindeordnung heute dadurch überhöht wird, dass den Auswirkungen daraus Verfassungsschutz zugebilligt wird. Dem NS-Unrechtsstaat ging es bei dieser Maßnahme ausschließlich darum, auch auf Gemeindeebene den Einfluss der NS-Partei durchzusetzen. Von einem  legitimen Eigentumserwerb der politischen NS-Ortsgemeinden kann keine Rede sein.

In Konsequenz muss es als völlig FALSCH gebrandmarkt werden, wenn heute Agrarbehördenbescheide als offenkundig verfassungswidrig hingestellt werden, weil diese ehemalige “Fraktionsliegenschaften” als Agrargemeinschaften regulierten. Vielmehr wurde lediglich die autonome Verwaltung und Nutzung der Fraktionisten (nun “Agrargemeinschaftsmitglieder”) wieder hergestellt. Es wurde der Zustand restituiert, wie dieser vor Inkrafttreten der NS-Unrechts-Gemeindeordnung bestanden hat.
Von einer “offenkundig verfassungswidrigen” Maßnahme kann überhaupt keine Rede sein!

1945: ÖSTERREICHISCHE GEMEINDEN ERRICHTET

Unterstellt man die NS-Gemeindeordnung als Rechtsgrundlage des Eigentumserwerbs der heutigen politischen Ortsgemeinden, so ist dies zuerst einmal problematisch wegen des NS-Unrechtsgesetzes als solchem, dem  hier eine quasi nachwirkende Bedeutung  unterstellt wird: Die autonome Verwaltung und Nutzung des “Fraktionsvermögens”  ausschließlich durch die “berechtigten Fraktionisten” soll es weiterhin nicht mehr geben; die politische Ortsgemeinde sei legitime neue Eigentümerin.

Ist dies schon dem Grundsatz nach verwerflich, so wird zusätzlich die Tatsache ausgeblendet, dass im Jahr 1945 der Österreichische Staat wiedererrichtet wurde; mit dem Österreichischen Staat wurden im Jahr 1945 neue politische Ortsgemeinden errichtet – Glieder des neuen Österreichischen Staates – anders als ihre unmittelbaren Vorgänger, die Glieder des NS-Unrechtsstaates”, des so “Deutschen Reiches” waren.
Die wiedererrichteten Österreichischen Ortsgemeinden gründen gerade nicht auf den Rechtsgrundlagen für Gemeinden des NS-Staates. Vielmehr wurde bei den Ausführungsgesetzen zum Reichsgemeindegesetz 1862 angeknüpft; die NS-Ära sollte rechtlich ausgeblendet bleiben.

Das Gesetz vom 10. Juli 1945 über die vorläufige Neuordnung des Gemeinderechts – vorläufiges Gemeindegesetz – VGemG, StGBl 1945/66, ist diesbezüglich vollkommen eindeutig: Art 1 VGemG. “Das Gesetz vom 5. März 1862, RGBl Nr 18 (Reichsgemeindegesetz), alle Gemeindeordnungen und Gemeindewahlordnungen sowie die sonstigen auf dem Gebiete der Gemeindeverfassung erlassenen Vorschriften (Gemeindestatute, Stadtrechte) werden in dem Umfange, in dem sie vor Einführung der dt Gemeindeordnung in den österreichischen Ländern in Kraft gestanden sind, nach Maßgabe der folgenden Artikel wieder in Wirksamkeit gesetzt.”
Keine Rede ist in diesem Gesetz davon, dass die Ausschaltung der Fraktionen durch den NS-Staat weiter Geltung haben soll. Und keine Rede ist in diesem Gesetz davon, dass das, was während der NS-Zeit vom NS-Staat zu Gunsten der NS-Gemeinden geraubt wurde, nun wahres Eigentum der neu errichteten Österreichischen Gemeinden sein solle. (vorläufiges Gemeindegesetz – VGemG, StGBl 1945/66)

Aber all das interessiert die heutige Agrarbehörde nicht im Geringsten. Deren Credo ist die “Umsetzung des Mieders-Verkenntnisses auf Punkt und Beistrich” – wie von Landeshauptmann Günther Platter vielfach  gefordert.
Und zur Zielerreichung scheint jedes Mittel Recht – und wenn es ein NS-Unrechtsgesetz ist! Alles was denkmöglich ist, wird gegen das agrargemeinschaftliche Eigentum ins Feld geführt.

„FRAKTION“ IST NACHBARSCHAFT

Kräftig ignoriert die heutige Agrarbehörde bei der Beurteilung von „Fraktionseigentum“ schließlich alle historischen Nachweise, die eine „Fraktion“ als Nachbarschaften ausweisen würden. Insbesondere bleibt unberücksichtigt, wenn ein „Fraktionseigentum“ erweislich aus einer Zeitperiode herstammt, als es im politischen Gemeinderecht gar keine „Fraktionen“ gegeben hat. Nach den Gesetzen der Logik könnte eine solche “Fraktion” nur eine Schein-Fraktion sein – eben eine Nachbarschaft. Aber wenn es um die Umsetzung des politischen Willens geht (Mieders-Verkenntnis auf Punkt und Beistrich), sind auch die Gesetze der Logik außer Kraft.

Das Tiroler Gemeinderegulierungspatent 1819 kannte jedenfalls noch keine „Fraktionen“. Im politischen Gemeinderecht setzte die Bedeutung dieses Begriffes erst mit Inkrafttreten des Provisorischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 ein. § 5 dieses Gesetzes lautete wie folgt: „Gemeinden mit bedeutender Volkszahl steht das Recht zu, sich in Fractionen zu theilen, und denselben zur Erleichterung der Verwaltung einen gewissen Wirkungskreis zuzuweisen.“ Die Entstehung eine „politischen Gemeindefraktion“ setzte danach einen Rechtsakt der modernen Ortsgemeinde voraus – eine „Teilung in Fraktionen“. Ältere Einrichtungen, die nicht einer solchen Teilungsentscheidung der neuen politischen Ortsgemeinde entstammten, können demnach keine gemeinderechtlichen Gebilde sein.
Und solche „älteren Einrichtungen“ gibt es im Tiroler Grundbuch zu Hauf! Nur wird ihr wahrer Ursprung im Recht der Nachbarn auf autonomen Zusammenschluss und autonome Verwaltung ihres Gemeinschaftsvermögens von der Agrarbehörde heute einfach ignoriert! Völlig untaugliche Indizien müssen dafür herhalten, dass in Tirol heute deren Eigentum enteignet und der politischen Gemeindeverwaltung unterworfen wird.

„FRAKTION“ DER FORSTREGULIERUNG 1847

Der „Verdienst“, den Begriff „Fraktion“ in die Tiroler Rechtssprache eingeführt zu haben, gebührt nämlich der Forstservituten-Ablösungs-Kommission, die beginnend ab dem Jahr 1847 mit der Ablösung der Forstservituten in den Staatsforsten Nordtirols beschäftigt war.

Zur Erledigung umfangreicher Rechtsstreitigkeiten zwischen dem kaiserlichen Aerar und den Stammsitzeigentümern Nordtirols wurden in nur zwei Jahren 283 Ablösungsvergleiche verhandelt, von denen der Großteil von den servitutsberechtigten Nordtiroler Stammsitzeigentümern auch angenommen wurde. Der Begriff „Fraktion“ wurde dabei in zahlreichen Vergleichsprotokollen verwendet, um bestimmte Gruppen von Servitutsberechtigten innerhalb einer größeren Gemeinschaft abzugrenzen.

Einschlägige Bestimmungen enthalten unter anderem die Ablösungsvergleiche von Stanz, Angedair und Perfuchs vom 17.12.1847, Arzl im Pitztal vom 10.01.1848, Bach vom 29.08.1848, Berwang vom 21.10.1848, Ehrwald vom 16.10.1848, Elmen vom 31.08.1848; weiters die Ablösungsvergleiche für Elbigenalp, Finkenberg, Imst, Lermoos, Oberperfuss, Gries, Häselgehr, Haiming, Holzgau, Lech-Höfen-Weisenbach-Wängle, Imsterberg, Jerzens, Lermoos, Mieming, Mühlbachl, Matrei, Musau, Nassereith, Nesselwängle und andere mehr.

Insoweit deshalb zum Beispiel in den Katastralgemeinden Berwang, Rinnen, Mitteregg und Bichlbächle im Zuge der Grundbuchsanlegung „Fraktionen“ unter Bezugnahme auf den Servitutenablösungsvergleich vom 21. Oktober 1848 als Eigentümerinnen einverleibt wurden, so hatten die Grundbuchsanlegungsbeamten einfach die jeweiligen Eigentumsträger gemäß der Titelurkunde aus dem Jahr 1848 in das Grundbuch übernommen. Es handelt sich bei diesen „Fraktionen“ also um Nachbarschaften, wo die Summe aller Nutzungsrechte der Nachbarn im Staatsforst gegen ein Gemeinschaftsgut genau dieser Nachbarschaft abgelöst wurde. Eine solche “Fraktion” ist jedenfalls eine Nachbarschaft – genau wie Wopfner den Begriff in seinem Bergbauernbuch erklärt.
Wenn heute in diesen „Fraktionen“ Einrichtungen der politischen Ortsgemeinden vermutet werden, so widerspricht dies der historischen Wahrheit.

-.-.-.-

Jüngste Forschungen zur Verwendung des Begriffes „FRAKTION“ im Zuge der Tiroler Grundbuchanlegung bestätigen Wopfners Begriffserklärung! Vor allem Univ.-Prof. Dr. Gerald Kohl, Institut für Rechtsgeschichte am Juridikum der Universität Wien, hat sich unter Verwertung zahlloser Grundbucheintragungen und Grundbuchanlegungsprotokollen aus allen Tiroler Gerichten mit dem Phänomen der „FRAKTION“ im Tiroler Grundbuch auseinander gesetzt. Nachstehend ein Auszug aus seiner wissenschaftlichen Abhandlung Gerald Kohl, Die Tiroler Grundbuchsanlegung und das „Fraktionseigentum“, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber, Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 177ff.

GRUNDBUCH UND FRAKTION

Anfang der 1980er Jahre vertrat die Tiroler Landesregierung die Ansicht, dass im Zuge der Grundbuchsanlegung in Tirol bei der Beurteilung der Gemeinschaftsliegenschaften Willkür geübt worden wäre: „Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag alleine im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“ Daran anknüpfend verstand die Tiroler Landesregierung das „Gemeindegut“ nur als eine von mehreren möglichen „Ausprägungen der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte“ und als Ergebnis historischer Zufälligkeit. Hier interessiert nun nicht diese irreführende Verwendung des Begriffs „Gemeindegut“, sondern der vorangegangene Befund, also die Einschätzung einerseits der Grundbuchsanlegung, andererseits der ihr zugrunde liegenden wahren Eigentumsverhältnisse.

