Übersicht:
Blick über den Gartenzaun
Der Vorarlberger Weg
Einsames Tirol
BLICK ÜBER DEN GARTENZAUN
Gemeinschaftsgüter waren neben dem „feudalen Grundbesitz“ ursprünglich die dominierende Form des Grundbesitzes: Nicht nur in den „Kronländern des Kaiserthums Österreich“, sondern in ganz Europa gab es Nachbarschaftsliegenschaften, die allen Nachbarn gemeinsam gehörten. In Vorarlberg steht heute noch ca. die Hälfte der Landesfläche in Gemeinschaftsbesitz. Die flächenmäßig größte Agrargemeinschaft Nenzing organisiert rund 8.150 ha Grundfläche bei aktuell ca 700 Mitberechtigten. Besonders augenfällig sind die Verhältnisse im Burgenland, wo von ca 220 Agrargemeinschaften größer 10 ha die weit überwiegende Anzahl als „Urbarialgemeinde“ konstituiert wurde; dies nach Ungarischem Recht aus der Zeit von Kaiser Franz und Andreas Hofer. Die größte Burgenländische Agrargemeinschaft ist Apetlon mit einem Grundbesitz von ca 1.300 ha. Ungeachtet angeblich verfassungsrechtlicher Erfordernisse gibt es außerhalb Tirols keine Bemühungen agrargemeinschaftliches Vermögen der Verstaatlichung zu unterwerfen wie dies im Jahr 2014 in Tirol geschehen ist.
Nur in Vorarlberg gab es Ansätze für eine Umgestaltung der Agrargemeinschaften im Sinn des Mieders-Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom Jahr 2008. Während in Tirol noch im Jahr 2008 hektische Bemühungen entfaltet wurden, die Rechtssätze des Mieders-Erkenntnis auf Punkt und Beistrich umzusetzen, hat man in Vorarlberg zuerst einmal die Rechtsverhältnisse analysiert. Während in Tirol noch im Jahr 2008 eine ganze Riege von zusätzlichen Vollzugsbeamten verpflichtet wurde, um das „atypische Gemeindegut“ zu finden, wurde in Vorarlberg eine Kommission eingesetzt, die jeden potenziellen Einzelfall genau untersucht hat. Bei dieser Auseinandersetzung mit den einzelnen Regulierungsverfahren und dem gleichzeitigen Blick auf den Sachverhalt, zu welchem der Verfassungsgerichtshof im Mieders-Erkenntnis entschieden hatte, ist eine entscheidende Schwäche des Mieders-Erkenntnisses in die Augen gefallen: Nicht ein einziger Rechtssatz wird darin auf die historische Tatsache verwandt, dass alle Regulierungsverfahren betreffend „Gemeindegut“ – in Vorarlberg nicht anders als in Tirol – auf Parteienübereinkommen zwischen der Ortsgemeinde und den Nutzungsberechtigten gründen, dh auf einem Vertrag.
Selbst dann, wenn eine Ortsgemeinde wahre Eigentümerin gewesen sein sollten, lagen alle Voraussetzungen vor, dass Eigentumsverfügungen nach damals geltendem Recht wirksam waren. Wenn eine Ortsgemeinde vertraglich verfügt und alle Genehmigungserfordernisse nach geltendem Recht vorliegen, ist diese Verfügung nicht weniger wirksam, als die Verfügung eines Privaten. Schon die alten Germanen kannten den Rechtssatz: Augen auf, Kauf ist Kauf! Dies gilt natürlich auch für Parteienübereinkommen vor der Agrarbehörde.
DER VORARLBERGER WEG
Die Vorarlberger Landesregierung hat deshalb keinen Handlungsbedarf gesehen. Es blieb den Ortsgemeinden überlassen ein Verfahren auf „Rekommunalisierung“ von Gemeindegutsagrargemeinschaften einzuleiten. Im Jahr 2011 wurde von der Vorarlberger Agrarbehörde anhand des Musterfalles der Gemeinde Weiler entschieden, dass in den Regulierungsverfahren endgültige Verhältnisse geschaffen wurden; „atypisches Gemeindegut“ wurde nicht gefunden (Agrarbezirksbehörde Bregenz, 11.10.2011; Landesagrarsenat Vorarlberg, 27.01.2012).
Die Beschwerde der Ortsgemeinde Weiler gegen diese Entscheidungen an den Verfassungsgerichtshof hat der Gerichtshof „mangels Erfolgsaussicht“ (!) erst gar nicht in Behandlung genommen (VfGH 20.06.2012 B291/12-3). Als die Agrarbezirksbehörde Bregenz mit Bescheid vom 26.09.2012 auch im Fall der Gemeinde Rankweil gegen eine „Rekommunalisierung“ des „Gemeindeguts von Rankweil“ entschieden hat, kamen die Bemühungen der Ortsgemeinden Vorarlbergs um die Fata Morgana des „atypischen Gemeindeguts“ zum Erliegen.
EINSAMES TIROL
Somit ist Tirol derzeit das einzige Bundesland, wo agrargemeinschaftliches Vermögen wegen behaupteter historischer Eingriffe in Gemeindeeigentum den Privaten entzogen wird.
Besonders bitter ist das für die Betroffenen, weil die Agrarbehörde und der Verwaltungsgerichtshof ein „atypisches Gemeindegut“ nicht danach identifizieren, ob ein historisches Unrecht geschehen ist. Ein Unrecht wird im Blick auf eine „Gemeindeguts- bzw Fraktionsgut-Qualifizierung“ unwiderlegbar fingiert. Die wahren historischen Eigentumsverhältnisse werden nicht geprüft. Die Nachhaltigkeit dieser „Tiroler Spezialität“ wird die Geschichte lehren.
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Tirol: Zurück in´s Mittelalter
MP