Die Stellungnahme der Tiroler Landesregierung geht wohl maßgeblich auf Albert Mair zurück, den langjährigen Leiter der Tiroler Agrarbehörde. Er hatte schon 1958 zur Tiroler Grundbuchsanlegung von „mangelnden agrarrechtlichen Kenntnissen der Grundbuchsanlegungskommissäre“ berichtet; daher liege „es auf der Hand, dass die Grundbücher hinsichtlich des Eigentums am Gemeinschaftsbesitz und am Gemeindegut vielfach objektiv völlig unrichtige Eintragungen enthalten.“

FRAKTION ALS EIGENTÜMERIN

In Tirol war der Begriff „Fraktion“, wie einschlägige Untersuchungen von August Unterforcher und Josef Egger zu den alten Benennungen der Dörfer, Gemeinden und ihrer Unterabteilungen zeigen, ursprünglich nicht gebräuchlich. Das Tiroler Gemeinderegulierungspatent 1819 kannte „Fraktionen“ jedenfalls noch nicht. Im politischen Gemeinderecht setzte die Bedeutung dieses Begriffes somit erst mit Inkrafttreten des Provisorischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 ein. Möglicherweise waren Problem und Begriff der Fraktionen dem Schöpfer des ProvGemG 1849, Franz Graf Stadion, während seiner Dienstzeit im Küstenland begegnet.

Theodor Veiter hatte sich vor bald 60 Jahren ausführlich mit dem Problem der Fraktionen beschäftigt, wobei er offensichtlich davon ausgegangen war, dass „Fraktion“ und „Ortschaft“ synonyme Rechtsbegriffe wären – worauf bereits der Klammerausdruck im Titel seiner Arbeit hinwies. Hinter den gleichen Begriffen erkannte er jedoch verschiedene Phänomene: Vom gemeinderechtlichen Begriff der Ortschaft (Fraktion) sollte jene „Ortschaft (Fraktion), die Träger von Sondervermögen ist“, streng unterschieden werden. Fraktionen als Träger von Sondervermögen seien nämlich kein bestimmter Gebietsteil einer Gemeinde, sondern „die rechtspersönliche Gemeinschaft der nutzungsberechtigten Bürger räumlich bestimmter, mit den Gemeindegrenzen nicht notwendig zusammenfallender, in der Regel aber nur Gemeindeteile umfassender Gemeindegebiete“, wobei diesen Bürgern nach alter Übung Vermögensnutzung und ideeller Anteil an der Nutzungs-Substanz des Sondervermögens zukommen würde.

Die Fraktion als Trägerin von Sondervermögen sei also – so Veiter – eine „rechtspersönliche Gemeinschaft nutzungsberechtigter Bürger“. Diese Definition einer Fraktion als Trägerin von Liegenschaftseigentum entspricht dem Begriff der historischen „Gemeinde nach bürgerlichem Recht“, also der moralischen Person gem §§ 26f ABGB, gebildet aus gemeinschaftlich berechtigten Gliedern. Überzogen ist freilich die Annahme Veiters, wonach des Vorhandensein von „Sondervermögen“ zwingend den Ausschlag geben würde, das zu beurteilende Gebilde nicht als Einrichtung des politischen Gemeinderechtes zu qualifizieren. Die Existenz eines solchen Sondervermögens kann als reines Faktum kaum ein tragfähiges Unterscheidungskriterium sein – auch die Rechtspersönlichkeit des Menschen ist bekanntlich nicht von seinen Vermögensverhältnissen abhängig. Zu unklar erscheint auch das zweite Element von Veiters „Definition“: Wenn Veiter nämlich (über)vorsichtig annimmt, dass es sich bei der Fraktion ausserhalb des politischen Gemeinderechts um eine Gemeinschaft von Bürgern „räumlich bestimmter, mit den Gemeindegrenzen nicht notwendig zusammenfallender, in der Regel aber nur Gemeindeteile umfassender Gemeindegebiete“ handle, so ist damit letztlich fast gar nichts mehr ausgesagt. Einerseits suggeriert der Begriff Bürger eine bestimmte Gemeindezugehörigkeit, andererseits kann diese keine Bedeutung haben, wenn das räumliche Naheverhältnis mit den Gemeindegrenzen in keinem Zusammenhang steht. Für eine Bürgergemeinschaft, die auch gemeindeübergreifend organisiert sein kann, spielt Gemeindebürgerschaft keine Rolle. Weiters ist zu berücksichtigen, dass jedes Grundstück, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, einem bestimmten Gemeindegebiet zugeordnet ist, demnach einen „Gemeindeteil“ bildet – die Bezugnahme auf „in der Regel nur (…) Gemeindeteile umfassende Gemeindegebiete“ hat also keine Aussagekraft. Es ist nicht anzunehmen, dass Veiter beispielsweise Wohnungseigentümergemeinschaften als Fraktionen definieren wollte, obwohl es sich dabei zweifellos um Gemeinschaften von Bürgern bestimmter Gemeindeteile handelt, die Träger von Vermögensrechten sind. All dies zeigt, dass Normen des politischen Gemeinderechts seit 1849 die „Fraktion als Trägerin von Sondervermögen nutzungsberechtigter Bürger“ nicht erklären können. Ein Phänomen, das gemeindegrenzüberschreitend organisiert sein kann, bedarf jedenfalls einer anderen Erklärungsgrundlage.

FRAKTIONEN IM MODERNEN GRUNDBUCH

Das elektronische Grundbuch weist gegenwärtig für Tirol einen Stand von etwa 75 verschiedenen Eigentumsträgern aus, die sich durch ihre Zusatzbezeichnung „Fraktion“ erfassen lassen. Für Vorarlberg tauchen noch einige wenige solche Erscheinungen auf; in den anderen Bundesländern können sie nicht (mehr?) nachgewiesen werden. Ein beträchtlicher Teil der Tiroler „Fraktionen“ zeichnet sich durch eine spezifische Anmerkung im A2-Blatt aus, nämlich eine „Unterdenkmalschutzstellung“ samt Zusatzbezeichnung „Kapelle“ in Verbindung mit dem Namen des lokalen Schutzpatrons. Dies trifft etwa auf die zwei „Fraktionen“ im Grundbuch Breitenwang zu: Die „Fraktion Lähn“ ist Eigentümerin der Liegenschaft in EZ 113, „Unterdenkmalschutzstellung Ortskapelle Koloman“, die „Fraktion Mühl“ Eigentümerin der Liegenschaft in EZ 114 mit der „Ortskapelle hl Antonius“. Im Grundbuch Roppen finden sich gleich drei derartige „Kapellenliegenschaften“, nämlich die EZ 185 im Eigentum der „Fraktion Waldele“ mit Denkmalschutz hinsichtlich Kapelle hl Markus in Waldele, die EZ 252 im Eigentum der „Fraktion Leckpuit“ samt Denkmalschutz hinsichtlich Kapelle in Leckpuit sowie die EZ 253 im Eigentum der „Fraktion Ötzbruck“ mit Denkmalschutz hinsichtlich Kapelle hl Antonius in Ötzbruck.

In diesem Zusammenhang scheint sich auch Theodor Veiters Annahme, dass „Fraktion“ und „Ortschaft“ Synonyme wären, zu bestätigen. Interessanter Weise finden sich im modernen Grundbuch Tirols nämlich insgesamt 17 zugunsten von „Ortschaften“ einverleibte Liegenschaften, bei denen mehrheitlich ebenfalls die Anmerkung einer „Unterdenkmalschutzstellung“ erfolgte und ein Rückschluss auf „Kapellenliegenschaften“ möglich ist.

Angesichts der Vielzahl solcher Fälle stellt sich die Frage, ob die „Kapellenliegenschaft“ die typische Erscheinung des seinerzeit von Veiter beschriebenen Phänomens sein könnte, ob also „Fraktionen“ oder „Ortschaften“ typischerweise (nur) als Eigentümer von „Ortskapellen“ begegnen. Dies wird man verneinen müssen: Gerade bei den Ortskapellen ist nämlich keine einheitliche Linie bei der Erfassung der Eigentümer erkennbar. Solche Objekte befinden sich einerseits auch im Eigentum von „Nachbarschaften“, andererseits wurde eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Ortskapellen bei der Grundbuchsanlegung überhaupt als Rechtssubjekt und Eigentumsträger ihrer eigenen Grundfläche erfasst, sodass also nun die „Kapelle als solche“ ihre eigene Eigentümerin ist. So steht die EZ 530 GB 80001 Arzl im Eigentum der „Kapelle Maria-Hilf zu Timmels“; daneben gibt es zahlreiche andere Beispiele.

Dass die Eigentümer solcher Kapellen – unabhängig von ihrer Benennung – jedenfalls ursprünglich keine Einrichtungen der modernen politischen Ortsgemeinde gewesen sein können, ergibt sich schon aus dem jeweiligen Alter der Bauwerke. Diese Erkenntnis macht gerade für die „Fraktion“ als Eigentümerin einer „Kapellenliegenschaft“ deutlich, dass die unkritische Annahme, jede Eigentümerbezeichnung in Verbindung mit dem Wort „Fraktion“ würde automatisch Eigentum der Ortsgemeinde als Rechtsnachfolgerin historischer politischer Ortsfraktionen indizieren, verfehlt ist. Dies anerkennen auch die heutigen politischen Ortsgemeinden, wenn sie in der Regel keinerlei Veranlassung sehen, hinsichtlich solcher Kapellenliegenschaften in Rechtsnachfolge historischer „Fraktionen“ die Rechte und Pflichten eines Eigentümers zu übernehmen. Gerade bei derartigem „Fraktionseigentum“ zeigt sich also die Richtigkeit von Veiters Annahme, dass Ortschaften (Fraktionen), die Träger von Sondervermögen sind, keine Einrichtungen der politischen Ortsgemeinde seien, sondern eine „rechtspersönliche Gemeinschaft der nutzungsberechtigten Bürger“. Allerdings zeigen die Kapellenliegenschaften auch eine Unvollständigkeit in der Definition Veiters: Die Ausrichtung auf „nutzungsberechtigte Bürger“ erweist sich als erweiterungsbedürftig, tritt doch in diesen Fällen die Nutzungsberechtigung in den Hintergrund. Die widmungsgemäße Nutzung einer Kapelle steht in aller Regel einem unbestimmten Personenkreis offen, sodass sich die Mitgliedschaft in der „rechtspersönlichen Gemeinschaft“ vor allem in Pflichten aus dem Eigentumsrecht niederschlägt.

FRAKTIONEN IM HISTORISCHEN GRUNDBUCH

Eine Durchsicht der historischen Grundbücher relativiert den ersten empirischen Befund erheblich, und zwar in zwei verschiedenen Richtungen: Einerseits waren Fraktionen zur Zeit der Grundbuchsanlegung viel häufiger anzutreffen als heute, andererseits erweisen sich „Kapellenliegenschaften“ dabei nur als eine von vielen Erscheinungsformen des „Fraktionseigentums“. Der Vergleich des Grundbuchstandes bei der Eröffnung der Grundbücher, also unmittelbar nach der Grundbuchsanlegung, mit dem heutigen zeigt, dass die seinerzeit vorhandenen „Fraktionen“ – oder ähnliche Erscheinungen wie Fraktions-Miteigentümerschaften, Fraktionen bestehend aus taxativ aufgezählten Liegenschaften, Genossenschaften bestehend aus Fraktionen, Nachbarschaften bestehend aus Fraktionen, Fraktionen bestehend aus Nachbarschaften, Interessentschaften bestehend aus Fraktionen, Interessentschaften bestehend aus Fraktion und Nachbarschaft; Interessentschaften bestehend aus Fraktionen und Einzelliegenschaften usw – überwiegend aus dem Grundbuch verschwunden sind. Alleine im Grundbuch der KG Windisch-Matrei Land (heute: Grundbuch 85103 Matrei-Land) waren im Zuge der Grundbuchsanlegung dreizehn unterschiedliche „Fraktionen“ als Liegenschaftseigentümer einverleibt worden; hinzu kamen jedenfalls eine „Genossenschaft bestehend aus Fraktionen“ und eine „Genossenschaft bestehend aus einer Fraktion und taxativ aufgezählten Höfen“. All diese im Zuge der Grundbuchsanlegung in der ehemaligen KG Windisch-Matrei Land einverleibten Eigentümerpersönlichkeiten sind seit den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts sukzessive als Agrargemeinschaften identifiziert worden, sodass heute im elektronischen Grundbuch dieser Katastralgemeinde keine einzige „Fraktion“ mehr nachweisbar ist.

Diese Veränderungen erfolgten nicht schlagartig, sondern im Rahmen eines „Erosionsprozesses“, der am Beispiel der KG Matrei-Land, GB 85103, gut illustriert werden kann: Aus den erwähnten insgesamt 15 „Fraktionen“ und „Fraktions-Gesellschaften“ bei Grundbuchsanlegung wurden 13 Agrargemeinschaften reguliert und zwar drei in den 1920er Jahren, drei in den 1930er Jahren, sechs in den 1940er Jahren unter nationalsozialistischer Herrschaft und schließlich eine in den 1960er Jahren. Die gleiche Erosion, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, zeigt sich in der KG Umhausen: Hier hatte die Grundbuchsanlegung acht Eigentümer mit der Zusatzbezeichnung Fraktion festgestellt, nämlich Fraktion Köfels, Fraktion Umhausen, Fraktion Niederthai Sonnseite, Fraktion Östen, Fraktion Farst, Fraktion Tumpen, Fraktion Hof-Acherbach und Fraktion Niederthai Neaderseite; bei allen wurde das Eigentumsrecht einverleibt unter Hinweis auf den Eigentumstitel Forsteigentums-Purifikations-Tabelle vom 14. Juli 1848. Hinsichtlich der „Fraktion Hof-Acherbach“ wurde in den 1920er Jahren aufgrund einer „Richtigstellungsurkunde vom 20. Juli 1920“ die Löschung des Wortes „Fraktion“ und die Einverleibung des Wortes „Nachbarschaft“ bewilligt. Die „Fraktion Farst“ wurde mit Bescheid vom 1. März 1949 als Agrargemeinschaft Farst reguliert, wobei die Agrarbehörde im Spruch des Bescheides ausdrücklich festhielt, dass „Fraktion Farst“ keine Fraktion im Sinne der Tiroler Gemeindeordnung sei. Ebenfalls mit Bescheid vom 1. März 1949 wurde die „Fraktion Köfels“ als Agrargemeinschaft umgegründet. Die „Fraktion Umhausen“ folgte am 10. August 1959, die „Fraktion Östen“ am 5. Oktober 1959. Erst rund ein Vierteljahrhundert später, 1982, wurde die „Fraktion Niederthai Neaderseite“ umgegründet, sodann 1983 die „Fraktion Tumpen“. Aus den für „Fraktion Niederthai Sonnseite“ einverleibten Liegenschaften wurden zwei Agrargemeinschaften reguliert, nämlich 1982 die Agrargemeinschaft Sonnseite Sennhof und 1990 die Agrargemeinschaft Bichl-Höfle. Von den insgesamt acht im Zuge der Grundbuchsanlegung einverleibten „Fraktionen“ wurde somit eine in den 1920er Jahren im „Berichtigungswege“ umgegründet, zwei in den 1940er Jahren, zwei in den 1950er Jahren, zwei in den 1980er Jahren und eine Anfang der 1990er Jahre. Dessen ungeachtet ist der Begriff „Fraktion“ im elektronischen Grundbuch hier nicht gänzlich verschwunden: Eine „Fraktion Umhausen“ existiert immer noch; es handelt sich um Liegenschaftsvermögen, das im Zuge der Regulierung zwar der Ortsgemeinde Umhausen zugesprochen wurde, bei dem jedoch eine Richtigstellung der Eigentümerbezeichnung unterblieb.

Von diesem Verbücherungsproblem abgesehen, erscheinen die beiden hier beispielhaft gezeigten Katastralgemeinden heute offiziell als „fraktionsfrei“, während im Zuge der Grundbuchsanlegung noch 15 (KG Matrei-Land) bzw 8 (KG Umhausen) Fraktionsliegenschaften festgestellt worden waren. Seit der Grundbuchsanlegung sind also allein in diesen beiden Katastralgemeinden 22 Eigentümerpersönlichkeiten mit der Zusatzbezeichnung Fraktion durch „Umgründung“ in Agrargemeinschaften „verschwunden“. Von diesen 22 „Umgründungsvorgängen“ fallen 13 in den Zeitraum bis 1945, acht in denjenigen ab 1949. Alle drei in den 1920er Jahren in der KG Matrei-Land abgeschlossenen „agrarischen Operationen“ betreffend „Fraktionsvermögen“ waren übrigens noch zur Zeit der Monarchie eingeleitet worden. Dies ist unter anderem deshalb bemerkenswert, weil der Tiroler Landtag von sich aus keinen Bedarf für ein Teilungs- und Regulierungsgesetz gesehen hatte und Tirol – gemeinsam mit der Steiermark und Oberösterreich – Schlusslicht bei der Umsetzung der agrarischen Reichsrahmengesetze des Jahres 1883 gewesen war.

Das sukzessive Verschwinden der Fraktionen aus dem Grundbuch lenkt den Blick auf die Frage, wie denn diese Eigentümerpersönlichkeiten überhaupt ins Grundbuch gekommen und wie sie zu qualifizieren waren.

FRAKTIONEN MATTERSBERG UND MOOS

Am 12. Juli 1906 unterfertigten zwei Mitglieder für die Fraktion Mattersberg sowie zwei Mitglieder für die Fraktion Moos, insgesamt also vier Mitberechtigte, das Grundbuchsanlegungsprotokoll Nr 482 der KG Windisch-Matrei. Sie verliehen damit ihrer Meinung Ausdruck, dass die „Schilder Alpgenossenschaft“ aus diesen beiden „Fraktionen“ Mattersberg und Moos bestehen würde. Zusätzlich bestätigten das auch noch die zwei „üblichen“ Vertrauensmänner. Fast auf den Tag fünf Jahre später, am 3. Juli 1911, leitete die k.k. Landeskommission für agrarische Operationen das Verfahren zur Regulierung der Verwaltungs- und Benützungsrechte ein; die Liste der unmittelbar an der Alpe Beteiligten datiert vom Dezember 1911. Der Bescheid betreffend das Register der Anteilsrechte erging am 18. September 1925; das Verfahren endete mit Bescheid vom 27. Juli 1927. Darin stellte die Agrarbezirksbehörde folgendes fest: „§ 3 Beteiligte und Anteilrechte. Die Schildalpe steht im Eigentum der Schilderalpinteressentschaft, bestehend aus den jeweiligen Eigentümern der nachstehend angeführten, in der KG Windisch-Matrei-Land gelegenen Stammsitzliegenschaften mit den angegebenen Anteilrechten.“ Es folgte eine Aufzählung von insgesamt 29 Stammsitzen jeweils ohne Nennung des aktuellen Eigentümers; „Fraktionen“ wurden nicht genannt, ein Anteilsrecht für eine politische Ortsfraktion oder für die Ortsgemeinde war nicht vorgesehen worden.

Die Grundbuchsanlegungsbeamten und die Beamten der k.k. Landeskommission für agrarische Operationen hatten sich im Fall der als „Schilder Alpgenossenschaft“ bezeichneten „Miteigentumsgemeinschaft“ der beiden „Fraktionen“ Mattersberg und Moos nahezu die Türklinke in die Hand gegeben: Die einen beendeten ihre Tätigkeit am 12. Juli 1906, die anderen legten am 3. Juli 1911 bereits einen fertigen Bescheid zur Einleitung des Regulierungsverfahrens vor. Nachdem ein Eigentümerwechsel aus dieser Zeit nicht überliefert ist, stellt sich die Frage, warum die in den beiden Verfahren getroffenen Feststellungen nicht gleichlautend waren, sodass der Eindruck entstehen könnte, es müsse eine der beiden Entscheidungen unrichtig sein.

Die k.k. Landeskommission für agrarische Operationen führte dazu sogleich 1911 in der Begründung zum Bescheid auf Verfahrenseinleitung aus, dass die „Schilderalpe“ laut Grundbuchseintragung zwar der aus den Fraktionen Mattersberg und Moos der politischen Gemeinde Windisch-Matrei-Land bestehenden Schilder-Alpgenossenschaft gehöre, dass diese Grundbuchseintragung den tatsächlichen Verhältnissen jedoch nicht genau entsprechen dürfte. Es handle sich vielmehr um eine den Besitzern bestimmter Talgüter gehörige Alpe und damit um ein gemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 4 lit b TRLG 1909, dessen Verwaltungs- und Benützungsrechte einer Regulierung zu unterziehen seien. Die Landeskommission für agrarische Operationen äußerte also schon 1911 grundlegende Zweifel an der Richtigkeit jener Eigentümerbezeichnung, die erst 1906 im Zuge der Grundbuchsanlegung gewählt worden war.

Zur Annahme, eine der beiden Kommissionen hätte eben eine falsche Entscheidung getroffen, existiert freilich eine Alternative: Möglicherweise hatten die Grundbuchsanlegungsbeamten schon 1906 unter dem Begriff „Fraktion“ das verstanden, was dann drei Jahre später im TRLG 1909 als Agrargemeinschaft definiert wurde. Aus der Sicht der nicht-juristischen Beteiligten an der Grundbuchsanlegung – den Vertretern aus Mattersberg und Moos sowie den beiden Vertrauensleuten – lag es jedenfalls nicht nahe, Einwendungen gegen die Wahl des Begriffes „Fraktion“ zu erheben: Im Franziszeischen Steuerkataster, der bekanntlich die Grundlage für die Grundbuchsanlegung bildete, waren nämlich „I. Moos Rotte“ und „II. Mattersberg Rotte“ als Eigentümer verzeichnet gewesen. Ob „Rotte“ oder „Fraktion“ – aus Sicht eines juristischen Laien konnte diese Wortwahl als reine „Geschmackssache“ erscheinen. Damit gewinnt die Frage, welche Vorstellung die Grundbuchsanlegungsbeamten mit dem Begriff „Fraktion“ tatsächlich verbunden hatten, an Bedeutung. Will man den Versuch unternehmen, dazu eine Antwort zu finden, ist eine breitere Tatsachengrundlage erforderlich.

ERSCHEINUNGSFORMEN DER „FRAKTION“

Die Verwendung des Wortes „Fraktion“ begegnet bei der Anlegung des Grundbuchs in den verschiedensten Varianten. Zwar ist es für eine Quantifizierung noch zu früh, doch zeichnen sich bestimmte Schwerpunkte recht deutlich ab: Der schlichte Begriff „Fraktion“ (ohne jeglichen Zusatz) kommt ebenso vor wie der Begriff „Gemeinde-Fraktion“ bzw. „Fraktion der Gemeinde“ – diese drei Varianten der Anschreibung einer „Fraktion als Liegenschaftseigentümerin“ sind bei weitem am häufigsten anzutreffen.

Auffälliger, weil eher selten, ist die Variante einer durch Nennung ihrer Teile definierten „Fraktion bestehend aus …“ – wobei sodann eine taxative Aufzählung entweder von Liegenschaften oder von deren Eigentümern erfolgt. Diese Form ist jedenfalls in mehreren Katastralgemeinden nachweisbar: So wurde beispielsweise in der KG Untertilliach der Fraktionsbegriff ausschließlich in dieser Variante verwendet; näher definiert wurden weiters zum Beispiel die „Fraktion Eichelwang“ in der KG Ebbs und mehrere Fraktionen in Steinach, die in der KG Navis Miteigentümer waren. Damit verwandt ist eine etwas kompliziert anmutende Anschreibungstechnik in der KG Thiersee, wo die Rechtsverhältnisse an EZ 11 II im historischen B-Blatt wie folgt festgehalten wurden: „Auf Grund des Kaufes vom 28. Mai, verfacht 1. Juni 1877 Folio 307 wird mit Bezug auf den Servituten-Ablösungs-Vergleich vom 23. August 1872 Folio 694 das Eigentumsrecht für die Gemeindefraktion Hinterthiersee, welche Lasten und Nutzungen nach Verhältnis der von der Fraktion zu entrichtenden Grundsteuer zu tragen und zu genießen hat, einverleibt.“ Als „Gemeindefraktion Hinterthiersee“ erscheint in dieser Grundbuchseintragung also die Summe aller Liegenschaftseigentümer in der Gemeindefraktion mit ideellen Quoten nach dem Verhältnis der individuellen Grundsteuerbeträge. Damit ist nicht nur der Kreis der Mitberechtigten, sondern auch schon deren Rechtserwerb bzw Rechtsverlust definiert: Wer zur Fraktion gehöriges Liegenschaftseigentum weitergibt oder erwirbt, setzt damit einen Tatbestand, der zu einer Änderung des Kreises der Mitberechtigten führt. Das Anteilsrecht – verbunden mit dem Recht auf Nutzung und der Pflicht zur Lastentragung – klebt demnach am steuerpflichtigen Eigentum in der betreffenden „Fraktion“.

Mit der durch ihre Teile definierten „Fraktion bestehend aus …“ verwandt ist ein Gebilde in der KG Sölden mit umfangreichem Grundbesitz, nämlich die „Fraktion Altgemeinde Vent der Gemeinde Sölden mit Ausschluss der Rofner-Höfe“. Dieser komplizierten Eigentümeranschreibung waren mehrere andere Versuche vorangegangen: So war im Grundsteuerkataster als Eigentümer noch „Vent – Ortschaft“ verzeichnet; bei der Grundbuchsanlegung hatte man sich zunächst für die neue Bezeichnung „Fraktion Vent ohne Rofenhöfe“ entschieden. Im Protokoll ist auch nur von „Fraktion Vent“ die Rede. Am Ende der Ausführungen zu EZ 487 II KG Sölden findet sich dazu jedoch die Bemerkung: „Unter obgenannter Fraction Vent sind die beiden Rofner-Höfe nicht inbegriffen, daher (…) richtiger Altgemeinde Vent.“ Daraufhin wurde die ursprünglich gewählte Eigentümerbezeichnung „Fraktion Vent ohne Rofenhöfe“ im Kopf des GAP Nr 252 in Klammern gesetzt und die Eigentümerin unter der Bezeichnung „Altgemeinde Vent“ angeschrieben. Im GAP Nr 687 KG Sölden war die Miteigentümerin ursprünglich als „Altgemeinde Vent“ bezeichnet; das Protokoll bemerkte dazu: „nun Fraktion Vent (ohne Rofenhöfe)“. Im Zuge von Nachtragserhebungen entschied man sich für die Eigentümerbezeichnung „Fraktion Altgemeinde Vent der Gemeinde Sölden“. Im B-Blatt des Hauptbuches schlug sich die gesamte Auseinandersetzung schließlich darin nieder, dass ob den Liegenschaften in EZ 201–208 II KG Sölden die zuvor zitierte Kombination aus allen Vorüberlegungen einverleibt wurde, nämlich die „Fraktion Altgemeinde Vent der Gemeinde Sölden mit Ausschluss der Rofner-Höfe“. Auf das B-Blatt der EZ 487 II KG Sölden wirkten sich die Nachtragserhebungen jedoch nicht mehr aus; hier wurde die Eigentümerin unter der Bezeichnung „Altgemeinde Vent“ einverleibt.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Ausschluss bestimmter Liegenschaften von der Mitberechtigung den Charakter des betreffenden Eigentumsträgers zum Ausdruck bringt – es muss sich dabei um einen geschlossenen Kreis von Berechtigten handeln. Dieses Merkmal ist zwar mit einem privatautonomen Zusammenschluss bestimmter Liegenschaftseigentümer kompatibel, nicht jedoch mit der grundsätzlich offenen Einrichtung der heutigen politischen Ortsgemeinde oder einer ihrer ehemaligen Teilorganisationen.

Neben Fraktionen „bestehend aus“ bestimmten Teilen und Fraktionen „mit Ausschluss“ bestimmer Liegenschaften ist auch die Bildung einer „Fraktion einschließlich“ solcher denkbar. Nachweisbar ist derzeit zumindest ein derartiger Versuch: Die geplante Anschreibung einer „Fraktion Dorf Jerzens einschließlich Schönlarch, Pitzen, Ober- und Außerhöfe“ in der KG Jerzens unterblieb jedoch, nachdem man sich im Zuge von „Nachtragserhebungen“ entschloss, die betreffenden Liegenschaften, die laut Grundsteuerkataster „Jakob Gastl, Jerzens Haus Nr 20, und 95 Mitbesitzern“ zugeschrieben waren, kurzerhand auf „Gemeinde Jerzens“ einzuverleiben.

Einen Sonderstatus unter den Tiroler Fraktionen, jedenfalls im Hinblick auf ihre „Firma“, genießt die „Hauptfraktion Obsteig, bestehend aus den Ortschaften: Wald, Thal, Finsterfiecht, Ober- und Unterstrass“. Auch hier ist zwar die Fraktion durch ihre Teile definiert, doch findet sich offensichtlich nirgendwo sonst im Nord- oder Osttiroler Grundbuch eine vergleichbare Zusatzbezeichnung, mit der die besondere Bedeutung einer Fraktion betont erscheint. Daneben existierten in der KG Obsteig zwei ausdrücklich aus mehreren „Fraktionen“ gebildete Alpinteressentschaften (Marienberg Alpinteressentschaft, Simmering Alpinteressentschaft) sowie „Fraktion Finsterfiecht“, „Fraktion Oberstrass“, Fraktion Wald“, „Fraktion Weissland“, „Fraktion Mötz“, „Fraktion Holzleiten“, „Fraktion Aschland“, „Fraktion Gschwendt“ und „Fraktion Frohnhausen“, wobei letztere und die Fraktion Mötz als „ortsfremd“ eigentlich in die Gemeinde Mieming zu verweisen wären.

Die aus „Ortschaften“ bestehende „Hauptfraktion“ lenkt den Blick auf das Verhältnis der Fraktionen zu anderen Eigentumsträgern. Nicht immer waren Fraktionen nämlich als „Alleineigentümer“ angeschrieben, oft kam ihnen nur eine Mitberechtigung zu. Insbesondere dadurch sind sie in ein Netz von Beziehungen zu anderen Eigentümerpersönlichkeiten gestellt, das sich kaum logisch-konsistent erfassen lässt. Neben „schlichten Miteigentumsgemeinschaften“ mehrerer Fraktionen – auch gemeindegrenzüberschreitend – begegnen uns im historischen Tiroler Grundbuch „Nachbarschaft[en], bestehend aus Fraktionen“, „Genossenschaft[en], bestehend aus Fraktionen“ und „Interessentschaft[en], bestehend aus Fraktionen“.

Zumindest im Rahmen einer Genossenschaft oder Interessentschaft konnten „Fraktionen“ und natürliche Personen bzw Einzelliegenschaften auch als gleichrangige Mitberechtigte nebeneinander stehen, dies sowohl innerhalb einer Gemeinde als auch gemeindegrenzübergreifend. Daneben gab es auch die Variante einer Mitberechtigung von „Fraktionen“ neben einer „Gemeinde“ auf deren Gemeindegebiet oder auf allseits fremdem Territorium.

WURZELN DES FRAKTIONSBEGRIFFS

Vielgestaltig sind aber nicht nur die Erscheinungsformen der Fraktionen, ihre Bezeichnungen und ihre Rechtspositionen. Mindestens ebenso vielfältig sind die rechtshistorischen Wurzeln der Fraktionen, auch wenn deren Unterschiede verschwimmen: Teils ist dies das Ergebnis wechselseitiger Bezugnahme und Überlagerung, teils verstellen die Formulierungen der Grundbuchsanlegung die Unterschiede.

1. Forstregulierung 1847 (Art 3 FRP 1847)

Der „Verdienst“, den Begriff „Fraktion“ in die Tiroler Rechtssprache eingeführt zu haben, gebührt vermutlich der Forstservituten-Ablösungs-Kommission (FSAK), die 1847 bis 1849 mit der Ablösung der Forstservituten in den vorbehaltenen Staatsforsten Nordtirols (Kreise Unterinntal samt Wipptal, Oberinntal samt Lechtal) beschäftigt war. Dazu wurden 283 Ablösungsvergleiche verhandelt, von denen der Großteil von den Servitutsberechtigten angenommen wurde. Der Begriff „Fraktion“ wurde dabei in zahlreichen Vergleichsprotokollen verwendet, um bestimmte Gruppen von Servitutsberechtigten innerhalb einer größeren Gemeinschaft abzugrenzen. Die Grundlage für die entsprechenden Unterscheidungen der Ablösungsvergleiche war schon in den Erhebungsaufträgen gelegt worden, die durch die Landgerichte den lokalen Verwaltungseinheiten, nämlich den in Tirol seit 1819 regulierten politischen Gemeinden übertragen waren. Dabei hatte die jeweilige Gemeindevorstehung zur Vorbereitung der Tätigkeit der FSAK Informationen durch Erstellung von „Ausweisen“ beizubringen, für die unter anderem folgende Vorgabe bestand: „Wo einzelne Parzellen (!) ganz abgesonderte Forstrechte von der Hauptgemeinde haben, ist dieses zu bemerken.“

Dementsprechend finden wir heute in zahlreichen Ablösungsvergleichen der FSAK Regelungen über abgesonderte Nutzungsrechte oder abgesondertes Eigentum; dies erfolgte regelmäßig im Zusammenhang mit der Verwendung des Begriffs „Fraktion“ zur Erfassung des Trägers abgegrenzten Eigentums oder abgegrenzter Nutzungsrechte. Einschlägige Bestimmungen enthalten unter anderem die Ablösungsvergleiche von Arzl im Pitztal, Bach, Berwang, Ehrwald, Elmen, Elbigenalp, Finkenberg, Imst, Lermoos und Oberperfuss und zahlreiche andere Ablösungsvergleichsprotokolle . Insoweit deshalb zum Beispiel in den Katastralgemeinden Berwang, Rinnen, Mitteregg und Bichlbächle (alle im Gemeindegebiet der heutigen Ortsgemeinde Berwang) im Zuge der Grundbuchsanlegung „Fraktionen“ unter Bezugnahme auf das Vergleichsprotokoll der FSAK vom 21. Oktober 1848 als Eigentümerinnen einverleibt wurden, so hatten die Grundbuchsanlegungsbeamten einfach die jeweiligen Eigentumsträger gemäß der Titelurkunde in das Grundbuch übernommen. Es handelt sich bei diesen „Fraktionen“ also im Sinne des FRP 1847 um (aus Stammliegenschaftsbesitzern zusammengesetzte) „holzbezugsberechtigte Gemeinden“. Nach einhelliger Auffassung in Literatur und Judikatur kann aus einem Vorgang der Servitutenablösung kein öffentliches Eigentum etwa in Form von „politischem Gemeindegut“ entstanden sein. Im Fall gemeindeweiser oder ortschaftsweiser Ablösung von Forstservituten entstehen Gemeinden „nach bürgerlichem Recht“ (§ 26f ABGB), kurz: Agrargemeinschaften.

2. Provisorisches Gemeindegesetzes 1849

Ein gänzlich anderes Verständnis des Begriffs „Fraktion“ hatte das ProvGemG 1849. Dieses in seiner Bedeutung über Tirol weit hinausgehende Gesetz hatte vorgesehen, dass eine „Fraktion“ nur durch Rechtsakt der (neuen) politischen Ortsgemeinde geschaffen werden könne. Dazu enthielt § 5 ProvGemG 1849 folgende Bestimmung: „Gemeinden mit bedeutender Volkszahl steht das Recht zu, sich in Fractionen zu theilen, und denselben zur Erleichterung der Verwaltung einen gewissen Wirkungskreis zuzuweisen.“ Fraktionen durften also nur bei „bedeutender Volkszahl“ gebildet werden, was sich nicht nur aus dem ausdrücklichen Wortlaut, sondern auch aus der dahinter stehenden Zweckbestimmung, nämlich der „Erleichterung der Verwaltung“ ergab. Die Fraktionsbildung trat nicht ex lege ein, sondern erforderte ein Handeln der Gemeinde sowohl zur Begründung der Fraktionen („sich in Fractionen zu theilen“) als auch bei der Definition ihrer jeweiligen Aufgaben („einen gewissen Wirkungskreis zuzuweisen“).
Die Errichtung der Gemeinden nach ProvGemG 1849 geriet mit der Abkehr vom Konstitutionalismus ins Stocken – und damit wohl umso mehr die Bildung von Untergliederungen in Form politischer Gemeindefraktionen. Beschlüsse von Gemeindeausschüssen, denen die Teilung in Fraktionen und die Zuweisung eines bestimmten Wirkungskreises an solche Fraktionen zu entnehmen wäre, konnten bislang nicht nachgewiesen werden. Es ist daher zu vermuten, dass solchen gemeinderechtlichen Fraktionen nach ProvGemG 1849 weder quantitative noch länger andauernde Bedeutung zukam.

3. Das (Tiroler) Fraktionengesetz LGBl 1893/32

Tatsache ist, dass das historische Eigentum der “Realgemeinden”, wie die Nachbarschaften oft auch bezeichnet werden, im Zuge der Tiroler Grundbuchanlegung regelmäßig auf Eigentumsträger mit der Bezeichnung „Gemeinde“ oder „Fraktion“ einverleibt wurde. Ein wesentlicher Grund dafür war die Tatsache, dass die führenden Kreise der Tiroler Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert die moderne Ortsgemeinde und die historische Realgemeinde nicht zu unterscheiden vermochten.

Während in anderen Bundesländern die Einführung eines Teilungs- Regulierungs- Landesgesetzes vorangetrieben wurde (Kärnten: 1885, Niederösterreich: 1886, Krain: 1887, Schlesien: 1887, Salzburg: 1892), passierte in Tirol ganz etwas anderes: Als Unikum im Kreis der Kronländer wurde in Tirol ein „Fraktionengesetz“ geschaffen (LGuVoBl 1893/32). In Tirol sah man in den Agrargemeinschaften einem Bestandteil der neuen politischen Ortsgemeinde, weshalb man kein Teilungs- Regulierungs- Landesgesetz geschaffen hat, sondern eben ein “Fraktionengesetz“. Dazu mehr anderenorts: Das (Tiroler) Fraktionengesetz von 1893.

4. Erfindung bei der Grundbuchsanlegung

Schließlich sind noch jene Fraktionen zu betrachten, die ihre Existenz einem „Interpretationsvorgang“ im Rahmen der Grundbuchsanlegung zu verdanken haben. Verschiedene Phänomene wurden nämlich bei der Grundbuchsanlegung als „Fraktionen“ erfasst, ohne dass dies auf eine der historischen Rechtsgrundlagen zurückzuführen gewesen wäre. Ein prägender Einfluss des oben dargestellten, kurz vor Beginn der Grundbuchsanlegung beschlossenen Fraktionengesetzes kann dabei jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Fraktion als Gemeinde gem Art 2 FRP

Im Rahmen der Forstregulierung erfolgte neben der Forstservitutenablösung (siehe oben) in Nordtirol auch eine „Forsteigentumspurifikation“. Dies bedeutete, dass in den aufgrund des „Regalitätsrechts“ landesfürstlich bleibenden Wäldern „bei Beurtheilung der Eigenthumsansprüche von einzelnen Privaten oder Gemeinden (…) die Anwendung der Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechtes“ gestattet wurde. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich nichts anderes als die Anerkennung moderner privatrechtlicher Eigentumsansprüche insbesondere aufgrund eines Eigentumserwerbs durch Ersitzung.

Die Eigentumsanerkennung erfolgte jedoch nicht generell, sondern „nur dann und in so ferne“, als die Ansprüche entweder „schon (…) gerichtlich gestellt“ waren oder „binnen 3 Monaten vom Tage, an welchem die zur Purifikation dieser Eigenthumsansprüche auszusendene Kommission den Beginn ihrer Wirksamkeit bekannt gemacht haben wird, bei eben dieser Kommission angemeldet“ wurden (Art 2 FRP). Die dazu erlassene Instruktion vom 17. Juni 1847 definierte einerseits eine Reihe von Ersitzungstatbeständen (§ 14), andererseits einen Anerkennungstatbestand „gnadenhalber“ (§ 11).

Tatsächlich wurden von der „Forsteigentumspurifikationskommission“ (FEPK) zahlreiche Liegenschaften als Privateigentum anerkannt. Dies erfolgte als Ergebnis eines Verfahrens, bei dem die angemeldeten Eigentumsansprüche natürlicher oder moralischer Personen (Körperschaften) in sogenannten „Forsteigentumspurifikationstabellen“ (FEPT) detailliert erfasst wurden. In diesem Zusammenhang fällt insbesondere auf, dass in diesen FEPT zur Kennzeichnung moralischer Personen unter anderem Begriffe wie „Parzelle“ oder „Hof“ Verwendung fanden. Bei der Grundbuchsanlegung wurde diese Begriffswahl aber nicht nachvollzogen; stattdessen hat man – ohne erkennbares System – verschiedenste Eigentumsformen (zB schlichtes oder realrechtlich gebundenes Miteigentum) und Eigentumsträger, wie eben auch „Fraktionen“, einverleibt.

Diese Vorgangsweise sei zunächst anhand eines Vergleichs zwischen dem Grundbuch und den der Grundbuchsanlegung zugrundeliegenden Informationsquellen – FEPT und Steuerkataster – illustriert, und zwar für die KG Umhausen mit den verfachten Eigentumsträgern „Parzelle“, „Weiler“ und „Hof“. Mit der Zusatzbezeichnung „Parzelle“ waren dabei folgende Eigentumsträger von Gemeinschaftsliegenschaften verfacht worden: Umhausen, Östen, Hopfgarten, Tumpen, Niederthei, Farst und Köfels; unter dem Begriff „Weiler“ Sennhof, Höfl, Bichl, Ennebach, Grasstall, Ischelehn und Larsteck sowie unter dem Begriff „Hof“ Acherbach . Bei der Grundbuchsanlegung wurden alle im Verfachbuch enthaltenen Eigentumsträger mit der Zusatzbezeichnung „Parzelle“ in jeweils eine „Fraktion“ umbenannt (im Fall der „Parzelle Niederthai“ als Neubildung unter der Bezeichnung „Fraktion Niederthai Sonnseite“). Die „Weiler“ wurden teils zu „Fraktion“ umetikettiert, teils in realrechtlich gebundenes Miteigentum aufgelöst. Die singuläre Erscheinung „Hof Acherbach“ wurde in „Fraktion Hof Acherbach“ umbenannt . Insgesamt wurde in der KG Umhausen im Zuge der Grundbuchsanlegung für neun Eigentumsträger die Zusatzbezeichnung „Fraktion“ gewählt, obwohl im entsprechenden Eigentumstitel, der FEPT, das Privateigentum von „Parzellen“ anerkannt worden war. Es liegt auf der Hand, dass diese Eigentumsträger – ungeachtet ihrer Bezeichnung – nichts mit einer ehemaligen Teilorganisation der modernen politischen Ortsgemeinde zu tun haben. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Vorgang der Umbenennung, für den die Grundbuchsanlegungsprotokolle leider keinerlei Motive erkennen lassen, sondern auch aus dem in das moderne Grundbuch übernommenen Eigentumstitel, einer auf Privateigentum verweisenden FEPT aus dem Jahr 1848.

Nicht weniger irritierend als der Vergleich zwischen Grundbuch und Verfachbuch ist jener zwischen Grundbuch und Steuerkataster, dessen Informationen einen Ausgangspunkt bei der Grundbuchsanlegung bildeten. Die „Ortschaft Acherbach“ des Steuerkatasters wurde umgeschrieben auf „Fraktion Hof Acherbach“, „Neudorf Ortschaft“ auf „Fraktion Umhausen“, „Farst Ortschaft“ auf „Fraktion Farst“ , „Sennhof Ortschaft“ auf „Fraktion Niederthay Sonnseite“, „Östen Ortschaft“ auf „Fraktion Östen“, „Tumpen Ortschaft“ auf „Fraktion Tumpen“, „Ennebach Überfeld und Lehen Ortschaften 44 Mitbesitzer mit 70 1/6 Kuhfuhren“ wurde umgeschrieben auf „Fraktion Niederthay Neaderseite“, „Gemeinde Umhausen“ auf „politische Gemeinde Umhausen“.

Auch dazu enthalten die einzelnen Grundbuchsanlegungsprotokolle keinerlei Hinweis, was sich die Beamten bei diesen Änderungen gedacht haben. Eine Information darüber, warum alle im Steuerkataster als „Ortschaft“ verzeichneten Gemeinschaftsliegenschaften auf „Fraktion“ umgeschrieben wurden, ist nicht zu finden. Selbst in jenem Fall, in dem die „strukturell“ bedeutendste Veränderung erfolgte – von der ursprünglichen Eigentümerbezeichnung laut Steuerkataster, „Ennebach Überfeld und Lehen Ortschaften 44 Mitbesitzer mit 70 1/6 Kuhfuhren“, auf „Fraktion Niederthay Neaderseite“ – ergibt sich aus dem GAP nicht der geringste Anhaltspunkt, warum die Umschreibung erfolgte. Lapidar lautet die Erklärung: „Erhebung der Eigentumsrechte: Fraktion Niederthai Neaderseite“.

Angesichts eines solchen Befundes verwundert es nicht, dass die Tiroler Landesregierung im Rahmen des in VfSlg 9336/1982 mündenden Gesetzesprüfungsverfahrens die Behauptung aufstellte: „Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete.“ Diese einfache Erklärung, dass sich die Vorgangsweise der Grundbuchsanlegung als willkürlich einfach nicht nachvollziehen lasse, ist also verständlich, aber dennoch unbefriedigend.

Anstelle einer noch nicht möglichen Erklärung kann hier aber zumindest eine Beobachtung präsentiert werden, die eher gegen reine Willkür bei der GBA spricht. Das Beispiel der KG Umhausen zeigt nämlich, dass Privateigentum, das in der FEPT des Landgerichts Silz mit bestimmten „Parzellen“ in Verbindung gebracht worden war, bei der Grundbuchsanlegung je nach Liegenschaftsqualität unterschiedlich behandelt wurde: In „Fraktionen“ umbenannt wurden in erster Linie die Eigentumsträger privater Gemeinschaftswälder, während die in der FEPT als Privateigentum anerkannten Gemeinschaftsalpen als Miteigentumsgemeinschaften registriert wurden. Bei den auf „Parzelle Umhausen“ verfachten Liegenschaften wurde, soweit es sich um Wald handelte, zugunsten „Fraktion Umhausen“ einverleibt, die ebenfalls auf „Parzelle Umhausen“ verfachte „Alpe Groß- und Kleinhorlach“ hingegen wurde – aufgegliedert in zwei Einlagezahlen – als schlichtes Miteigentum erfasst; im Fall der „Parzelle Östen“ wurde die Waldliegenschaft zugunsten „Fraktion Östen“ einverleibt, die ebenfalls für „Parzelle Östen“ verfachte „Alpe Fundus“ hingegen als schlichtes Miteigentum erfasst; im Fall der „Parzelle Niederthai“ wurden die Waldliegenschaften einmal auf „Fraktion Niederthay Sonnseite“, einmal auf „Fraktion Niederthai Neaderseite“ einverleibt, die ebenfalls für die „Parzelle Niederthai“ verfachte „Alpe Zwieselbach“ hingegen als schlichtes Miteigentum und die „Alpe Grasstall“ als realrechtlich gebundenes Miteigentum verbüchert. Möglicherweise hat man sich dabei am Franziszeischen Steuerkataster orientiert; soweit dort natürliche Personen als steuerpflichtig registriert waren, wurde im Allgemeinen – unter Umständen realrechtlich gebundenes – Miteigentum einverleibt. Allerdings lassen die Grundbuchsanlegungsprotokolle nicht erkennen, warum im Fall der „Umhausner Wälder“ „Fraktionen“ angeschrieben wurden, im Fall der „Umhausner Almen“ realrechtlich gebundenes oder schlichtes Miteigentum.

Nicht anders verhält es sich bei der als Eigentümerin mehrerer Liegenschaften verfachten „Parzelle Tumpen“: Aus dem gleichen Eigentumsträger „Parzelle Tumpen“ wurde bei der Grundbuchsanlegung, jeweils unter Bezugnahme auf die FEPT, eine „Fraktion Tumpen“, soweit es sich um eine Waldliegenschaft handelte, während die ebenfalls für „Parzelle Tumpen“ verfachte „Tumpener Alpe“ als schlichtes Miteigentum erfasst wurde.

Festzustellen ist auch, dass bei der Grundbuchsanlegung im Gegensatz zu der im Steuerkataster üblicherweise verwendeten Bezeichnung „Ortschaft“ bevorzugt der Begriff „Fraktion“ Verwendung fand. Teilweise wurden allerdings auch Rechtsverhältnisse auf „Fraktion“ angeschrieben, die nach der Darstellung im Steuerkataster als Miteigentum erschienen. Ob und inwieweit die Grundbuchsanlegung im Zusammenhang mit historischem Privateigentum, das nach Art 2 FRP 1847 „purifiziert“ worden war, ein bestimmtes System verfolgt hat, ist also (noch) nicht nachvollziehbar.

Erwiesen ist hingegen, dass die im Rahmen der Grundbuchsanlegung durch Umbenennung alter Eigentumsträger neu geschaffenen, mit den alten Titelurkunden in Widerspruch stehenden Fraktionen keine gemeinderechtlichen Fraktionen gewesen waren. Besonders deutlich macht dies das weitere rechtliche Schicksal von zwei der Umhausner Fraktionen: Das im Zuge der Forsteigentumspurifikation anerkannte Privateigentum von „Hof Acherbach“, im Steuerkataster als Eigentum von „Acherbach Ortschaft“ registriert, war bei der Grundbuchsanlegung 1909 als Eigentum der „Fraktion Hof Acherbach“ verbüchert worden. Diese „Fraktion Hof Acherbach“ veranlasste von sich aus im Jahr 1920 eine Richtigstellung des Grundbuchs. Mit ausdrücklicher Genehmigung des Landesausschusses wurde die Löschung der Bezeichnung „Fraktion“ und die Einverleibung der Bezeichnung „Nachbarschaft“ bewilligt. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass die Rechtsgemeinschaft „eben nicht wie eine Fraktion ein politischer Unterteil der Gesamtgemeinschaft Umhausen“ sei. Ähnliches geschah hinsichtlich der „Fraktion Farst“ mit einem Bescheid der Agrarbehörde vom 1. März 1949, der folgende Feststellung enthielt: „Die im Grundbuch gegenwärtig als Eigentümerin eingetragene Fraktion Farst ist keine Fraktion im Sinn der Tiroler Gemeindeordnung.“ In der Begründung führte der Bescheid aus: „Der Besitz wurde von den Beteiligten selbst verwaltet und hatte die Gemeinde Umhausen keinen Einfluss auf die Verwaltung. Lediglich während der Herrschaft des Deutschen Reiches nahm die Gemeinde den Jagdpacht ein, verwendete ihn aber um die Steuer für die Fraktion Farst abzudecken.“

“Fraktion” als Eigenschaft

Grundbuchsanlegungsprotokolle aus dem Bezirk Osttirol legen eine weitere eigenständige Wurzel des Fraktionsbegriffes offen. Die Kennzeichnung als „Fraktion“ konnte auch dazu dienen, eine bestimmte Eigenschaft des Gemeinschaftsgebietes auszudrücken. Eine Fraktions-Alpe lag nach diesem Verständnis dann vor, wenn die Auftriebsrechte in der Fraktion „radiziert“ waren, wenn sich also die Eigentumsverhältnisse in dem als Fraktion verstandenen Gebiet (zB einem Dorf) bzw der als Fraktion verstandenen Summe von Stammsitzliegenschaften in den Eigentumsverhältnissen der Alm widerspiegelten. Die Auftriebsrechte sind dabei also den landwirtschaftlichen Flächen im Dorf zwingend zugeordnet; das Auftriebsrecht folgt dem jeweiligen Flächenanteil. Dabei wird – der Rechtsnatur einer Sommerweide entsprechend – ein „Mindestanteil“ definiert: Um an einer „Fraktions-Alpe“ mitberechtigt zu sein, muss jemand in der „Fraktion“, also im Tal, zumindest jene Fläche besitzen, mit deren Ertrag eine Kuh überwintert werden kann. Zwei ausgewählte Grundbuchsanlegungsprotokolle aus der KG Windisch Matrei können die konkreten Überlegungen der Grundbuchsanlegungsbeamten bei Verwendung dieses „Fraktionsbegriffes“ verdeutlichen.

Beispiel 1: GAP PostNr 315 KG Windisch-Matrei Land vom 14. Juli 1906: Erhebung der Eigentumsrechte: Die Fraktion Prossegg-Kaltenhaus der Landgemeinde Windisch Matrei ist Eigentümerin auf Grund Ersitzung. Die … Landeck-Alpe ist eine Fraktions-Alpe d.h. die einzelnen auftriebsberechtigten Anwesen sind deshalb auftriebsberechtigt, weil sie entweder als ganze zur Fraktion Prosegg-Kaltenhaus gehören oder wenigstens weil Grundstücke zu ihnen gehören, welche in der Fraktion Prosegg-Kaltenhaus einliegen. Die Auftriebsrechte beruhen auf der Zugehörigkeit der auftriebsberechtigten Realitäten zur Fraktion Prosegg-Kaltenhaus u. sohin auf dem § 63 der Gemeindeordnung. Diese Auftriebsrechte sind im Einverständnisse der Fraktionsmitglieder schon vor unvordenklicher Zeit nach bestimmter Stückzahl auf die einzelnen Anwesen verteilt worden u. sind die einzelnen Anwesen bzw. Grundstücke nach derzeit bestehender Übung mit folgender Stückzahl auftriebsberechtigt: a) der Nachbarschaft Prosegg: ….; b) der Nachbarschaft Kaltenhaus: …. Die hier nicht aufgeführten Anwesen der Fraktion Prosegg-Kaltenhaus haben deshalb keine Auftriebsrechte in die Landeck-Alpe, weil zu denselben nicht soviel Grund gehört, um mit dem darauf erzeugten Futter eine Kuh überwintern zu können. Wenngleich nun die Auftriebsrechte der obigen Anwesen, weil auf dem § 63 der Gem. Ord. beruhend, nicht frei veräußerlich sind, u. nur als Zugehör von in der Fraktion Prosegg-Kaltenhaus einliegenden Grundstücken verkäuflich sind, so sind dennoch vor Jahrzehnten schon Auftriebsrechte außer die Fraktion hinaus verkauft worden, ohne daß damit auch ein in Prosegg-Kaltenhaus einliegendes Grundstück mitgegeben worden wäre. So gehört heute zum Pettauer-Hofe in A.12 das Auftriebsrecht von 5 Stück Rindern u. 12 ½ Schafen u. zum Landeck-Sägeranwesen in A. 218 das Auftriebsrecht von 18 Rindern u. 25 Schafen in die Landeck-Alpe. Für diese beiden letztern Auftriebsrechte kann der § 63 der Gem. Ord. natürlich nicht mehr den Titel bilden u. müssen dieselben auf Grund Ersitzung als privatrechtliche Servituten behandelt werden.“ Berechtigungen, Feld u. Hausservituten, Reallasten für öffentliche Zwecke: Auf Grund Ersitzung lastet auf den die Landeck-Alpe bildenden Gp 3834 u. 3831 z. G. des jew. Eigentümers des Pettauerhofes in A 12 das Auftriebsrecht mit 5 Stück Rindern und 12 ½ Schafen u. z. G. des jew. Eigentümers des Landeck-Sägerhofes in A 218 das Auftriebsrecht mit 18 Stück Rindern u. 25 Schafen während der Alpzeit. Windisch Matrei am 14. Juli 1906. Die Vertreter der Fraktion Prossegg-Kaltenhaus: Andrä Steiner, Paul Steiner. Die Vertrauensmänner: Paul Steiner, Alois Wibmer.

Auftriebsberechtigt sind im Fall dieser Fraktion „Anwesen bzw Grundstücke“, das Auftriebsrecht klebt an den Heimweideflächen. Die Weide-Fraktion setzt sich demnach aus anderen Liegenschaften zusammen als eine allfällige Holz-Fraktion, für die „Feuerrechte“ maßgeblich wären, die an „Feuerstätten“ kleben. Bemerkenswert ist die Vorstellung unterschiedlicher Rechtsgrundlagen für verschiedene Auftriebsrechte: Nur wenn die berechtigte Liegenschaft „innerhalb der Fraktion“ gelegen ist, sollen sie sich auf § 63 der Gemeindeordnung gründen (obwohl gar nicht alle Liegenschaften berechtigt sind), andernfalls nicht. Mit dessen Anwendung steht jedoch der ausdrückliche Hinweis auf privatautonome Rechtssetzung „schon vor unvordenklicher Zeit“ in Widerspruch; er stellt klar, dass hier gar keine originäre Rechtssetzung der neuen Ortsgemeinde kraft Hoheitsakt auf eigenem Eigentum gemeint gewesen sein konnte.

Beispiel 2:  GAP 482 KG Windisch-Matrei Land: „Die Schilder Alpgenossenschaft ist Eigentümerin aufgrund Ersitzung und besteht aus den Fraktionen: a) Mattersberg b) Moos der Gemeinde Windisch-Matrei. Wenngleich von der Fraktion Mattersberg das Brenneranwesen in A 151 und von der Fraktion Moos verschiedene Anwesen in die Schilderalpe nicht auftriebsberechtigt sind und wenn auch die in die Schilderalpe auftriebsberechtigten Anwesen der beiderseitigen Fraktionen nach der heute bestehenden Übung mit einer bestimmten Stückzahl auftriebsberechtigt sind, so besitzt die Schilderalpe trotzdem für die Fraktionen Mattersberg und Moos den Charakter einer Fraktionsalpe, dh es darf von den auftriebsberechtigten Anwesen der beiden Fraktionen kein Grasrecht fortverkauft werden, ohne dass nicht zugleich ein entsprechend großer in den beiden Fraktionen einliegender Grund mitverkauft würde. Die Grasrechte sind mit anderen Worten fest verbunden mit den ganzen Anwesen oder wenigstens mit den einzelnen Stücken der Fraktionen Mattersberg und Moos. Die bestimmte Stückzahl, mit der die einzelnen Anwesen auftriebsberechtigt sind, entspricht der Größe der betreffenden Anwesen und wurde vor ungefähr 20 Jahren im gegenseitigen Einverständnis unter den Fraktionisten geregelt. Nachdem es sich bei der Schilderalpe um eine Fraktionsalpe handelt, gründen sich die Auftriebsrechte der einzelnen Anwesen auf den § 63 Gemeindeordnung.“

Der „Charakter einer Fraktionsalpe“ besteht nach dieser Definition darin, dass „von den auftriebsberechtigten Anwesen der beiden Fraktionen kein Grasrecht fortverkauft werden [darf], ohne dass nicht zugleich ein entsprechend großer in den beiden Fraktionen einliegender Grund mitverkauft würde.“ Auch hier wird also mit dem Begriff „Fraktion“ die Verknüpfung von „Grasrecht“ und Liegenschaftsbesitz in der Fraktion ausgedrückt; der Hinweis auf § 63 TGO erscheint vor diesem Hintergrund kaum nachvollziehbar. Die definierte Verknüpfung müsste sinnvoller Weise, auch wenn dies so nicht formuliert wurde, sowohl im Fall des Verkaufes von Heimweideflächen als auch im Fall des Verkaufes von Grasrechten gelten.

Solche Eigentumsverhältnisse könnten dadurch entstanden sein, dass in weit zurückliegender Vergangenheit eine Gemeinschaftsalpe in Besitz genommen und das Weiderecht (später das Eigentum) gemeinschaftlich ersessen wurde. Stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Anteilsberechtigungen, so wird man versuchen, dies anhand des langfristig überwinterten Viehbestandes „festzustellen“. Hat eine derartige Gemeinschaft zur Vorbeugung von „Weidenot“ die Regel aufgestellt, dass ausschließlich das im Dorf überwinterte Vieh aufgetrieben werden dürfe, so ist es davon nicht mehr weit zu der bei der Grundbuchsanlegung festgeschriebenen „Eigentumsform“, wonach die Auftriebsrechte mit den Besitzverhältnissen an der Heimweide „harmonisiert“ sind. Um das eigene Eigentum nicht zu entwerten und auch für „Auswärtige“ handelbar zu halten, wird das Regelwerk so modifiziert werden, dass ein „Grasrecht“ auf der Alm gemeinsam mit „einer Kuhfuhre“ an Heimweidefläche handelbar gemacht wird. Das Grasrecht kann dann gemeinsam mit „einer Kuhfuhre“ auch an Auswärtige veräußert werden. Damit ist den Verkaufswilligen ebenso gedient wie dem generellen Ordnungsprinzip, wonach im Dorf nicht mehr Vieh gehalten werden soll, als auch auf die Sommerweide aufgetrieben werden kann.

Inkonsequenzen der Grundbuchanlegung

Schon die bisherigen Feststellungen legen den Verdacht nahe, dass bei der Verwendung des Begriffs „Fraktion“ nicht konsequent verfahren wurde. Dies indiziert auch der Vergleich verschiedener Katastralgemeinden, bei denen aufgrund ihrer geographischen Nähe relativ ähnliche Verhältnisse anzunehmen wären; diese Erwartung wird nämlich enttäuscht: In der KG Prägraten, historischer Gerichtsbezirk Windisch-Matrei, wurden sieben „Genossenschaften“ als Eigentümerinnen einverleibt, fünf „Fraktionen“, eine „Nachbarschaft”, jedoch keine einzige „Interessentschaft“. Nicht weit von Prägraten entfernt finden sich die Katastralgemeinden Sillian, Sillianberg und Arnbach, historischer Gerichtsbezirk Sillian; in diesen drei unmittelbar angrenzenden Katastralgemeinden wurde im Zuge der Grundbuchsanlegung nicht eine einzige „Genossenschaft“ ermittelt, nur eine „Fraktion“, zwei „Nachbarschaften“, jedoch vier „Interessentschaften“. Wenige Kilometer weiter gab es in der KG Kartitsch, historischer Gerichtsbezirk Lienz, gleich neun „Nachbarschaften”, dafür jedoch keine einzige „Fraktion“, keine einzige „Interessentschaft“ und keine einzige „Genossenschaft“; in der KG Obertilliach hingegen keine einzige „Nachbarschaft“ und keine einzige „Genossenschaft“, dafür jedoch drei „Fraktionen“ und zwei „Interessentschaften“.
Der genauere Vergleich der beiden letztgenannten Katastralgemeinden Kartitsch und Obertilliach bringt aber noch bemerkenswertere Widersprüche ans Licht. Kartitsch ist nämlich eine jener drei Katastralgemeinden Tirols, in denen die Eigentumsverbücherung bei der Grundbuchsanlegung zugunsten von „Nachbarschaften“ erfolgte, die ausdrücklich als „agrarische Gemeinschaften“ einer „Gemeinde“ definiert wurden. Dies erfolgte jeweils in Kombination mit einer taxativen Aufzählung jener Stammsitzliegenschaften, die an diesen „agrarischen Gemeinschaften“ beteiligt waren. Diese Verbücherungstechnik findet sich offenbar nur in den Osttiroler Katastralgemeinden Kartitsch, Innervillgraten und Außervillgraten; die Grundbuchsanlegung wurde hier in den Jahren 1904 und 1905, also vor dem Inkrafttreten des TRLG 1909, durchgeführt. Daraus könnte man nun die Schlussfolgerung ziehen, dass den zuständigen Beamten das Wesen der Gemeinschaftsliegenschaften als „agrarische Gemeinschaften“ durchaus bewusst war – im Gegenschluss würde dies bedeuten, dass bei der „üblichen“ Verwendung des Begriffes „Fraktion“ gerade nicht eine agrarische Gemeinschaft, sondern tatsächlich eine gemeinderechtliche Einrichtung gemeint gewesen sei. Derartige Überlegungen scheinen jedoch nicht angebracht, wie eine genauere Betrachtung dieser Verhältnisse in ihrem Zusammenhang zeigt.

Die in der KG Kartitsch als Liegenschafteigentümerin begegnende, hier ortsfremde „Nachbarschaft Leiten, agrarische Gemeinschaft der Gemeinde Obertilliach“ sucht man in der KG Obertilliach vergebens. Stattdessen stößt man auf eine „Fraktion Leiten der Gemeinde Obertilliach“ und weitere, offensichtlich gleichartige Erscheinungen, nämlich „Fraktion Bergen der Gemeinde Obertilliach“ und „Fraktion Dorf mit Rodarm der Gemeinde Obertilliach“ .

Allen drei genannten Gemeinschaftsliegenschaften in der KG Obertilliach ist gemeinsam, dass an ihnen, wie das B-Blatt des historischen Grundbuchs zeigt, „aufgrund der Niederschrift vom 7. April 1939 und des Gesetzes für das Land Österreich, LGBl 408/38 Art II § 1 das Eigentum für Gemeinde Obertilliach“ einverleibt worden war. In dieser Form fand also die Beseitigung gemeinderechtlicher Fraktionen durch das Inkrafttreten der deutschen Gemeindeordnung Ausdruck. Der „Nachbarschaft Leiten, agrarische Gemeinschaft der Gemeinde Obertilliach“ ist vergleichbares in der KG Kartitsch hingegen nicht widerfahren. Nun könnte man meinen, dass die in Kartitsch im Zuge der Grundbuchsanlegung einverleibte „Nachbarschaft Leiten …“ eine andere Rechtspersönlichkeit sei als die in der KG Obertilliach einverleibte „Fraktion Leiten“. Dieser Annahme widerspricht jedoch das weitere Schicksal der vormaligen Fraktionsliegenschaft Leiten in der KG Obertilliach: Aufgrund eines agrarbehördlichen Bescheides vom 31. Dezember 1942 wurde nämlich schon am 2. April 1943 das Eigentumsrecht für „Agrargemeinschaft Nachbarschaft Leiten“ einverleibt. Der Regulierungsplan und die Grundbuchseintragung dazu weisen als Mitglieder dieser Agrargemeinschaft die Eigentümer genau jener 11 Liegenschaften aus, die bereits im Zuge der Grundbuchsanlegung in der KG Kartitsch die „Nachbarschaft Leiten, agrarische Gemeinschaft der Gemeinde Obertilliach“ gebildet hatten.

Der agrarbehördliche Bescheid vom Dezember 1942 wurde von Dr. Wolfram Haller, Jurist der Agrarbehörde Villach, verantwortet. Er hatte aufgrund von massiven Beschwerden, die im Bezirk Osttirol gegen die Vereinnahmung von altem agrargemeinschaftlichem Vermögen durch die politischen Ortsgemeinden laut geworden waren, eingehende Untersuchungen zu den Rechtsverhältnissen durchgeführt. Sie erweisen Haller als kompetenten Kenner der Materie, dem die Grundsatzfrage agrarbehördlicher Tätigkeit nach den Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetzen, nämlich die behördliche Klärung und Entscheidung der Eigentumsfrage, vollkommen bewusst war. In diesem Sinne unterschied der von Haller verfasste Bescheid vom Dezember 1942 das öffentliche Eigentum der politischen Ortsgemeinde Obertilliach genau von privatem Gemeinschaftsvermögen.

Was bedeutet dies für die Beurteilung der Entscheidung der Grundbuchsanlegungsbeamten in den Katastralgemeinden Obertilliach und Kartitsch hinsichtlich der Liegenschaften in EZ 33 II KG Kartitsch und EZ 15 II KG Obertilliach? Folgt daraus zwangsläufig, dass die Anschreibung einer „Fraktion“ ob der Liegenschaft in EZ 15 II KG Obertilliach falsch war? Nimmt man an, dass die Grundbuchsanlegungsbeamten unter dem Begriff „Fraktion Leiten“ einen öffentlichrechtlichen Eigentumsträger verstanden hatten, so erscheint die undifferenzierte Beurteilung der Gesamtliegenschaft als „Fraktionsvermögen“ rückblickend tatsächlich als unrichtig. Kann aber der seinerzeitigen Beamtenschaft (der Jahre 1904/1905) dieses Verständnis unterstellt werden?

Ein Überblick über die vier benachbarten Ortsgemeinden Kartitsch, Anras, Obertilliach und Untertilliach wirkt jedenfalls irritierend. In jeder dieser vier Ortsgemeinden wurde bei der Grundbuchsanlegung eine andere Technik zur Anschreibung der Gemeinschaftsliegenschaften verwendet: Die Eigentumseinverleibung erfolgte auf Gemeindegebiet von Anras, gebildet aus den drei Katastralgemeinden Anras, Asch mit Winkl und Ried, jeweils unter der Bezeichnung „Ortschaft“, in der KG Obertilliach jeweils unter der Bezeichnung „Fraktion“, in der KG Untertilliach jeweils unter der Bezeichnung „Fraktion, bestehend aus …“ (verbunden mit einer taxativen Aufzählung von Stammsitzliegenschaften), auf dem Gebiet der Ortsgemeinde Kartitsch schließlich unter Verwendung der bereits angesprochenen Formulierung „Nachbarschaft (…), agrarische Gemeinschaft der Gemeinde Kartitsch“.

Dieser Befund ist kein Osttiroler Spezifikum, wie ein Beispiel aus dem Außerfern illustrieren kann: Hier betraf der Regulierungsplan der Agrargemeinschaft Oberletzen ein Regulierungsgebiet, das sich aus Liegenschaften in den Katastralgemeinden Oberletzen, Lechaschau und Musau zusammensetzte. Der ursprüngliche Eigentumsträger war in den historischen B-Blättern jedoch ganz verschieden bezeichnet worden. Als Eigentümerin verbüchert wurde in der KG Oberletzen die „Katastralgemeinde Oberletzen“ aufgrund eines Forstservitutenablösungsvergleichs vom 19.10.1848, in der KG Lechaschau eine „Gemeinde Oberletzen“ aufgrund eines Kaufvertrages vom 22. November 1858 und in der KG Musau eine „Fraktion Oberletzen der Gemeinde Wängle“ ebenfalls aufgrund eines Forstservitutenablösungsvergleichs, nämlich vom 14.9.1848 .

Die KG Oberletzen gehörte zur Zeit der Grundbuchsanlegung zum Gemeindegebiet der politischen Ortsgemeinde Wängle. Hätte es sich bei Oberletzen um eine politische Gemeindefraktion gehandelt, so wäre zu erwarten, dass man dies gerade auf Gemeindegebiet der politischen Gemeinde Wängle, also in der KG Oberletzen, erkannt hätte. Insofern erscheint es besonders erstaunlich, dass als Eigentümerin gerade hier die „Katastralgemeinde Oberletzen“ verbüchert wurde, während man eine „Fraktion Oberletzen“ nur in Musau annahm. Die auf den ersten Blick irritierende Verbücherung einer „Katastralgemeinde Oberletzen“ kommt jedoch bei näherer Betrachtung dem Sachverhalt nicht nur besonders nahe, sondern erspart auch die andernorts notwendig erschienene Definition: Die „Katastralgemeinde Oberletzen“ umfasst nämlich alle ihr zugemessenen Grundstücke bzw deren Eigentümer, wobei sich die Anteile aus den auf diese Grundstücke entfallenden Steuerbeträgen in Relation zu deren Gesamtsumme ergeben. Gleichzeitig ist eine Radizierung dieser Anteile im Sinne realrechtlicher Verbindung entbehrlich: Wer Liegenschaften verkauft, die zu dieser Katastralgemeinde gehören, verliert damit auch einen entsprechenden Anteil am Liegenschaftseigentum der Katastralgemeinde.

Solche komplexen Überlegungen sind allerdings im Fall der drei unterschiedlichen Anschreibetechniken für die Gemeinschaftsliegenschaften der Stammliegenschaftsbesitzer von Oberletzen nicht zu unterstellen. Die Eigentümerbezeichnung für die Liegenschaft in EZ 195 II KG Lechaschau wurde schlicht aus dem Kaufvertrag vom 22. November 1858 übernommen, der von einer „Gemeinde Oberletzen“ abgeschlossen wurde; in den beiden Ablösungsvergleichen vom 19.10.1848 und vom 14.9.1848 wurde jeweils den Stammliegenschaftsbesitzern einer „Fraktion Oberletzen“ gesondertes Waldeigentum zuerkannt. Vielleicht wollten die historischen Akteure auf dem Gebiet der eigenen Ortsgemeinde Wängle, dh in der KG Oberletzen, klarstellen, dass „Oberletzen“ nicht den Status einer politischen Ortsfraktion nach Fraktionengesetz 1893 besaß, weshalb man den Begriff „Katastralgemeinde Oberletzen“ zur Erfassung der Eigentümerin verwendete, wohingegen man sich in der KG Musau schlicht an der Titelurkunde vom 14.9.1848 orientierte, in welcher tatsächlich durch die Forstservitutenablösungskommission einer „Fraktion Oberletzen“ eigenes Waldeigentum zuerkannt wurde.

Abschließend sei noch ein vergleichbares Beispiel aus dem Tiroler Oberland erwähnt: In der KG Zamserberg begegnen als Eigentümer sowohl die „Katastralgemeinde Zams“ als auch die „Katastralgemeinde Zamserberg“ . Offensichtlich dieselben Eigentumsträger erscheinen in der benachbarten KG Zams jedoch als „Gemeinde-Fraktion Zams“ bzw. als „Gemeinde-Fraktion Zamserberg“. Eine Kombination dieser Bezeichnungen, die zugleich zeigt, dass man ihnen in diesem Fall synonyme Bedeutung beilegte, findet sich wieder in einem historischen Eigentumsblatt der KG Zamserberg: Hier wurde die Liegenschaftseigentümerin angeschrieben unter dem Namen „Gemeinde-Fraktion (Kat. Gem.) Zamserberg“.

ERGEBNISSE

Die Untersuchung der Tiroler Grundbuchsanlegung zeigt, dass Gemeinschaftsgüter in sehr vielen verschiedenen Varianten erfasst wurden. Die Grundbuchsanlegungsbeamten verfügten nicht über ausreichende rechtsdogmatische Kenntnisse und Fähigkeiten, waren aber auch von der Rechtswissenschaft und Gesetzgebung allein gelassen. Zwar erscheint ihr Vorgehen aus heutiger Sicht überwiegend als Willkür, doch zeigen sich gelegentlich auch regelmäßige, wenngleich rechtsdogmatisch problematische Handlungsmuster. Die „Etikettierung“ eines Eigentumsträgers durch die Grundbuchsanlegungsbeamten kann also durchaus von systematischen Überlegungen bestimmt gewesen sein, etwa bei der Verwendung des Begriffs „Fraktion“ als Fachterminus zur Erfassung von Gemeinschaftsliegenschaften, deren Anteilsrechte mit Liegenschaftseigentum „in der Fraktion“ rechtlich verknüpft wäre. Doch typischer Weise war die Verwendung des „Fraktionsbegriffes“ zur Erfassung bestimmter Erscheinungsformen agrarischer Gemeinschaften auch aus historischer Sicht nicht gerechtfertigt.

Das Tiroler Fraktionengesetz 1893 war zwar von der erklärten Absicht des Gesetzgebers getragen, den „Überbleibseln der älteren Gemeindeordnungen, die man bestehen ließ, weil man eben nichts Passendes an deren Stelle zu setzen wusste“, ein rechtlich anerkanntes Organisationsmodell zur Durchsetzung von Beteiligungsrechten im politischen Gemeindeleben zur Verfügung zu stellen; das förmliche Anerkennungsverfahren, wie es das Fraktionengesetz 1893 voraussetzte, scheinen freilich die wenigsten der unter diesem Namen im Grundbuch erfassten Eigentumsträgerinnen durchlaufen zu haben.

In der Regel bedeutet „Fraktion“ als Bezeichnung eines Eigentumsträgers deshalb nichts anderes als einen (der Erfassung von Gemeinschaftsliegenschaften dienenden) alternativen Begriff zu „Interessentschaft“, „Nachbarschaft“, „Katastralgemeinde“ oder „Genossenschaft“. Es handelte sich dabei also nicht um eine „gemeinderechtliche Einrichtung“ im Sinne der Deutschen Gemeindeordnung 1935 und damit nicht um eine Rechtsvorgängerin der heutigen politischen Ortsgemeinde, sondern um eine „moralische Person“ im Sinne des ABGB, um eine privatrechtliche „Gemeinde“. Deren historisches Gemeinschaftsvermögen ist unabhängig von den heutigen politischen Strukturen entstanden.
Die Art der Etikettierung einer Liegenschaft im Zuge der Grundbuchsanlegung erlaubt deshalb keine Schlussfolgerung auf die seinerzeit bestandenen Eigentumsverhältnisse.
Das insgesamt negative Urteil über die grundbücherliche Behandlung der Gemeinschaftsliegenschaften, zu dem die Tiroler Landesregierung 1982 kam, erweist sich daher als nicht unberechtigt.

-.-.-.-.-

MP